China wird das Coronavirus mit einem sowjetischen, in Russland aber umstrittenen Präparat behandeln

Ilja Pitalew/TASS
Wir erzählen Ihnen alles, was über das sowjetische Präparat Arbidol bekannt ist, und warum es in Russland mit Skepsis behandelt wird.

Das chinesische Gesundheitsministerium nahm das Medikament Arbidol (Wirkstoff - Umifenovir) offiziell in die Liste der Medikamente gegen das Coronavirus COVID-2019 auf. Dieses Medikament wurde 1974 in der Sowjetunion entwickelt. In Russland werden heutzutage damit Grippe und Erkältung behandelt und es ist eines der meistverkauften Medikamente des Landes – es lässt sich in jeder Apotheke finden.

Heißt dass, es ist eine Medizin gegen das Coronavirus gefunden worden? 

Nein, die Weltgesundheitsorganisation hat nicht mitgeteilt, dass ein Heilmittel gefunden wurde. Aber Folgendes ist passiert: Arbidol wurde in die letzte, sechste Vorabversion des Infektionskontrollplans aufgenommen. In den früheren Versionen hieß es noch, dass die Wirkung des Präparats gegen das Coronavirus noch nicht bestätigt sei. In der aktuellen Version fehlt dieser Satz jedoch.

Neben Arbidol stehen auch Medikamente auf der Liste, die bei früheren Ausbrüchen der Coronavirusinfektionen SARS-CoV im Jahr 2003 und MERS-CoV im Jahr 2012 eingesetzt wurden. Es handelt sich dabei um die Medikamente Ribavirin, Lopinavir + Ritonavir und Interferon.

Und was genau ist das sowjetische Arbidol

Zuerst hatten die Medien Russlands und der ganzen Welt Zweifel und betrachteten die Nachricht als Fake. Tatsache ist, dass das Medikament 阿比多尔, das in den Empfehlungen des chinesischen Gesundheitsministeriums angegeben ist, Arbitidol ausgesprochen wird, aber in lateinischer Sprache durchaus eine andere Transliteration haben kann, was zu Verwirrung führte. Einige Hersteller und die Medien bezeichnen das Medikament als Aribidol oder Abidol (letzteres existiert auch – es ist ein Anästhetikum aus Indien, während die chinesischen Behörden jedoch betonten, dass es sich um ein antivirales Medikament handele).

Die Zeitschrift The Bell untersuchte zwei Wochen lang, ob das russische Arbidol hierbei eine Rolle spiele. Es stellte sich heraus, dass dies der Fall war. Von The Bell befragte Experten bestätigten, dass der chinesische Name des Medikaments wie Arbidol klinge. Auf einem Forum chinesischer Ärzte wurde zudem erklärt, dass es sich bei 阿比多尔 um Arbidol handele. Dass es tatsächlich das in der UdSSR entwickelte antivirale Medikament ist, wurde in einem Artikel des Zentralorgans der Kommunistischen Partei Chinas mitgeteilt.

Welchen Ruf hat Arbidol in Russland und in der restlichen Welt?

Dieser ist sehr ambivalent und das ist auch das Problem. Die Weltgesundheitsorganisation weigerte sich, es als Heilmittel gegen Grippe anzuerkennen und die amerikanische Regulierungsbehörde FDA, es als Medikament zu zertifizieren. Der Grund: Seine Wirksamkeit konnte bisher durch Labortests nicht bestätigt werden.

In Russland ist Arbidol äußerst beliebt. Es ist in der offiziellen Liste der lebenswichtigen und unentbehrlichen Medikamente enthalten, zusammen mit Insulin für Diabetes-Patienten oder Steroiden wie zum Beispiel Progesteron. Um der Schweinegrippe vorzubeugen, wurde es 2009 von der damaligen Ministerin für Gesundheit und soziale Entwicklung Tatjana Golikowa empfohlen. Es hat jedoch auch viele Kritiker. Alexander Chadschidis, der Chefpharmakologe von St. Petersburg, bezeichnetArbidol als ein Medikament, für dessen Wirkung es keine ausreichenden Beweise gebe: „Für [Arbidol und einige andere antivirale Medikamente] liegen bestenfalls ein paar Dutzend Studien vor und selbst diese können nicht als korrekt bezeichnet werden“, sagt er.

Vor dem Hintergrund der COVID-19-Coronavirus-Epidemie Ende Januar startete der russische Arbidol-Hersteller Otisifarm eine Radio-Werbekampagne, in der er behauptete, das Medikament sei „sogar gegen das Coronavirus wirksam“. Der Absatz des Medikaments in Russland stieg um 80 %, aber die Werbekampagne wurde beim Föderalen Antimonopoldienst (FAS) beanstandet. Nun wird die FAS den Wahrheitsgehalt dieser Werbung beurteilen. 

Auch die Werbung in sozialen Netzwerken wurde im Januar kritisiert, wobei russische Nutzer behaupteten, sie würden betrogen werden. In beliebten Internet-Communitys gab es zum Beispiel Fotos von fernöstlichen Apotheken mit Arbidol-Werbung auf Chinesisch und Englisch. Darauf folgte die Nachricht, dass es angeblich aus dem Verkauf verschwunden sei.

Es zeigte sich, dass dies ein Fake war. Auf dem Originalfoto ist von Arbidol nicht die Rede. Ob der Hersteller an diesem Fake beteiligt war, ist nicht bekannt.

Wird Russland durch den Arbidol-Verkauf nun reich werden?

Nein. Russlands Patent für Arbidol lief 2007 aus und seitdem kann jeder Hersteller das Medikament mit dem gleichen Wirkstoff als Generikum verkaufen. In China wird Arbidol seit 2010 von sechs großen Pharmaunternehmen hergestellt.

In Russland ist das Medikament immer noch in jeder Apotheke erhältlich. Eine Packung ist ab 136 Rubel, umgerechnet ca. 2,00 Euro, zu haben.

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