Der Dialog dürfe nicht abreißen, sind sich Experten in aller Welt einig.
APIn der russischen Hauptstadt diskutierten am Montag russische und westliche Experten die derzeit wichtigsten Fragen in den internationalen Beziehungen. „Die Gespräche reißen weltweit ab“, sagte Fjodor Lukjanow, einer der Organisatoren der Konferenz und Vorsitzender des Russischen Rats für Außen- und Verteidigungspolitik, zum Auftakt der Konferenz.
Die Folgen eines abbrechenden Dialogs zwischen Russland und dem Westen wären jedoch fatal, waren die teilnehmenden Experten sich einig. Diskussionen würden helfen, selbst bei den schwierigsten Fragen einen Kompromiss zu finden. Und so wurden denn auch die wichtigsten Streitpunkte zwischen Russland und dem Westen debattiert: die Osterweiterung der Nato, der Krieg in Syrien und die Kämpfe im Osten der Ukraine.
Die Osterweiterung der Nato ist eine der am heftigsten diskutierten Punkte in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen. „Uns wurde versprochen, dass es nie eine Erweiterung der Nato geben würde. Wir wurden hintergangen“, stellte Sergej Karaganow, Dekan der Fakultät für Weltwirtschaft und Weltpolitik an der Higher School of Economics, enttäuscht fest.
Die Nato hingegen beharrt darauf, es gebe kein Dokument, das die russischen Vorwürfe bestätigen würde. Robert Cooper, britischer Diplomat und ehemaliger Berater des Europäischen Dienstes für äußere Angelegenheiten, brachte dies deutlich zur Sprache. Für Cooper nimmt die Nato gar eine positive Rolle ein, weil die Allianz den osteuropäischen Ländern ein Gefühl von Sicherheit geben würde.Angesichts dieser verfahrenen Situation könne Russland kein Teil der westlichen Sicherheitsordnung werden, sagte Andrei Kortunow, Generaldirektor des Russischen Rats für internationale Beziehungen, in einem Gespräch mit RBTH. Momentan sei dies auch nicht beabsichtigt: „Es wird wohl zwei Sicherheitssysteme geben – das euroatlantische und das eurasische. Letzteres versucht Russland mit China aufzubauen.“
Kortunow stellt sich ein parallel existierendes, mehrstufiges Sicherheitssystem vor: „Es wird wohl eine zweistufige Ordnung geben. Jedes System verfügt über seinen eigenen Verantwortungsbereich. Doch auf der zweiten, der höchsten Stufe kämpfen alle gemeinsam gegen die globalen Gefahren wie Terrorismus, Umweltprobleme und so weiter.“
Auch Syrien bildet einen großen Streitpunkt zwischen Russland und dem Westen. Die USA werfen Russland vor, Baschar al-Assad zu unterstützen, den sie für einen Kriegsverbrecher halten. Im Gegenzug werden die USA beschuldigt, mit al-Nusra-Terroristen zu verhandeln. Der Arabist und Diplomat Alexander Aksenjonok konstatierte, Russland und der Westen würden im Nahen Osten dasselbe tun: ihre eigenen Interessen verfolgen.
Russland habe sich nach der Verabschiedung der Lybien-Resolution, die eine humanitäre Intervention autorisierte und zum Sturz von Gaddafi geführt hatte, betrogen gefühlt, meint Aksenjonok. „Und Russland wollte dem Westen auf dieselbe Art antworten“, fügte der Experte hinzu. Es sei sehr wahrscheinlich, dass Syrien in kontrollierte Gebiete der Regierung und der Opposition aufgeteilt werden könnte.Ähnlich sieht das Soli Özel, Professor für internationale Beziehungen an der Kadir-Has-Universität in Istanbul. „Ich glaube, dass Assad am Ende den westlichen Teil des Landes unter Kontrolle halten wird. Dort leben 85 Prozent der Bevölkerung“, sagte er RBTH. Der restliche Teil Syriens werde unter Kontrolle der Rebellen bleiben. Das sei möglich, weil die westlichen Länder genug vom Syrien-Konflikt hätten, erklärt der Experte. Deshalb seien sie bereit, Moskau und Assad entgegenzukommen. Vor allem nach der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten sei das gut vorstellbar.
Ein dritter Streitpunkt betrifft die Lage in der Ostukraine. Der friedliche Weg im Donbass, der 2014 in Minsk beschritten wurde, scheint in eine Sackgasse zu münden. Russland, Frankreich, Deutschland und die Ukraine führen Gespräche auf Ebene der Außenminister, doch bislang ohne großen Erfolg. Moskau und Kiew, Letzteres vom Westen unterstützt, beschuldigen sich gegenseitig, den Friedensprozess unterbrochen zu haben.
„Niemand glaubt daran, dass die Vereinbarungen von Minsk umgesetzt werden können. Eine Lösung ist nicht in Sicht“, machte Alexei Miller, Professor an der Europäischen Universität in Sankt Petersburg, deutlich. Dass der Minsker Prozess in einer Krise steckt, meint auch Thomas Bagger, Leiter des Planungsstabs im Auswärtigen Amt in Berlin. Doch für ihn bleiben die Friedensverhandlungen die einzige Möglichkeit, den Konflikt zu lösen.„Jetzt, nach der dreizehnten Runde auf Ministerebene und langwierigen Diskussionen, können wir festhalten, dass Minsk Schlimmeres verhindert hat“, erklärte Bagger. Der Friedensprozess werde durch Misstrauen auf beiden Seiten aufgehalten, es sei jedoch notwendig, den Dialog aufrecht zu erhalten und an Veränderungen zu glauben, betonte der Diplomat.
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