Estonian army conscript soldiers attend a tactical training in the military training field near Tapa, Estonia February 16, 2017. Picture taken February 16, 2017.
ReutersSoldaten der estnischen Armee bei einer Übung in der Nähe von Tapa (Estland) im Februar 2017. / Reuters
Das Verteidigungsministerium von Estland teilte Anfang März mit, dass bis Ende April mehr als 1 200 Soldaten aus Großbritannien, Frankreich und Dänemark erwartet werden. Im nördlichsten Land des Baltikums wird ein eigenes Nato-Bataillon stationiert. Die Gesamtzahl der Truppen des Nordatlantik-Bündnisses umfasst dann mehr als 1 500 Personen.
Die Ankunft der britischen Truppen demonstriere die weitere Einheit der Allianz-Partner und halte das Gleichgewicht der Kräfte in der Region aufrecht, verkündete Tallinn. Bereits seit einigen Jahren kommen in Estland Nato-Flugzeuge zum Einsatz. Im Jahr 2016 kam noch eine US-Panzerkompanie hinzu. Darüber hinaus finden hier jährlich die größten Truppenübungen der Nato wie „Spring Storm“ mit bis zu 5 000 Soldaten statt.
Die Stationierung der Nato-Truppen in Polen und dem Baltikum war bereits für Mitte 2016 geplant, noch lange vor Donald Trumps Amtsantritt. Die östlichen Nato-Grenzen werden voraussichtlich über eine neue Brigade verfügen, deren Abteilungen vom Baltikum bis zum Schwarzen Meer verlegt werden. Dies sei trotz geringen Zahlen ein erster Schritt zur Schaffung einer schnellen Eingreiftruppe der Nato. Den Großteil der Investitionen für den Unterhalt der internationalen Streitkräfte müssten die osteuropäischen Länder tragen, die die Einheiten beherbergen werden.
Das kombinierte Nato-Bataillon, das nun in Estland dauerhaft stationiert sei, bereite Russlands Politikern Sorgen, heißt es. „Die Nato wird viel Aufwand betreiben müssen, um eine Truppe im Baltikum zu schaffen, die mit der Anzahl der russischen Einheiten in den Gebieten Pskow und Leningrad mithalten kann. Taktisch gesehen hat die Allianz das nicht nötig“, bewertet ein Spezialist aus dem russischen Verteidigungsministerium, der nicht genannt werden will, die Lage.
Denn das eigentliche Problem der Allianz sei Kaliningrad (1 100 Kilometer westlich von Moskau), wo sich eine große Gruppierung der russischen Streitkräfte befindet. „Sowohl in Tallinn als auch Washington oder Brüssel versteht man, dass ein Angriff auf Sankt Petersburg über die Grenzstadt Narva unmöglich wäre – ob mit einem oder mit fünf Bataillonen. Die Aufgabe des westlichen Nato-Kontingents in Estland ist die Interaktion der Nationalarmee des Landes.“
Russland müsse sich keine Sorgen über die militärischen Bemühungen der Nato machen, findet auch Wiktor Kusnezow, Militärexperte und Oberst außer Dienst: „Russland reagiert nicht auf Estlands ‚Spring Storm‘. Das hat Moskau nicht nötig“, meint Kusnezow im Gespräch mit RBTH.
Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen begutachtet das deutsche Kampfflugzeug „Eurofighter Typhoon“ auf der estnischen Militärflugbasis Amari im März 2017. / Reuters
„Weltweit gilt das Konzept der Gegenmaßnahmen bei potenziellen Gefahren, das heißt auf große Übungen in Grenznähe folgen entsprechende Gegenmaßnahmen. Das dient sowohl der Präsentation der eigenen Verteidigung als auch der Beruhigung der eigenen Bevölkerung.“ So führe das russische Militär regelmäßig unter dem Stichwort „Westen“ Kontrollen der westlichen Truppen durch. Außerdem gebe es die üblichen regelmäßigen Kontrollen der Kampfbereitschaft an den Grenzen zu Lettland und Estland. „Selbst diese Übungen sind größer als die gesamten Kriegsspiele der Nato im Baltikum“, sagt der Ex-Oberst.
Indes wird die militärische Neuausrichtung der Nato im Baltikum von der hiesigen russischen Gemeinde mit Sorge betrachtet. Mehr als ein Viertel der estnischen Bevölkerung zählt zur russischen Minderheit. „Der Schutz Estlands vor der ‚russischen Aggression‘ ist eine unlösbare Aufgabe“, findet der estnische Menschenrechtsaktivist Sergej Seredenko. Denn es gäbe gar keine Aggression. „In der aktuellen außenpolitischen Strategie Russlands steht kein Wort über die baltischen Staaten“, sagt er.
„Zweitens heilen Panzer keine Paranoia“, fährt der Menschenrechtler fort. „Die hiesige politische Gemeinschaft braucht wegen all ihrer Schwächen ein gemeinsames Feindbild. Deshalb wird diese Paranoia verbreitet. Zudem stimmt das mit der allgemeinen Position des Westens über die sogenannte ‚russische Aggression‘ überein und wird deshalb nicht infrage gestellt. Viele Estländer, vor allem Menschenrechtler und Antifaschisten, finden die Anwesenheit der Allianz unangenehm.“„Wir sollten außerdem nicht vergessen, dass Sicherheit kostet. Dabei handelt es sich um viel Geld“, ergänzt Wiktor Kusnezow. Alle Ausgaben für den Stützpunkt in Tapa, die Neuausrichtung der Truppen und die Stationierung von ausländischen Soldaten müssen von Estland getragen werden. Das ist viel Geld für den Haushalt eines kleinen Staates.“
Es sei auch nicht verwunderlich, dass die Nato Estland in westlicher Militärtechnik ausbilde. „Der neue US-Präsident Donald Trump hat mehrmals gesagt, dass Europa für seine Sicherheit selbst zahlen müsse“, erklärt der Militärexperte. Deshalb sei eine Schlüsselaufgabe von Trump, den Export von Militärgütern nach Europa zu erhöhen. Die neue Technik und die neuen Soldaten, die Estlands Militär ausbilden werden, passen für Kusnezow sehr gut in die angekündigte Politik Trumps.
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