Im Mai kann man in Kirowsk den langen Polartag auf den Brettern stehen – bei strahlendem Sonnenschein. Foto: Lori / Legion Media
Die Stadt Kirowsk im Gebiet Murmansk hinter dem Polarkreis ist auf Schächten und Erzgruben gebaut. Der verschneite kleine Ort mit seinen etwa 30 000 Einwohnern präsentiert sich nicht mit geräumten Straßen und Wegen. Seine Besucher erwartet ein Labyrinth zwischen drei Meter hohen, weißen Sanddünen gleichen Schneeverwehungen.
In den 1920er-Jahren entdeckten Geologen hier Apatit- und Nephelinvorkommen. 1929 nahm das Unternehmen Apatit, heute das europaweit größte Unternehmen zur Förderung von Phosphatrohstoffen, seinen Betrieb auf. Mit der Gründung von Apatit begann der Bau der Stadt Chibinogorsk, des heutigen Kirowsk. Gegenwärtig ist Kirowsk eines der attraktivsten Skizentren und im Sommer ein beliebter Ausgangspunkt für Reisegruppen.
Wer sich von stillgelegten Industrieanlagen angezogen fühlt, ist in Kirowsk am richtigen Ort. Neben den Überresten einer Eisenbahnstation, die noch vor 20 Jahren von einem Vorortzug aus der Stadt Apatit angefahren wurde, erstreckt sich das Industriegelände einer Apatit und Nephelin verarbeitenden Fabrik, die einst auf der ganzen Welt bekannt war. Heute sind ihre Tage gezählt. Ein paar Dieselloks sind noch auf den Schienen, einzelne Arbeiter hausen in bescheidenen Bauwagen.
Saison
Ein Hotel in Kirowsk. Foto: Lori / Legion Media
Der Schnee kommt im November nach Kirowsk. In dieser Jahreszeit kann die Temperatur auf minus 40 Grad Celsius fallen. Im Winter ist es hier nicht länger als fünf Stunden hell. Während der ersten Monate sind die Pisten oft leer, die Skilifte arbeiten nur unregelmäßig. Kirowsk ist im Winter eine ruhige und menschenleere Stadt, das Après-Ski-Angebot ist sehr begrenzt. Dafür kann man im Mai den lieben langen Polartag auf den Brettern stehen – bei strahlendem Sonnenschein. Dafür ist Kirowsk berühmt.
Berge und Hänge
Die Chibinen sind Plutone, magmatisches Gestein, das nur teilweise als eine gigantische Erhebung mit einem Durchmesser von 50 Kilometern an die Erdoberfläche aufdringen konnte und bei dem das Magma noch innerhalb der Erdkruste erstarrt ist. Der höchste Punkt, 1 200 Meter, ist der Gipfel des Judytschwumtschorr. Der samische Name bedeutet so viel wie „Berge an einem brummenden Tal“. Die Samen besiedelten im 19. und 20. Jahrhundert fast die gesamte Halbinsel.
Als poetischster Berg der Chibinen gilt der Ajkuajwentschorr. Er ist bei Touristen wie Einheimischen besonders beliebt. Wörtlich ließe sich dieser Name mit „Mutter-Gottes-Berg“ übersetzen. Die schmalen Gebirgskämme lassen die Silhouette eines Gesichts erahnen, das zum Himmel geneigt ist. Der Ajkuajwentschorr eignet sich besonders gut zum Snowboarden und Skifahren. An seinem südlichen Hang liegt BigWood, der bekannteste Touristenort dieses Gebiets, der auch weitgehend europäische Standards erfüllt. Hier ist eine 1 800 Meter lange Seilbahn des österreichischen Unternehmens Doppelmayr in Betrieb. Im vergangenen Jahr kam ein Viersitzer der Bartholet Group dazu. BigWood hat einen Snowpark eingerichtet. Die Pisten eignen sich alle auch als Carvingstrecken. Neben dem Hang gibt es ein Café mit einem Aufenthaltsraum für Kinder.
Eine der Pisten im Vorort von Kirowsk. Foto: Lori / Legion Media
Kreative Einheimische haben sich für die Abfahrtspisten ungewöhnliche Namen einfallen lassen. Ein Abfahrtsläufer auf den sogenannten „Felsspalten der Marine“ gelangt direkt zu einem lange stillgelegten Marinestützpunkt. Von den Bergspitzen aus, weit weg von den Skiliften, eröffnet sich rings herum der Anblick einer beeindruckenden Industrielandschaft. Fabriken, Schornsteine, Gruben, Eisenbahnschienen – alle nicht in Betrieb.
Eine solche Landschaft umgibt auch das 25 Kilometer entfernte, auf dem Berg Kukiswumtschorr gelegene Skisportzentrum, das nach der gleichnamigen Stadt in unmittelbarer Nähe benannte Poljarnye Sory. Von der Spitze der Poljarnye Sory ist ein zutiefst industrielles, dabei realistisches und grandioses Panorama mit dampfenden Schornsteinen des berühmten Kernkraftwerks Kola, des ersten hinter dem Polarkreis gebauten AKW in Russland, zu sehen.
In den Chibinen findet jedes Jahr der Wettkampf „Freeride Khibiny Open Cup“ statt. Die Tour führt oft durch den sogenannten „Apatit-Zirkus“ im Tagebau am Raswumtschorr. Es fällt schwer, sich vorzustellen, dass hier im Hochsommer von Schnee keine Spur mehr sein wird und Mountain-Bike-Rennen veranstaltet werden. Die bitterkalten Temperaturen des Chibiner Gebirges erzeugen dennoch eine unschlagbar romantische Atmosphäre.
Alex Schiller, Fahrer des deutschen Teams für Isenseven, erzählt, wie er Kirowsk erlebt hat: „Kirowsk war grau und schmutzig, aber dabei irgendwie charmant, die Menschen waren freundlich. Zum Aufwärmen während unseres Trainings aßen wir getrockneten Fisch und tranken Wodka und Bier. Es war eine meiner spannendsten Reisen, vor allem, weil alles vollkommen anders kam, als erwartet. Der Höhepunkt war unser Ausflug mit Schlitten zu einer alten Forschungsstation, dort sahen wir nachts die Polarlichter. Dieses Erlebnis werde ich nie vergessen!“
Sehenswürdigkeiten und Freizeit
Mitte Februar findet in Kirowsk die Messe „Kamennyj zwetok“ („Steinblume“) statt, eines der wichtigsten Kulturereignisse auf der Halbinsel. Für zwei Euro kann man hier einen kleinen Mineralstein erstehen, den es nur in dieser Gegend gibt. Verkauft werden auch Handarbeiten von Völkern des Nordens, Gegenstände der nationalen Identität. Überwiegend sind das Erzeugnisse aus Hirschleder, Horn, Fell, verziert mit den typischen Volksmustern.
Im äußersten Norden Russlands liegt das Polaralpine Botanische Institut, das von Juni bis September für Besucher geöffnet ist. Hier werden Blumen für die Begrünung von Städten des russischen Nordens gezüchtet. Das im Winter geschlossene Areal des botanischen Gartens ist eine Experimentierfläche für den Bau ungewöhnlicher Objekte aus Schnee und Eis geworden. Der Unternehmer Wladimir Komjagin stellt schon seit fünf Jahren, kaum dass der erste Frost gekommen ist, ein Team kreativer Profis für den Bau eines „Schneedorfes“ hinter dem Polarkreis zusammen. Schneekuppeln, Gewölbe, Möbel für die Innenausstattung – alles wird jedes Jahr nur in einem einzigen Exemplar ausgeführt und später nicht wiederholt.
Kulinarisches
Die nationale Küche des Nordens beruht natürlich in erster Linie auf Hirschfleisch, frischem Fisch, gebratener Maräne, Teigtaschen mit Elchfleisch, Moltebeeren – einer roten, der Himbeere ähnlichen Beere – und Preiselbeersaft.
Im Skisportort Kukiswumtschorr gibt es das Café Sugrob. Abends schauen die Gäste dort Extremsport-Videos und können sich über ihre Erlebnisse auf den Tagestouren austauschen.
Gelegentlich ist eine Anreise nach Kirowsk mit dem Flugzeug möglich. Der Flughafen befindet sich in Apatity, 14 Kilometer von Kirowsk entfernt. In letzter Zeit sind die Flugverbindungen jedoch unregelmäßig geworden. Man muss daher meist bis Murmansk fliegen und von dort die Reise nach Kirowsk (210 Kilometer) mit einem Rufbus oder einem Taxi fortsetzen.
Das Hotel Sewernaja ist einen Kilometer von dem Skisportzentrum BigWood entfernt gelegen, in unmittelbarer Nähe befindet sich ein Vergnügungspark mit Bowlingbahn, Karaoke, Disko, Restaurant und Bar.
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