Die Bewegung des Body-Positivismus geht in Russland auf die Chefredakteurin der russischen Ausgabe der Hochglanzzeitschrift Glamour Maria Fjodorowa zurück, die einst anfing, ihr eigenes Image als Plus Size zu vermarkten. Allerdings hielt ihr Eifer in dieser Richtung nur solange, bis ihr der Chefposten in der russischen Vogue angeboten wurde.
Maria Fjodorowa
Jekaterina Tschesnokowa/Sputnik, Wjatcheslaw Prokofjew/TASSVon diesem Moment an nahm sie schlaghaft ab und die Posts über Body-Positivismus verschwanden von ihrem Social-Media-Account. Unsere Protagonistinnen hingegen stehen noch immer zur Sache und behaupten, dass ein Mensch sich selbst aufgebe, wenn er den gesellschaftlichen Standards folge.
„Kein Mensch ist dem anderen was schuldig, außer Respekt“
Trotz ihres jungen Alters stellt Asja Lunegowa in ihrem Blog sehr ernste Fragen: „Wie soll man alle anderen und sich selbst respektieren, wenn die Leute um dich herum alles dafür tun, damit das gar nicht erst möglich ist?“ Sie gehört zur neuen Welle der intersektionalen Feministinnen, die für gleiche Rechte unabhängig des Geschlechts und der sexuellen Orientierung auftreten und auffordern, gegen die Diskriminierung korpulenter Menschen einzutreten.
„Von der 5. bis zur 7. Klasse bin ich rasant gewachsen und war zwei Köpfe größer als alle anderen Gleichaltrigen. Deshalb wurde ich besonders von den Jungs gemobbt. Danach habe ich, aufgrund der frühen Geschlechtsreife, stark an Gewicht zugenommen. Aufgrund dieser Kombination aus Gewicht und Größe wurde ich sehr drangsaliert“.
Asja unterstreicht, dass Männer und Frauen gleich unterdrückt werden, nur auf unterschiedliche Weise: „Bei uns werden Männer gehänselt, die nicht männlich und Frauen, die nicht weiblich aussehen. Das sind alles ziemlich dogmatische Vorstellungen davon, wie Menschen aussehen sollen und was die Gesellschaft von ihnen erwartet. Aber in Wirklichkeit schuldet kein Mensch dem anderen etwas, außer Respekt“.
Sie verbirgt ihre Körpergröße und Vorlieben nicht und behauptet offen, dass sie eine 180 cm große und 100 Kilo schwere Feministin ist, die alles Rosafarbige und Kuschelige mag.
„Macht mehr Fotos von allen Seiten, dann gewöhnt ihr euch schneller an euren Körper“
Eine hellhaarige junge Frau mit dem Nick Puschba ist eine der populärsten Bloggerinnen im russischen Internet. Als Fotografin versteht sie, wie wichtig es ist, bestimmten Paradigmen in der Werbeindustrie zu entsprechen. „Aber wenn du kein Model bist, dann gibt es für dich diese ganzen Standards nicht“, sagt sie und postet ihre body-positiven Bilder ohne jegliche Retusche und ohne Scham.
„Nach dem Kaiserschnitt habe ich meinen Bauch angesehen und verstanden, dass ich nur zwei Varianten habe: entweder mich selbst zu hassen oder mich zu akzeptieren. Die zweite Variante ist viel, viel besser. Nirgendwo steht es, dass ein Mensch ein ganz bestimmtes Aussehen haben muss. Doch jedes Mal, wenn ich meine Fotos poste, werde ich mit Stereotypen und emotionalen Kommentaren konfrontiert, dass ich einen nicht ästhetisch genug aussehenden Bauch habe und dass ich nicht so sei, wie die anderen.“
Puschba sagt, Schönheitsideale wären nur ein Kriterium, das man anwenden kann, wenn man z.B. auf der Suche nach einem Laufstegmodel ist. Aber wofür braucht ein normaler Mensch diese Standards? „Das einzige, was man braucht, ist, sich an sich selbst zu gewöhnen und die Gesellschaft dazu zu zwingen, sich an einen zu gewöhnen“. „Wenn es einem scheint, man sei nicht schön, dann soll man sich von verschiedenen Seiten aus betrachten“, sagt sie und empfiehlt mehr Fotos von sich zu machen und ohne Schönheitsvorauswahl zu posten. „Wenn ihr euch von vorne fotografiert, dann seht ihr schmaler aus, und wenn seitliche Fotos entstehen – so ist der Bauch selbstverständlich zu sehen. Das ist aber kein falscher Winkel. Das ist einfach euer Körper.“
„In Russland legt man auf Kleidungsstücke, Figur und Aussehen mehr Wert als im Ausland. Wenn du nicht den üblichen Schönheitsvorstellungen entsprichst, dann hörst du es von den anderen sofort.“
Tatjana sagt, sie fühle sich endlich schön, aber so sei es nicht immer gewesen. „Während der Studienzeit ging ich zum Tanzkurs. Das Schlimmste war in den Spiegel zu sehen. In einem bestimmten Moment hat die Trainerin mich vor dem Spiegel gestellt und gezwungen, mir selbst in die Augen zu sehen. Ich habe fast geweint, aber wenn ich meinen Blick vom Spiegel abwendete, musste ich umso länger stehenbleiben. Ich stand dort zwei ganze Stunden. Später habe ich eine Frau kennengelernt, die 150 Kilo wog, kurze Hosen trug und deren Augen vor Liebe zu sich selbst leuchteten. Ich habe mich gefragt, warum sie es kann und ich so leiden muss“.
Vor vier Jahren hat Tatjana für sich body-positive Blogger entdeckt und es hat ihr gefallen, dass sie so entspannt aussehen. „Der letzte Schritt in meiner neuen Einstellung zu mir selbst war das Gespräch mit meiner Mutter. Indem sie mir eigentlich nur das Beste gewünscht hat, hat sie immer wieder gesagt, ich soll abnehmen. Dabei wollte ich von ihr nur mal hören, dass ich schön bin“.
„Außerhalb der Standards zu sein ist wunderbar!“
Angelina ist zu einem Plus-Size-Model geworden und erteilt in ihrem Blog Ratschläge, wie Frauen von ungewöhnlicher Größe ihr eigenes Selbstempfinden ändern können.
Sie erklärt, dass die Schönheitsideale von einer großen Industrie ausgedacht sind, um Produkte zu verkaufen, die einem versprechen, mythische Ideale zu erreichen. Denn das Image eines Werbemodels wird von einem ganzen Team aus Fotografen, Stilisten und Visagisten gestaltet.
„Im Leben sehen alle Stars wie gewöhnliche Menschen aus, die Pickel, Falten, graue Haare und Hängebrüste haben. Aber wir werden ständig belehrt, dass für „die gute Note“ ein Sportsaal, Vitamine und teure Kosmetik notwendig sind".
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