Am 22. März erschienen der russische Präsident Wladimir Putin (r.), der französische Ex-Premierminister François Fillon (m.) und der libanesische Öl-Milliardär Faud Mahzumi (l.) bei einem Treffen am Rande des Sankt Petersburger Wirtschaftsforums gemeinsam vor Fotografen. Die Medien spekulierten daraufhin, dass Fillon dieses Treffen nicht umsonst arrangiert hätte.
APFrançois Fillon, der französische Präsidentschaftskandidat der Republikaner, soll für seine Partner ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin arrangiert haben. Das berichtete die französische Zeitung „Le Canard enchainé“ vergangene Woche. Angeblich machte der französische Ex-Premier den libanesischen Milliardär, Faud Mahzumi, und den Chef des französischen Öl- und Gaskonzerns Total, Patrick Pouyanné, auf dem Petersburger Wirtschaftsforum 2015 mit Putin bekannt und kassierte dafür 50 000 Euro.
Fillon bezeichnete die Vorwürfe als „peinliche Lüge“. Der Kreml äußerte sich misstrauisch: Der Zeitungsbericht sehe aus wie ein Fake, sagte der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow. Sämtliche Treffen mit Wirtschaftsvertretern würden strikt im Rahmen des Protokolls abgehalten, Mittelsmänner seien dabei ausgeschlossen, betonte er.
Skeptisch ist auch der Wirtschafts- und Politikberater Dmitri Orlow: „Ich halte diese Geschichte für unrealistisch, vor allem wegen der winzigen Summe. Ein Vermittler mit Zugang zum Präsidenten hätte für ein Treffen mit ihm deutlich mehr verlangt“, meint der Branchenkenner. Außerdem: Auf dem Petersburger Wirtschaftsforum kommen Geschäftsleute auch so mit Spitzenpolitikern in Kontakt. „Sie registrieren sich ganz legal, zahlen den Eintrittspreis – letztes Jahr betrug er 290 000 Rubel (rund 4 500 Euro) – und reden dann, mit wem sie wollen“, erklärt der Berater.Allerdings hatte Fillon 2015 keine öffentlichen Ämter inne. Habe er damals doch ein Treffen mit Putin arrangiert und dafür einen Geldbetrag erhalten, so sagt der Politologe Pawel Salin von der russischen Finanzuniversität, „wäre dies nicht illegal“. Viele etablierte Politiker – ob noch immer oder eben nicht mehr im Amt – würden das tun: „Sie nutzen ihre Beziehungen, um Person A mit Person B zusammenzubringen“, erklärt Salin in einem Gespräch mit RBTH.
Die eigentliche Kontaktperson, in diesem Fall Putin, wisse aber in der Regel nicht, dass der Geschäftsmann Geld für das Treffen bezahlt hat. Denn: „Ist kein Geld an den einflussreichen Politiker und seine Vertrauten geflossen, ist es keine Korruption, sondern ganz legaler Lobbyismus.“ In der ganzen Welt laufe das so. Dass die französische Zeitung versuche, bei Fillon und Putin daraus einen Skandal zu machen, sei auf eine „Psychose im Westen“ zurückzuführen. Dort erzeuge „alles, was irgendwie mit Russland im Zusammenhang steht“, Nervosität, bemerkt Salin.
Der russische Gesetzgeber ahndet Lobbyismus nicht. Entsprechende Gesetzesinitiativen werden immer wieder in die Duma eingebracht, kommen aber nicht durch. Ein Treffen zu arrangieren, ist also völlig legal. Und in Russland ist es weitläufige Praxis, dass Wirtschaftsvertreter Mittelsmänner dafür bezahlen.
„Das übernehmen Profi-Lobbyisten: Rechts- oder Wirtschaftsberater“, erklärte der Analyst Pawel Tolstych dem russischen Radiosender KommersantFM. Tolstych leitet ein Zentrum zur Erforschung von Wirtschafts- und Politikverflechtung. Er sagt, in der Regel sei das vermittelte Treffen nicht mehr als ein „Sahnehäubchen auf der Torte“, der Abschluss einer Vereinbarung. Die größte Arbeit würden die Lobbyisten im Vorfeld leisten: „Ihr wichtigster Job ist es, die Politiker davon zu überzeugen, eine Entscheidung zugunsten der Wirtschaft zu treffen. Die Politiker können dabei völlig im Unwissen darüber sein, dass sie es mit Lobbyisten zu tun haben“, sagte Tolstych. „Russland hat nun mal kein Lobbyismus-Gesetz. Deshalb bleiben die Vorgänge für die Öffentlichkeit intransparent.“
Einflussreiche Berater könnten auch ein Treffen mit Putin in die Wege leiten, ist der Experte sicher. Die Kosten dafür schätzt Tolstych auf etwa eine Million US-Dollar. Wichtig sei, so fügte er hinzu, das Treffen so zu organisieren, dass der Präsident von Geldzahlungen nichts wisse. „Ansonsten würde der Staatschef einem Treffen höchstwahrscheinlich nicht zustimmen“, glaubt Tolstych. Die Lobbyisten agieren also sehr sorgfältig hinter den Kulissen.In Russland war das nicht immer so, wie sich Dmitri Orlow erinnert: „In den Neunzigerjahren wurde ganz offen darüber gesprochen, was ein Treffen mit (dem damaligen Präsidenten) Jelzin oder die Verabschiedung eines Gesetzes in der Duma kostet“, erzählt der Wirtschafts- und Politikberater. Das sei schon offene Korruption statt subtile Lobbyarbeit gewesen. Vielleicht waren es auch nur wilde Gerüchte, räumt der Experte ein. Dennoch würden allein die Spekulationen schon das Ausmaß der Korrumpierung damaliger Eliten verdeutlichen. Seitdem hätten sich der russische Staat und die Einflussmechanismen qualitativ verändert: „Sie sind zivilisierter geworden“, sagt Orlow.
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