Der Westen drängt auf einen Rücktritt des syrischen Machthabers.
ReutersDie Lage in Syrien droht zu eskalieren. Nach dem Giftgasangriff in der syrischen Provinz Idlib am 4. April, für den die USA und andere westliche Länder die Regierung von Baschar al-Assad verantwortlich machen, sind die Stimmen nach Assads Rücktritt lauter wie nie zuvor. Auch Russland steht im Kreuzfeuer der Kritik, weil es den syrischen Präsidenten weiterhin unterstützt.
Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen Nikki Haley betonte, dass eine politische Lösung der Syrien-Krise mit Assad nicht möglich sei. Und US-Außenminister Rex Tillerson gab Moskau im Vorfeld seines Russland-Besuchs am Montag eine Mitschuld am Blutvergießen in Syrien: „Die Russen haben eine Zeit lang Baschar al-Assads Handlungen verteidigt.“ Deshalb, so sagte Haley CNN, erwäge der Westen, neue Sanktionen gegen Russland einzuführen.
Bislang aber beschränken sich der Westen und seine Verbündeten im Nahen Osten darauf, Moskau zur Abkehr von Damaskus zu drängen. Nach Medienberichten soll Rex Tillerson diese Forderung im Rahmen seiner Gespräche in der russischen Hauptstadt geäußert haben. Doch wie realistisch ist ein Bruch mit Assad?
Moskau, das sich zu Syrien eher vorsichtig äußert, betonte, man unterstütze die legitime Regierung Syriens und nicht etwa bestimmte Politiker wie Assad. So kommentierte der Sprecher des russischen Präsidenten Dmitri Peskow den Giftgasangriff mit den Worten, Russlands Unterstützung für Assad sei nicht bedingungslos. Gleichzeitig betonte er, zwischen Moskau und Damaskus gebe es eine „volle und gegenseitige Unterstützung“.
Auch der Iran setzt sich für die syrische Regierung ein. Während der Westen und eine Reihe von Ländern im Nahen Osten wie die Türkei, Israel und Länder am Persischen Golf Assads Regime heftig kritisieren, bezeichneten die Präsidenten Wladimir Putin und Hassan Rohani den US-Raketenangriff auf die syrische Luftwaffenbasis als „inakzeptable Handlung gegen einen souveränen Staat“.
„Der Kreml sieht es so: Über das Schicksal Assads hat das syrische Volk und nicht Donald Trump zu entscheiden“, erklärt Wiktor Nadein-Rajewski, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen an der Russischen Akademie der Wissenschaften, die Haltung Moskaus.
Der Experte glaubt nicht, dass Russland seine Ansichten zum Syrien-Konflikt ändern wird. Stattdessen werde Moskau auch weiterhin versuchen, bei den Gesprächen in Genf und Astana einen gemeinsamen Nenner zwischen der syrischen Regierung und Opposition zu finden. Nach den jüngsten Angriffen, so räumt der Experte ein, sei dies jedoch äußerst schwierig.
Der Einfluss von Moskau auf Damaskus sei nicht grenzenlos, erinnert Grigorij Kossatsch, Professor an der Russischen Staatlichen Geisteswissenschaftlichen Universität. „Assad war noch nie eine einfache Schachfigur für Russland. Seine Handlungen und Äußerungen haben der russischen Sichtweise oft widersprochen“, betonte der Experte im Gespräch mit RBTH. Assad hätte beispielsweise oft erklärt, nur ein „Sieg über die Terroristen“ ermögliche politische Lösungen und Reformen, während Russland den politischen Prozess so schnell wie möglich einleiten wolle.
Einfluss auf Damaskus auszuüben, sei zudem schwierig, weil Assad der wichtigste Partner in Syrien sei, fügte Kossatsch hinzu. „Sollte Moskau Assad den Rücken kehren, könnte Russland alles verlieren. Es unterhält kaum Beziehungen zur Opposition, die Möglichkeit für Kontakte ist deshalb sehr beschränkt“, erklärte der Professor RBTH. Russland habe in Bezug auf seine Beziehungen zu Assad praktisch keinen Raum für Manöver, schließt der Experte.
Doch Beobachter sehen auch Grenzen in den syrisch-russischen Beziehungen. So sind sie sich einig, dass Moskau für Assad keinen offenen Konflikt mit den USA riskieren würde. Zum US-Angriff in der Provinz Homs zitierte der „Kommersant“ aus dem russischen Verteidigungsministerium: „Die russischen Raketenabwehrsysteme in Syrien schützen vor allem die russische Infrastruktur. Es ist nicht unsere Aufgabe, den gesamten Himmel über Syrien abzudecken.“
Russland sei nicht verpflichtet, Assads Regime zu beschützen, bekräftigte der Politikwissenschaftler Alexei Arbatow im Gespräch mit Kommersant FM. „Unsere Abwehrsysteme schützen unsere Luft- und Marinestützpunkte. Syrien ist kein Verbündeter, sondern ein Partner“, erklärte Arbatow.
Auch Grigorij Kossatsch glaubt nicht, dass Russland einen Krieg mit den USA riskieren würde, nur um den syrischen Präsidenten zu schützen. „Sollte die Lage so eskalieren, dass eine direkte Konfrontation möglich wird, dann muss Russland natürlich einen anderen Weg finden, um das syrische Problem zu lösen“, sagte er RBTH. Andererseits sei die Lage noch lange nicht so konkret, weshalb Russland seine Politik in der nahen Zukunft wohl nicht ändern werde.
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