Das Unglück am Djatlow-Pass und weitere mysteriöse Bergtragödien, die bis heute ein Rätsel bleiben

Anatolij Poljakow/TASS
Plötzlicher Wahnsinn, Übelkeit und spurloses Verschwinden – Bergsteiger wissen, dass die Berge eine Menge mysteriöser und dunkler Geschichten enthalten.

Theorien, warum die Reisegruppe von Igor Djatlow vor 60 Jahren im Ural ums Leben kam, gibt es mehr als genug. Für alles, was geschah – die Flucht aus dem Zelt mitten in einer Winternacht ohne Kleidung, die Verletzungen und Strahlungsspuren, die bei den Leichen gefunden wurden – existieren allerlei Erklärungen, von Massenpsychosen bis hin zu Intrigen der sowjetischen Spezialdienste, amerikanischen Spionen und Außerirdischen. 

Die Geschichte dieser Gruppe ist jedoch nicht der einzige Fall, bei der Touristen oder professionelle Bergsteiger unter seltsamen Umständen ihr Leben verloren. Auch andere, nicht so bekannte Tragödien hinterließen viele Fragen.

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1. Der Tod der Gruppe Korowina

Wo: Khamar-Daban-Grat, Burjatien (höchster Punkt – 2396 m)

Wann: August des Jahres 1993

Im August an Unterkühlung zu sterben, ist ein unangenehmes Schicksal. Leider passierte genau das einer Gruppe junger Touristen aus Kasachstan unter der Leitung der erfahrenen Ljudmila Korowina, einer „Meisterin des Tourismussports“. In Burjatien angekommen, bewegte sich die Gruppe am 2. August entlang der Strecke Khamar-Daban, hatte aber kein Glück mit dem Wetter: Kalte Regenfälle mischten sich mit Schnee über den Bergen. Bis zum 5. August waren die Bergsteiger jedoch relativ normal unterwegs.

Doch später an diesem Tag überlebten sechs der sieben Personen, die sich in der Gruppe befanden, nicht. Die einzige Überlebende, die 17-jährige Walentina Utotschenko, schrieb später (rus), dass einer von ihnen während eines schwierigen Abstiegs fast erblindete und daraufhin aus dem Mund zu schäumen sowie den Ohren zu bluten begann. Schon bald tauchten die gleichen Symptome auch bei den anderen auf.

Ljudmila Korowina, Tatjana Filipenko, Timur Bapanow, Denis Schwatschkin, Wiktoria Salesowa, Alexander Krysin (l-r)

Fast zeitgleich starben sechs Menschen – zuvor rollten sie auf dem Boden entlang, rissen an ihren Kleidern und griffen sich an den Hals. Dann blieb die junge Frau allein zurück.

Nahezu bewusstlos stieg sie vom Berg herab, indem sie sich an den Stromleitungen orientierte, erreichte den Fluss, wo sie von Touristen auf Katamaranen bemerkt und gerettet wurde.

Eine Autopsie ergab, dass eine Unterkühlung die Ursache des Todes (rus) der Gruppe war, die Teilnehmer hatten Lungenödeme und eine Proteindystrophie, ein Symptom der Unterernährung. Vieles bleibt jedoch weiterhin unklar.

Warum führte Korowina die Gruppe zunächst über die baumlosen Oberläufe der Berge, wenn sie mit den Touristen in die bewaldeten Ausläufer hinabsteigen konnte, wo es einfacher war, ein Feuer zu machen und sich aufzuwärmen? Was hat die schrecklichen Blutungssymptome verursacht? Woher kam die Proteindystrophie, wenn sie sich nach Aussage der Überlebenden (rus) normal ernährt haben? Wie konnten die sechs erfahrenen Teilnehmer in wenigen Minuten sterben? Warum hat das siebte Mitglied der Gruppe überlebt? Nach Jahren schreibt Utotschenko ihr eigenes Überleben ihrer guten körperlichen Kondition zu und zieht es vor, sich nicht mehr an das schreckliche Ereignis auf dem Berg zu erinnern.

2. Der Tod der Schatajewa-Gruppe

Wo: Lenin-Spitze, Pamir, die Grenze zwischen Tadschikistan und Kirgisistan (Höhe – 7134 m)

Wann: August des Jahres 1974

Im Gegensatz zu all jenen, die in Burjatien starben, bestand die Gruppe von Elwira Schatajewa aus professionellen Bergsteigerinnen und der Berg, den sie zu erklimmen suchten, war viel höher. Schatajewa war zudem eine „Meisterin des Sports“ und eine der berühmtesten Bergsteigerinnen der UdSSR. Sie stellte sich eine ehrgeizige Aufgabe: den Siebentausender mit einer Gruppe, die ausschließlich aus Frauen bestand, zu bezwingen. Dieser Schritt galt damals als beispiellos.

Schatajewa und ihr Team bestiegen am 5. August die Lenin-Spitze und meldeten dies dem Basislager am Fuße des Berges. Dort gratulierte man den Athleteninnen zu ihrem erfolgreichen Aufstieg, doch leider war es zu früh, um sich zu freuen.

Lenin-Spitze, Pamir

Am Abend des 5. August, während des Abstiegs, verschlechterte sich das Wetter und die Gruppe entschied sich, die Nacht am Berghang zu verbringen. Am nächsten Tag wurde der Wind noch stärker und der Abstieg noch gefährlicher. Schatajewa meldete (rus): „Eine Teilnehmerin ist krank. Sie erbricht sich nach jeder Mahlzeit.“ Aus Angst vor Komplikationen empfahl das Basislager, sofort mit dem Abstieg zu beginnen.

Während des Abstiegs brach am 7. August ein Hurrikan über den Berghang herein, der sich dort noch schlimmer als in der Ebene auswirkt. Der Hurrikan fegte Gegenstände davon und riss die Zelte auseinander. Laut Schatajewa starben dabei zwei Teilnehmerinnen. Eine andere, die anscheinend erkrankt war, starb, bevor er begonnen hatte. Die restlichen Überlebenden, die keine warme Kleidung und Ausrüstung bei sich hatten, steckten in der Falle. Benachbarte Gruppen eilten zwar zur Rettung, schafften es jedoch wegen des anhaltenden Hurrikans nicht, rechtzeitig vor Ort einzutreffen.

Die letzte Nachricht, die nicht von Schatajewa, sondern von einer anderen Bergsteigerin übermittelt wurde, besagte: „Wir sind noch zu zweit. Wir haben keine Kraft mehr. In fünfzehn oder zwanzig Minuten werden wir nicht mehr am Leben sein.“ In der Tat kam die gesamte Schatajewa-Gruppe bei dem Unglück ums Leben.

Auf den ersten Blick gibt es nur wenige Rätsel in diesem tragischen Fall, nichtsdestotrotz weist der Journalist und Kletterer Anatolij Ferapontow in seinem Buch auf einige Unstimmigkeiten (rus) hin, die bei der Inspektion des Lagers auftauchten, wo die Leichen gefunden wurden: „Auf einem der Panoramaphotos ist klar ein Stein zu sehen, auf dem ein Kessel steht... Ein Hurrikan hätte ihn hinuntergefegt! Die zerrissenen Zelte: Es gab dort keine Wirbelstürme, welche die zugeknöpften Zelte hätten aufreißen können. Nur jemand, der an Hysterie leidet, kann so etwas tun.“

Es bleibt unklar, ob eine Krankheit das Lager niederstreckte und ob das erste Opfer wirklich daran gestorben ist. An selber Stelle zitiert Ferapontow einen der Bergsteiger der benachbarten Gruppen, die sich damals auf dem Berg befanden und behauptete: „Das lief nicht so ab.“ Mehr ließ sich aus dieser Aussage nicht herauslesen und wird sich auch nicht mehr herauslesen lassen.

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