Viele Touristen interessieren sich für die sowjetische Vergangenheit Moskaus. Sie wollen nicht nur das Stadtzentrum, sondern auch die Vororte sehen. „2009 hatten wir Besuch von Penny Martin, der Chefredakteurin von The Gentlewoman“, erzählt die ehemalige Touristenführerin Maria Sinizina. „Sie wollte die Bauwerke aus der Zeit der russischen Avantgarde besichtigen, von denen sie in ihrem Architekturstudium gehört hatte. Zudem fragte sie nach einer Tour in die außerhalb Moskaus gelegenen Stadtteile. Ich erinnere mich daran, dass wir in der Schtschelkowskaja-Gegend und in Perowo waren. Danach besuchten wir das Studio des Modedesigners Artur Lomakin, das in einem solchen sowjetischen Appartementblock lag. Penny aß Würstchen mit gebratenen Kartoffeln, sie sieht aber aus wie eine englische Adelige und ist hochgebildet.“
Auch die russische Militärgeschichte weckt das Interesse der Gäste. So sind beispielsweise Matrosenuniformen beliebte Souvenirs. „Manche Ausländer fragen auch, wo sie ein paar Salven aus einer Kalaschnikow abfeuern können“, berichtet Touristenführerin und Übersetzerin Dascha.
Touristen reden normalerweise wenig, sagt Katerina, Gründerin von Walk&Talk Tours, doch manchmal überraschen sie einen auch mit ihren Fragen. „Zum Beispiel erkundigen sie sich, ob sie einen Rundgang im Präsidentenbüro machen können.“
Außerdem berichtet sie, dass vor allem asiatische Touristinnen sich auch für russische Kosmetik und mitgliedschaftsfreie Fitnessstudios interessieren. Am neugierigsten seien ihrer Meinung nach aber Gäste aus Indien, Italien, Großbritannien und den USA.
Die russische Küche gehört sowieso zu einer Reise nach Moskau dazu. „Wir reichen unseren Gästen Piroggen und Sbiten (ein Getränk aus Honig, Wasser, Gewürzen und Marmelade). Jeder liebt es, insbesondere Sbiten schmeckt den Gästen“, sagt Katerina. Jedoch scheinen sich Touristen für ein ganz anderes Gericht besonders zu interessieren. Fremdenführerin Darja Bulgakowa erzählt, ausländische Touristen würden oft fragen, wo sie Doktorwurst kaufen können. Dieses fleischwurstähnliche Gericht wurde erstmals in den späten 30er-Jahren verkauft. Die Produktbeschreibung pries sie als ideale Nahrung für diejenigen an, deren Gesundheit durch den Bürgerkrieg und die „Gesetzlosigkeit des zaristischen Regimes“ geschädigt war, wodurch die Wurst auch zu ihrem Namen kam.
„Die meisten Touristen fragen, wo es Restaurants und Souvenirläden gibt“, meint Dascha. „Doch manchmal werde ich auch nach ‘typischen russischen Bars, wo Männer Wodka trinken und sich prügeln‘ gefragt“.
Wodka scheint generell ein großes Thema zu sein. Tourorganisatorin Anna Bulgakowa sagt, dass viele Touristen auch fragen, wo sie nach 23 Uhr in Moskau noch Wodka kaufen können (russische Läden dürfen in der Nacht kein Alkohol verkaufen), wo man auf dem Roten Platz rauchen darf und wie man russische Frauen anspricht.
Auch in den zahlreichen Museen der russischen Hauptstadt müssen die Angestellten gelegentlich Spezialfragen beantworten. Jan Kondrusjewitsch, ehemaliger Mitarbeiter der Kolomna-Museengruppe, berichtet: „Die Privaträume der Zaren waren mit Tapeten aus Naturleder dekoriert. Einmal wurde ich gefragt, wie viel so etwas kosten würde und wo man es kaufen könne. Der Gast wollte sich in seinem Haus wie in einer Zarenresidenz fühlen. Eine andere Frage war‚ was man sich hätte damals von seinem Gehalt leisten können?“
Besucher des Kolomna-Parks fragen auch nach den mysteriösen Steinen. Der Legende nach soll einer von ihnen die männliche Potenz steigern und Frauen dabei helfen, schwanger zu werden. Eine weitere Sage erzählt vom „grünen Nebel“, sagt Georgi Manajew, ein anderer ehemaliger Fremdenführer. „Angeblich soll jeder, der dort hineingeht, erst viele Jahre später wieder herauskommen. Touristen fragen, wo man den grünen Nebel findet, doch natürlich ist das alles ein Märchen.“
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