Im Zug von Kiew nach Moskau: Reisende warten auf dem Hauptbahnhof der ukrainischen Hauptstadt. / RIA Novosti
Ein klares Nein sieht sicherlich anders aus: Derzeit gebe es in Kiew keine Pläne, den Bahnverkehr mit Russland einzustellen, sagte der ukrainische Minister für Infrastruktur Wladimir Omeljan. Doch sei es durchaus „zweckmäßig“, jede Verkehrsverbindung mit Russland einzustellen. Zuvor hatte die Wirtschaftszeitung „Kommersant“ über einen ebensolchen Plan der Regierung in Kiew berichtet.
Rund zwei Millionen Passagiere reisen jährlich mit der Bahn zwischen Russland und der Ukraine. Dass Kiew dies unterbinden könnte, erscheint derzeit nicht unwahrscheinlich. Den Güterschienenverkehr aus Russland hat die ukrainische Führung bereits gestoppt: Am 16. Mai verhängte die Ukraine Sanktionen gegen den Bahnlogistiker FGK, ein Tochterunternehmen des russischen Bahnkonzerns RZD. Mit Ablauf dieses Monats muss jeder der 6 000 Waggons des Unternehmens, die sich zum Zeitpunkt des Verbots auf ukrainischem Boden befanden, das Land verlassen haben. Auch anderen russischen Bahnunternehmen sind Umschlag und Transport auf ukrainischem Territorium nun untersagt.
Rund zwei Jahre zuvor hatte Kiew bereits alle Flugverbindungen von Russland in die Ukraine gekappt. Im Herbst 2015 verhängte die ukrainische Führung zunächst Sanktionen gegen die russische Fluglinie Aeroflot, weil diese die Halbinsel Krim anfliegt. Im Gegenzug hatte Moskau fünf ukrainischen Airlines Flüge nach Russland verboten. Einen Monat später sperrte Kiew den ukrainischen Luftraum für russische Flugzeuge – das Land könne diesen für Provokationen nutzen, sagte der damalige ukrainische Premierminister Arsenij Jazenjuk.Seitdem es keine Direktverbindungen zwischen Russland und der Ukraine mehr gibt, müssen Reisende einen Umweg über Minsk in Kauf nehmen. Einfach ist der Weg in die Ukraine für Russen also nicht – schon gar nicht für Männer: Seit April 2014 brauchen russische Männer im Alter zwischen 16 und 60 Jahren eine notariell beglaubigte Einladung eines ukrainischen Bürgers, damit sie an der Grenze zur Ukraine nicht zurückgewiesen werden. Kiew begründet diese Maßnahme mit dem Beginn der „Antiterroroperation“ im Osten des Landes. In den Jahren 2014 und 2015 hätten ukrainische Grenzschützer tausenden Russen die Einreise ohne Angabe von Gründen verwehrt, heißt es in sozialen Netzwerken. Dieses Verbot wurde selbst dem Kreml-Kritiker Michail Chodorkowski zu viel: Er rief die ukrainische Führung dazu auf, das Verbot aufzuheben, weil es „zehntausende einfache Menschen“ treffe.
Vom Einreiseverbot betroffen sind indes nicht nur normale Bürger, sondern auch in beiden Ländern durchaus bekannte Menschen: Kiew hat dutzenden russischen Schriftsellern, Sängern, Schauspielern und Satirikern die Einreise verboten, obwohl sie nicht selten ukrainische Wurzeln haben. Sie seien eine Gefahr für die nationale Sicherheit der Ukraine, ist man in Kiew überzeugt. Der Grund, Kulturschaffenden auf den Index zu setzen, ist einfach: Sie würden den Anschluss der Halbinsel Krim an Russland befürworten und gar mit den selbsternannten Volksrepubliken im Donbass sympathisieren.
Aber auch ein einfacher Besuch auf der Krim reicht Kiew bereits als Grund für ein Einreiseverbot aus. Schließlich dürfe man nur vom Festland und über ukrainische Kontrollposten auf die Halbinsel reisen. Der wohl bekannteste Fall: Kiew untersagte der russischen Sängerin Julia Samojlowa die Einreise zur Teilnahme am Eurovision Song Contest Anfang Mai, weil sie 2015 von Moskau aus auf die Halbinsel geflogen war.
Überhaupt sind Menschen, die Kiews Version der Ereignisse in den vergangenen drei Jahren nicht teilen, den ukrainischen Machthabern ein Dorn im Auge. Auch westliche Schauspieler wie Gérard Depardieu und Steven Seagal sind in der Ukraine unerwünscht, wie auch die Regisseure Emir Kusturica und Oliver Stone.
Rund 70 russische Kanäle werden in der Ukraine nicht mehr ausgestrahlt, darunter seit September letzten Jahres auch ein Kinder- und ein Fußballkanal. Selbst der oppositionelle TV-Sender „Doschd“ blieb von der Verbotswut der Kiewer Führung nicht verschont – obwohl der Kanal die Ukraine-Politik des Kremls nicht unterstützt. Der offizielle Grund für das Verbot: Auf der Website des Senders wird die Krim als Teil Russlands dargestellt.
Vorstellungen, die von den Ansichten der ukrainischen Führung abweichen, dürfen jetzt auch in gedruckter Form nicht mehr ins Land. Seit diesem Jahr sind auch „Druckerzeugnisse antiukrainischen Charakters“ in der Ukraine verboten. Was als antiukrainisch zu werten ist, soll eine Sonderkommission entscheiden, die jedoch bis heute nicht eingerichtet wurde. Die Einfuhr von Büchern in die Ukraine ist indes gänzlich zum Erliegen gekommen. Um eine Einfuhrerlaubnis zu erhalten, muss ein Gutachten über den Inhalt des Buches vorgelegt werden.
Unterstützt werden diese Maßnahmen durch ein Embargo gegen russische Lebensmittel, ein Kooperationsverbot im militärtechnischen Bereich und eine ganze Fülle an Wirtschaftssanktionen, die gegen 468 russische Firmen verhängt wurden – darunter die beiden Internetriesen VKontakte und Yandex.
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