Foto: Lori_LegionMedia
Das 200 Kilometer von Moskau entfernte Susdal zählt zu den beliebtesten Ausflugszielen für Touristen auf dem „Goldenen Ring“ der altrussischen Städte im zentralen Teil des Landes. Von dick aufgetragenem touristischem Glanz bleibt man hier verschont. Mit wirklichen Sehenswürdigkeiten wiederum ist dieser Ort reich gesegnet. In Susdal, das keine 11.000 Einwohner hat, befinden sich an die 200 Architektur- Denkmäler, darunter fünf Klöster, über drei Dutzend Kirchen und einige Museen. Die Stadt selbst ist klein. Vom Stadtrand bis zum Zentrum gelangt man innerhalb von zehn Minuten. Verlaufen kann man sich hier kaum.
Samstag, 12.00
Am Handelsplatz geht’s los
Eine Stadtbesichtigung sollte im Zentrum, auf dem Handelsplatz, beginnen (ul. Lenina, 63a). Das Kontorhaus, ein rechteckiges Gebäude mit zur Straße hin geöffneter Galerie, scheint angesichts der heute dort ansässigen Geschäfte überdimensioniert. Ihre Funktion haben sie jedoch nicht verloren. Auf Holzständen werden Souvenire aller Art angeboten: von einfachen Kühlschrank-Magneten bis zu Kunsthandwerk aus Holz und sogar Walenki mit aparten Schleifen.
14.00
Auf zur Zeitreise: Gefängnisse und Klöster
(http://suzdal.org.ru/Information/map_arch.htm)
Mit Souveniren eingedeckt, kann man eine Zeitreise antreten und innerhalb weniger Augenblicke um einige Hundert Jahre zurückspringen. Am nördlichen Rand der Stadt liegen zwei Anlagen, die seinerzeit mehrere Funktionen erfüllten. Sie dienten zugleich als Klöster, Wehrvorrichtungen und Kerker: das Erlöser-Euthymios-Kloster für Männer (Susdal, ul. Lenina) und das Mariä-Schutz-und-Fürbitten-Kloster für Frauen (Susdal, ul. Pokrowskaja). Die Namen der Bewohnerinnen des letzteren bezeugen die Geschichte dieses Ortes. Dorthin verbannten ihre in Ungnade gefallenen Gattinnen unter anderem Iwan der Schreckliche und Peter der Große. Im Mariä-Schutz-und-Fürbitten-Kloster ist der Glockenturm zugänglich. Von dort eröffnet sich ein Panoramablick in die Umgebung.
15.00
Zu Besuch in der Klosterküche
Mit leerem Magen durch die Epochen zu reisen wäre ein unverzeihlicher Fehler. Und verweilt man schon einmal in einem Kloster, ist es nahe liegend, einen Abstecher ins Refektorium zu machen.
Ortskundige berichten, dass die Gastronomie von Susdal praktisch immer auf Touristen zugeschnitten war. Zu sowjetischen Zeiten zeigte sich das in der traditionellen russischen Tracht der Bedienung, den unpraktischen hölzernen Suppenterrinen und bunt bemalten Löffeln. Mancherorts hat sich dieser Folklore-Stil erhalten.
Die Küche wiederum schlägt alle Rekorde – nach Minestrone und Pizzen halten Sie vergeblich Ausschau. Einige Speisen sind Susdaler Spezialitäten, die nirgendwo anders zu haben sind. Ein komplettes Mittagessen für zwei Personen gibt es im Kloster für 500 Rubel (etwa 20 Euro). Zu empfehlen sind die traditionelle russische Kohlsuppe, Braten und Bliny. Der Speiseplan echter Refektorien befolgt die klösterlichen Regeln. Fleischgerichte gibt es überhaupt nicht, mittwochs und freitags sowie an kirchlichen Fasttagen werden Fastenmahlzeiten zubereitet. Im klostereigenen Restaurant „Priwatnizkaja“ zeigt man sich Touristen gegenüber jedoch tolerant. Es lohnt sich, für etwa drei Euro die Steinpilzsuppe, eine Spezialität des Hauses, zu kosten. Es wird nur Bargeld angenommen.
17.00
Der Kreml und seine Hauptattraktion, die Kremluhr
Wer russische Städte bereits bereist hat, weiß, dass der Kreml (Susdal, ul. Kremlewskaja 20) eine Sammelbezeichnung für Wehranlagen ist, in denen früher einmal die Fürsten bestimmter Gebiete residierten. Der Susdaler Kreml ist deutlich älter als die Moskauer Stadtfestung. Den Annalen zufolge wurde er im Jahr 1024 errichtet. Sein Standort war ideal gewählt: Von drei Seiten umschließt der Fluss Kamenka die Anlage und hielt unliebsame Eindringlinge davon ab, die fürstliche Staatskasse zu plündern. Die Mauern dagegen versagten ihren Dienst. Einer Legende nach hielten anreisende Kaufleute das Erlöser-Euthymios-Kloster für den Kreml, dessen Mauern um einiges stabiler wirken.
Beachten Sie im Kreml selbst besonders den Glockenturm der Mariä-Geburts-Kathedrale, genauer gesagt, die in den Turm eingebaute Uhr. Anstelle eines Ziffernblattes trägt sie glagolitische Schriftzeichen. Die Stundenzählung mithilfe von Ziffern übernahm Peter der Große zu Beginn des 18. Jahrhunderts aus Europa. Bis zu diesem Zeitpunkt bezeichneten die Russen Zahlen durch Buchstabenverbindungen. „a“ für „1“, „b“ für „2“ usw. Für die Zehnerstellen verwendeten sie das in Europa übliche „i“, das es im modernen russischen Alphabet nicht mehr gibt.
Abendessen auf der ul. Kremljowskaja
Abendessen kann man ganz in der Nähe. Die gesamte Kremljowskaja-Strasse, die vor der Festungsanlage beginnt, ist voll von Cafès und Restaurants. Dort gibt es z.B. das verhältnismäßig teure Lokal „Russkaja Restorazija“ (http://restoran-suzdal.ru/), das seinen Gästen gleich ein ganzes Dutzend verschiedener Pelmeny, gefüllt mit Fleisch, Waldpilzen und sogar mit rotem Kaviar (5-10 Euro), anbietet. Außerdem stehen auf der Speisekarte Omelett nach Zarenart aus Wachteleiern (3,50 Euro), Uschnoje (Schmorfleisch) nach traditioneller Art (8,00 Euro) und das Bindeglied zwischen Vergangenheit und Zukunft – der Burger „Bojarskij“ (8,00 Euro).
Wer etwas Einfacheres bevorzugt, hat in der benachbarten Teestube die Möglichkeit, sich vor einem Samowar niederzulassen – und, bei fast 20 Teesorten, die Qual der Wahl.
20.00
Übernachtung im traditionellen Holzhaus
Wenn es Sie nach Ihrem Streifzug durch die Geschichte nicht in die eintönige Atmosphäre eines Hotels zieht, dann ergreifen sie die Gelegenheit, in einem der musealen Holzhäuser zu übernachten. Solche Herbergen gibt es in Susdal und der näheren Umgebung in großer Zahl. Zu Fuß ist eine gemütliche Unterkunft direkt in der ul. Kremljowskaja erreichbar.
Sind Sie mit dem Auto unterwegs, so ist das „Pawloskoje podworje“ (http://suzdalbest.ru/price/)(ul. Michurina 14) zu empfehlen. Dort kann man ab 50,00 Euro übernachten. Für diesen Preis haben Sie ein eigenes Häuschen für sich. Kreditkarten werden jedoch nicht überall akzeptiert, Sie sollten daher genug Bargeld bei sich haben.
In Susdaler Holzhäusern ist es lauschiger als man erwarten würde. Die traditionellen Möbel, handgewebten Vorhänge und der harzige Geruch des Holzes schaffen eine behagliche Atmosphäre
Sonntag, 12:00
Kunstvolles Schnitzwerk
Willkommen im Museum der Holzarchitektur (Susdal, ul. Puschkarskaja).
Das Freilichtmuseum ist einem typischen russischen Dorf nachempfunden. Das Zentrum der Siedlung bildet die Kirche. Dort beginnt die Hauptstraße des Dorfes, an der die Holzhäuser gelegen sind. Sie alle ziert kunstvolles Schnitzwerk. Ihre Innenräume sind mit eingebauten Möbeln ausgestattet – Bänken und Regalen. Das Hauptelement in einem Haus ist der Ofen. Diagonal dem Ofen gegenüber befindet sich der mit Ikonen geschmückte Herrgottswinkel.
Lassen Sie sich bei Ihrem Spaziergang durch das Dorf den Auftritt eines Gusli-Spielers nicht entgehen. Die Kunst des Spiels auf diesem alten Instrument ist heute fast vergessen.
17.00
Ende der „Vorstellung“ mit einem Glas Honigwein
Jedes russische Kind kennt den Satz am Ende eines bekannten Märchens: „Auch ich war dort, habe Honigwein und Bier getrunken“. Wo sich die Heimat der Bierbrauerkunst in Russland befindet, ist unklar – wo der Honigwein sein zuhause hat, steht dagegen fest: in Susdal. Das traditionelle Getränk wird dort überall angeboten. Wer in den Genuss von Honigwein nach geprüften Rezepten kommen will, sollte jedoch den Degustationsraum der Susdaler Honig-Fabrik aufsuchen (ul. Promyschlennaja 13).
Dort erwarten Sie zum einen Produkte mit Qualitätsgarantie. Andererseits haben Sie die Möglichkeit, ganz frischen Honigwein zu kosten. Der im Degustationsraum angebotene Wein unterscheidet sich von dem, der in Flaschen abgefüllt ist, durch den Geschmack und die Dauer der Lagerung. Die Verkostung wird mit fünf Euro berechnet. Das Produkt, das Sie am meisten überzeugt, können Sie sodann, ebenfalls zu einem Preis von 3-5 Euro pro Liter, erwerben.
Die Auswahl ist reichlich. Pro Besuch werden zehn Keramikgläschen gereicht – mit Minze, Hopfen und Gewürzen. Die Gläschen fassen nur 50 Gramm, aber insgesamt kommt man auf einen halben Liter. Schätzen Sie also Ihre Verfassung realistisch ein und vergessen Sie die Sakuski, die Knabbereien, nicht! Traditionell wird zum Honigwein Gesalzenes gereicht: Bratäpfel, eingelegter Kohl, saure Gurken. Der Alkoholgehalt der Getränke reicht von 4,8 bis 8,5 Prozent. Autofahrer können eine alkoholfreie Variante wählen. Die kann man übrigens auch auf den Rückweg mitnehmen und sich im Falle eines Staus die Fahrt versüßen.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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