Ramsan Kadyrow stellte sich den Fragen der Nachrichtenagentur „Tass“.
Ramil Sitdikov/RIA NovostiRamsan Kadyrow ist seit 2007 in Tschetschenien an der Macht und gilt seitdem als eine der widersprüchlichsten und ominösesten Figuren der russischen Machtelite. Er ist weit über die Grenzen seiner Republik hinaus bekannt für seine ständigen Äußerungen über die Treue zu Wladimir Putin, die harsche Kritik an der Opposition, nach Meinung Kadyrows „Schaitane“, und seine antiwestliche Rhetorik.
Kadyrow erklärte, dass „der IS und Al-Qaida ein und dieselben Eltern“ hätten, und meint damit den Westen. „Die USA und Europa träumen davon, unseren Staat durch fremde Hände zu zerstören. Ginge es nach ihrem Willen, würden sie Russland in ein einziges Aleppo verwandeln“, sagte das Oberhaupt Tschetscheniens.
Er ist sich sicher, dass die Anstrengungen des Westens, die gegen Russland gerichtet sind, darunter auch die Sanktionen, ins Leere laufen würden, und der Westen schließlich selbst Russland um Hilfe bitten werde. Gegenwärtig, so Kadyrow, seien die USA und Europa noch die Feinde Russlands und somit auch die seinen. „Aber persönlich habe ich keine Feinde! Ich bin der friedlichste Mensch der Welt“, versicherte er.
Über die innerrussische Opposition spricht Kadyrow mit Geringschätzung: „Schwätzer. Schamlose Menschen. Ohne Ehre, ohne Gewissen, ohne Heimat“. Der tschetschenische Präsident ist überzeugt, dass Oppositionelle die Interessen des Staats „für dreißig Silberlinge“ verkauften, indem sie sich aus dem Ausland finanzieren ließen. Nach Meinung Kadyrows hätten die Parlamentswahlen am 18. September gezeigt: Die Opposition sei nicht sehr beliebt im Volk. In Tschetschenien hätten die „Schwadroneure“ gar nur Bruchteile eines Prozents der Stimmen erhalten.
„Mich hat absolut nichts mit ihm verbunden. Nemzow war nie mein persönlicher Feind oder Freund. Unsere Wege haben sich nicht gekreuzt“, erklärte Kadyrow nun. Er glaube, dass hinter dem Mord an Nemzow dessen „Freunde“, also die Opposition selbst, gestanden habe, die sich Nemzows entledigen und gleichzeitig Kadyrow diskreditieren habe wollen.
Laut Gerüchten soll Kadyrow einst gesagt haben: „Meinen ersten Russen habe ich mit 16 Jahren umgebracht“. Während des Ersten Tschetschenienkrieges zwischen 1994 und 1996 kämpfte Kadyrow zusammen mit seinem Vater Achmat-Hadschi gegen die föderale Armee. Laut der Journalistin Julia Latynina soll Kadyrow sich so im Jahr 2006 geäußert haben.
Kadyrow selbst hat sich nie zu dieser Aussage bekannt, und erklärte dies zum wiederholten Male in seinem Gespräch mit „Tass“: „Das ist eine üble Lüge!“ Seinen Worten nach nahm er tatsächlich mit seinem Vater am Tschetschenieneinsatz teil, habe aber keine Russen umgebracht, sondern ganz im Gegenteil für die Befreiung gefangengenommener Föderationssoldaten gesorgt. „Verflucht soll ich sein, wenn ich nicht sage, wie es war! Ich habe nichts zu verbergen. Ich sage noch einmal, dass ich zusammen mit meinem Vater im Einsatz war. Er hat das Leben vieler Armeeangehöriger gerettet“, sagte Kadyrow.
Kadyrow selbst hatte den Überfall auf die Tochter Jemeljanenkos scharf kritisiert. Davon, dass das Recht im Streit um die „Kinderkämpfe“ auf seiner Seite sei, scheint das Oberhaupt Tschetscheniens aber überzeugt. „Als Ringrichter wurde ein Kindertrainer eingesetzt, der wusste, wann er einen Kampf beenden musste, damit niemand versehentlich zu Schaden kommt. Alle waren zufrieden, nur Fjodor nicht“, erklärte Kadyrow.
Kadyrow ist seinen eigenen Worten nach ein zutiefst gläubiger Moslem. Auf die Frage, warum in Tschetschenien die Zahl der Moscheen rasant zunehme, während es gleichzeitig ernsthafte Probleme mit dem Gesundheitswesen gebe (der „Tass“-Korrespondent merkte an, dass der Wert von einem Arzt auf 140 Einwohner der schlechteste in ganz Russland sei), äußerte sich Kadyrow zuversichtlich: „Wenn es Spiritualität gibt, ergibt sich alles andere“.
„Ich kuriere mich immer durch das Studium des Korans“, unterstrich der Präsident Tschetscheniens. „Selbst wenn ein Finger schmerzt, bete ich.“ Im Weiteren erzählte er von einigen Fällen der Wunderheilung von Krebskranken durch das Lesen des Korans. „Ich behaupte nicht, dass man die moderne Medizin nicht weiter entwickeln sollte“, unterstrich Kadyrow. Seinen Worten nach kümmere sich Tschetschenien aktiv um den Ausbau des Gesundheitswesens. Aber auch das Wort Allahs dürfe man nicht vernachlässigen, sagte er.
Das Interview erschien zuerst bei der Nachrichtenagentur „Tass“.
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