Gulag-Touren: Auf den Spuren des Terrors

Die Solowezki-Inseln. Foto: Getty Images, Fotobank

Die Solowezki-Inseln. Foto: Getty Images, Fotobank

Chruschtschow, Solschenizyn, Mandelstam – die Liste prominenter Häftlinge, die in sowjetische Straflager verbannt wurden, ist lang. Gulag ist bis heute ein Synonym für Unterdrückung und Terror. RBTH stellt fünf Ziele vor, an denen sich der Schrecken heute noch hautnah nachfühlen lässt.

Als Josef Stalin ein junger Mann war, wurde er sieben Mal in sibirische Gefangenenlager verbannt. Erstaunliche sechs Mal soll er aus Sibirien wieder entkommen sein. Stalins Erfahrungen in Straflagern haben ihn jedoch nicht daran gehindert, später Tausenden Menschen das gleiche Schicksal zu bereiten.

Im 19. Jahrhundert wurden in Russland Kriminelle und politisch Radikale zur Bestrafung häufig in sibirische Arbeitslager geschickt. Wladimir Lenin verbrachte aufgrund seiner revolutionären Aktivitäten drei Jahre im Exil in einem kleinen Dorf am Fluss Jenissei nördlich der sibirischen Stadt Krasnojarsk. Obwohl die Gefangenen im zaristischen Russland körperliche Arbeit verrichten und Schläge als Strafe hinnehmen mussten, führten viele während ihrer Inhaftierung ein relativ friedliches Leben. Lenin selbst arbeitete im Exil an einem Buch. Und die Dekabristen, Revolutionäre, die 1825 einen missglückten Aufstand gegen den Zaren angeführt hatten, lebten mit ihren Frauen und Kindern zusammen.

Auch die Sowjets nutzten das Exil als Bestrafung. In den frühen Tagen der Sowjetunion entstand ein System aus Konzentrationslagern, das unter der Bezeichnung „Gulag“ bekannt wurde – ein Akronym für die russische Bezeichnung „Hauptverwaltung der Besserungsarbeitslager“. Die meisten Gulag-Lager befanden sich in Sibirien und im Fernen Osten. Die Gefangenen arbeiteten dort im Bergbau, in der Forstwirtschaft oder an der Errichtung von Infrastruktur wie Straßen. Schon bald waren die Gulags berüchtigt für ihren rauen Umgang mit den Gefangenen.

 

Menschenunwürdige Bedingungen

Nachdem Lenin 1924 an einem Schlaganfall gestorben war, übernahm Stalin die Kontrolle über die Sowjetunion. In den 1930er-Jahren führte Stalin eine Kampagne des Terrors, um das Land zu säubern. Millionen sowjetischer Bürger wurden hingerichtet oder in die Gulags geschickt, weil sie Position gegen Stalin bezogen oder kleine Verbrechen wie Diebstahl begangen hatten. Selbst die niedrigsten Schätzungen gehen von mindestens 20 Millionen Todesopfern unter der Herrschaft Stalins aus.

Die Gefangenen wurden mit der Transsibirischen Eisenbahn zu den weit abgelegenen Gulags in eisiger Kälte gebracht. Die lange Zugreise war ein leidvolles Vorspiel für den Gulag, wo die Arbeitstage zwölf bis 14 Stunden lang waren. Die Häftlinge erhielten nur kleine Essensrationen und schliefen oft auf Holzbrettern. Manche berichteten, dass sie selbst im tiefsten Winter keine Decken hatten. Die Lager wurden von grausamen Wärtern überwacht, die Insassen erschossen, nicht nur, wenn diese zu fliehen versuchten, sondern auch wegen belangloser Vergehen, allein, um Angst und Schrecken unter den Gefangenen zu verbreiten. Da sich die Gulags in der Regel in weit abgelegenen Regionen des Landes befanden, waren die wenigen Häftlinge, die flohen, mit einer riesigen Einöde und wenig Zivilisation rund um das Lager konfrontiert.

Die Solowezki-Inseln. Foto: Shutterstock, Legion Media

 Schätzungsweise starben neun von zehn Gefangenen in den Gulags, auch zahlreiche Künstler und Intellektuelle. Einer der bekanntesten Dichter Russlands, Osip Mandelstam, wurde zwei Mal in den Gulag geschickt. Während seines zweiten Exils kam Mandelstam in einem Transitlager in der Nähe der im Fernen Osten gelegenen Hafenstadt Wladiwostok ums Leben. Seine Gedichte wurden später dank seiner Frau Nadeschda veröffentlicht.

Nach Stalins Tod im Jahr 1953 kam Nikita Chruschtschow in der Sowjetunion an die Macht und verdammte öffentlich die Gräueltaten, die in den Gulags begangen wurden. 1962 gestattete Chruschtschow Alexander Solschenizyn, der acht Jahre in den Lagern verbracht hatte, seine Erzählung „Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch“ zu veröffentlichen. Darin beschreibt der Erzähler einen typischen Tag im Gulag. Solschenizyn gewann mit seiner Erzählung den Nobelpreis und lenkte die weltweite Aufmerksamkeit auf die sowjetischen Arbeitslager. Nachdem Chruschtschows sogenannte Tauwetter-Periode begonnen hatte, wurden die Gulags während der restlichen Zeit der Sowjetunion auch weiterhin genutzt, wenngleich deutlich weniger intensiv.

Die meisten Gulags sind zerstört worden, doch Touristen können mehrere bemerkenswerte, in Museen umgewandelte Gulags sowie heutige Straflager besichtigen, die über das ganze Land verstreut existieren.

Moskau

Man muss nicht nach Sibirien reisen, um etwas über das Leben im Gulag zu erfahren. Das Gulag-Geschichtsmuseum (16 Ul. Petroka) in Moskau bietet detailreiche Ausstellungen über das Leben im Straflager. Museumsführer, die wie Gulag-Aufseher gekleidet sind, begleiten die Besucher auf einem umfangreichen Rundgang, der auch einen Besuch des Nachbaus einer Lagerbaracke mit einschließt.

Die Solowezki-Inseln

Alexander Solschenizyns berühmtes Werk „Der Archipel Gulag“ erzählt die Geschichte der Solowezki-Inseln im Nordwesten Russlands, die für eines der ersten und brutalsten Häftlingslager genutzt worden waren. Die Reiseagentur Kola Travel organisiert Touren zu den Inseln und besucht in diesem Rahmen auch Stätten, an denen Gefangene gelebt haben. Das Reiseunternehmen bietet eine spezielle, zweieinhalbstündige Führung an, bei der die Geschichte der Arbeitslager auf den Inseln erläutert wird. Schreiben Sie an info@kolatravel.com, wenn Sie eine individuelle Gulag-Tour zu den Solowezki-Inseln buchen möchten.

Perm-36

Die Lager in Magadan waren berüchtigt für ihre Brutalität und die hohe Sterberate unter den Häftlingen. Foto: Getty Images, Fotobank

Einige Stunden westlich der Stadt Perm im Uralgebirge stehen die Überreste von Perm-36, des einzigen ehemaligen Gulags in Russland, das uneingeschränkt für die Öffentlichkeit zugänglich ist. In Perm-36 kann man die Gebäude, in denen einst die Gefangenen lebten, sowie ein neues Museum besichtigen. Eine auf Englisch geführte Tour durch Perm-36 kann beim Museumsbüro in Perm (10 Bul. Gagarina) gebucht werden und kostet ungefähr 35 Euro. Auf der Internetseite des Museums gibt es eine Anfahrtsbeschreibung. 

 

Komsomolsk am Amur

Der russische Ferne Osten war das Zentrum der grausamsten Gulags. Die Stadt Komsomolsk am Fluss Amur, nordöstlich von China gelegen, wurde teilweise von Gulag-Häftlingen errichtet und entwickelte sich zum Verwaltungszentrum für viele der Lager in der Region. Das Reiseunternehmen Nata-Tour in Komsomolsk am Amur bietet unter dem Titel „Stalin Camps“eine Reise zu ehemaligen Gulag-Stätten an. Diese schließt auch Eisenbahnstrecken und Steinbrüche mit ein, wo Gefangene arbeiteten, sowie Friedhöfe, auf denen Häftlinge beerdigt worden sind. Die Gulag-Touren dauern unterschiedlich lang, von einigen Stunden bis hin zu drei Tagen sind Unternehmungen möglich. Schreiben Sie an komsomolsknata@gmail.com, um Ihre individuelle Tour zusammenzustellen.

 

Magadan

Wer wirklich verstehen möchte, wie das Leben im Gulag ablief, sollte die russische Stadt Magadan besuchen, die sich acht Zeitzonen östlich von Moskau am Ochotskischen Meer befindet. Einst kamen die Gefangenen hier mit dem Schiff an, um in den Minen der Kolyma-Region zu arbeiten. Die dortigen Lager waren berüchtigt für ihre Brutalität und die hohe Sterberate unter den Häftlingen. DVS-Tour in Magadan (3 Ul. Lenina) organisiert individuelle Gulag-Touren zu Minen und anderen Stätten der Kolyma-Region, an denen die Gefangenen früher gearbeitet haben. Kontaktieren Sie DVS-Tours, um eine Fahrt zu organisieren.

 

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