Die Insel Olchon ist ein lohnenswertes Reiseziel für viele ausländische Touristen. Foto: Tatjana Marschanskich
Olchon ist die größte und einzige bewohnte Insel im sibirischen Baikalsee. In der Sprache der Burjaten bedeutet ihr Name “trocken”. In der Tat gibt es auf der Insel, obgleich von einem Fünftel des gesamten Süßwasservorkommens der Erde umgeben, keinen einzigen Fluss, ja nicht einmal das kleinste Bächlein. Dafür findet man Dutzende Schamanen.
Die “Hauptstadt” von Olchon
Es ist an sich einfach nach Olchon zu kommen, dauert aber seine Zeit. Zuerst muss man mit dem Flugzeug oder dem Zug bis nach Irkutsk reisen. Von Irkutsk aus fahren Sammeltaxis und Busse in Richtung der Insel. Die Fahrt dauert ungefähr fünf Stunden. Die größte Ortschaft auf Olchon ist Chuschir. Hier leben laut einer im Jahr 2010 durchgeführten Volkszählung 1 200 Menschen. Die Bewohner nennen ihren Ort scherzhaft “Hauptstadt”. Es gibt ein paar Lebensmittelläden und kleine Restaurants, eine Kirche und sogar einen Nachtklub. Doch ungeachtet dieser “Zivilisationsspuren” verläuft das Leben auf der Insel in ruhigen und gleichmäßigen Bahnen: Niemand scheint es hier eilig zu haben.
Erst 2005 wurde der Ort ans russische Stromnetz angeschlossen. Dadurch änderte sich das Leben in Chuschir grundlegend. Die Insel wurde nun auch für Touristen interessant, wodurch die Einwohner die Chance bekamen zusätzliches Geld durch die Vermietung von Zimmern und den Verleih von Fahrrädern zu verdienen.
Die Hauptstraße von Chuschir trägt den Namen Baikalskaja und erinnert an eine Kulisse aus dem Westernfilm: Sie ist nicht asphaltiert und jedes durchfahrende Auto hinterlässt eine hohe Staubwolke. Französisch, Deutsch und Englisch hört man in Chuschir fast genauso häufig wie Russisch. Getrieben von Abenteuerlust kommen viele ausländische Touristen nach Olchon.
Die Hauptstraße Baikalskaja. Foto: Tatjana Marschanskich
Unterkunft in kostenlosen Gemeinschaftsquartieren
Neben der Kirche sitzen auf einem Baumstamm drei junge Frauen. Sie sprechen französisch. Eine von ihnen fuhr gemeinsam mit ihrem Freund mit dem Fahrrad von Paris nach Moskau. Danach reiste sie weiter zum Baikalsee. Alle drei wohnen im Hostel “Philoxenia”, das Sergej Jeremejew gehört. Die Unterkunft im Hostel ist kostenlos, sogar wenn man ein halbes Jahr bleibt. Jedoch nehmen Sergej und seine Frau gern die Hilfe ihrer Gäste in Anspruch. Die einen zeigen ihre Dankbarkeit indem sie den Gemüsegarten gießen oder den Glockenturm saubermachen. Andere dichten die Holzwände des Hostels für den Winter ab. Abends kochen die Gäste gemeinsam, erzählen sich gegenseitig von ihren Heimatländern und planen das Programm für den nächsten Tag. Diese Unterkunftsart ist ideal für Alleinreisende, die auf der Suche nach Gesellschaft auf Zeit sind.
Auf dem Hof von Nikita Bentscharow erwarten die Touristen Holzhütten mit Patchwork-Decken und allerlei sonstigem Schnickschnack. In einer kleinen Bibliothek können sich die Gäste Filme über den Baikalsee anschauen. Auch kann man Volleyball spielen oder sich einfach nur auf der Terrasse ausruhen. Nikita Bentscharow selbst engagiert sich aktiv für den Umweltschutz auf der Insel. Zusammen mit Helfern organisiert er die Beseitigung von wilden Müllkippen in Chuschir, sammelt Plastikmüll und schickt es zum Recycling nach Irkutsk. Außerdem stellt er Müllbehälter in der Siedlung auf. Alle interessierten Touristen sind dazu eingeladen ihn bei seinen Aktionen zu unterstützen.
Einen offiziellen Campingplatz gibt es auf der Insel nicht, allerdings kann man sein Zelt überall aufstellen. Am allerbesten eignet sich dafür die große Wiese vor der Kirche. Von einer Seite öffnet sich dabei der Blick auf die Kirche, von der anderen auf den Baikalsee. Hat man sich für eine Übernachtung auf der Wiese entschieden, muss man allerdings auf das laute Läuten der Glocken am Morgen vorbereitet sein.
Radtouren
In der Puschkinstraße in Chuschir befindet sich ein kleiner Laden, in dem Tatjana arbeitet. Sie hat ein rundes Gesicht, einen langen blonden Zopf und spricht fließend Englisch. Gemeinsam mit ihrem Mann verleiht sie Fahrräder, Schlauchboote, mit denen man auf dem See herumfahren kann, sowie Schwimmanzüge, damit man nicht im eiskalten Wasser des Baikalsees erfriert, an die Touristen. Je nach Bedarf stellen Tatjana und ihr Mann zusätzlich Fahrradtouren unterschiedlichen Schwierigkeitsgrades zusammen.
Auf Olchon bietet man Fahrradtouren mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden. Foto: Tatjana Marschanskich
Vier Kilometer entfernt von Chuschir befindet sich das Freilichtmuseum “Klein-Chuschir” - ein Dorf der Ureinwohner von Olchon, der Burjaten. Dort können burjatische Jurten angesehen, die burjatische Küche genossen und burjatische Gesänge angehört werden. Auch kann das traditionelle Getränk Tarasun probiert werden, ein Milchwodka.
Eine andere Route führt von Chuschir nach Kurykanen-Wall. Sie verläuft fast komplett durch die Steppe. Es heißt, auf Olchon gibt es mehr als 100 archäologische Denkmäler: Grabstätten, antike Siedlungen und Überreste antiker Mauern, wie etwa der Kurykanen-Wall am Kap Chorgoj im Süden der Insel. Die Forscher rätseln bis heute, ob es sich um eine Verteidigungsmauer gegen die Nomadenstämme oder um eine Opferstätte handelt.
Auch der Gebirgssee Schara-Nur könnte ein lohnendes Ziel für einen Fahrradausflug sein. Ein Bad im Salzsee gilt als sehr gesund.
Heuschreckenfischen
Neben dem Tourismus gehört das Angeln zu den Hauptbeschäftigungen der Bewohner von Olchon. Anglerfreunde sollten unbedingt eine Spinnangel mit auf die Reise nehmen und einen Ausflug an die Ostküste von Olchon vormerken.
Unterhalb der Felsen, weit weg von allen Menschen, lassen sich ausgezeichnet Äsche, Baikal-Omule, Hechte und Flussbarsche fangen. Wenn nach einer Stunde immer noch kein Fisch angebissen hat, hilft eine lokale Baikal-Methode: das Angeln mit Heuschrecken. Dabei darf man allerdings nicht vergessen, kleine Brotstücke oder Bonbons in den See zu werfen – auch ein lokaler Brauch. Führt man dieses einfache Ritual aus werden – der Legende nach – die Geister des Sees gnädig gestimmt und tun einem nichts Böses.
Die Schamanen von Olchon
Auf Olchon, wie überhaupt am ganzen Baikalsee, gibt es sehr viele auf den ersten Blick seltsam anmutende Traditionen und Bräuche.
Jedes Jahr Ende Juli findet auf der Insel ein internationales Treffen der Schamanen statt. Sie kommen aus Ulan-Ude, aus der Altai-Region und aus der Mongolei. Während ihrer Rituale schlagen die Schamanen unermüdlich auf Trommeln, wodurch sie sich in Trance versetzten, bespritzen Steine mit Milchwodka und binden bunte Bänder an die Bäume. Dieses Ereignis sollte jeder wenigstens ein Mal im Leben gesehen haben.Viele halten Olchon für eine magische Insel weil man immer wieder dorthin zurückkehren möchte. Worin das Geheimnis ihrer Anziehungskraft besteht weiß niemand. Aber es gibt Dutzende Touristen in Chuschir, die bereits zum zweiten oder dritten Mal auf die Insel kommen.
Hostel “Philoxenia”
Olchon, Siedlung Chuschir, Gornyj-Gasse 1A, Kircheneingang
Hof von Nikita Bentscharow
Olchon, Siedlung Chuschir, Kirpitschnaja 8, Olchon 666137
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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