In diesem Holzhaus in Kostroma wohnt Snegurotschka, Begleitung von Väterchen Frost. Foto: Lori / LegionMedia
Kostroma ist immer eine Reise wert, doch die meisten Besucher kommen zur Winterzeit in die Stadt an der Wolga, die als eine der architektonisch reizvollsten russischen Städte gilt. Wenn Schnee fällt und in der Ferne die goldenen Kuppeln des Ipatios-Klosters in der Wintersonne glitzern, entfaltet sich der besondere Zauber der Heimatstadt von Snegurotschka (zu Deutsch: „Schneemädchen“ oder auch „Schneeflöckchen“). Snegurotschka? Noch nie gehört? Heute ist Snegurotschka vor allem bekannt als Enkelin einer anderen bedeutenden russischen Persönlichkeit: Ded Moros (zu Deutsch: „Großvater Frost“), im deutschsprachigen Raum besser bekannt als Väterchen Frost. Er ist vergleichbar mit dem westlichen Weihnachtsmann, der in Finnland leben soll. Väterchen Frost hingegen lebt in Welikij Ustjug im Gebiet Wologda. In seinem Haus empfängt er jedes Jahr mehr als 200 000 Besucher.
Väterchen Frost ist eine Gestalt der slawischen Mythologie, die ursprünglich den Winter symbolisierte. Heute wird er vor allem geliebt, weil er in der Neujahrsnacht Geschenke bringt. Snegurotschka hingegen ist eine
Märchenfigur. Alexander Afanassjew verfasste die Geschichte von einem alten Bauernehepaar, das sich ein Kind aus Schnee baute. Alexander Ostrowski, der in Kostroma am Prospekt Mira ½ lebte, ließ sich von dem Märchen zu seinem Theaterstück „Snegurotschka“ inspirieren, das er 1873 fertigstellte. Peter Tschajkowskij komponierte später die Musik dazu. Nikolai Rimski-Korsakow wiederum ließ sich von Ostrowskis Theaterstück zu einem Ballett und wenig später zu der Oper „Snegurotschka“ (Uraufführung 1882 in Sankt Petersburg) inspirieren. Viele von Ostrowskis Werken, einschließlich „Snegurotschka“, entstanden in Schtschelkowo, 120 Kilometer von Kostroma entfernt. Das Haus, in dem Ostrowski wirkte, ist heute ein Museum.
In Ostrowskis Theaterstück ist Snegurotschka die Tochter der Frühlingsgöttin und Väterchen Frost. Sie sehnt sich nach menschlicher Gesellschaft, vermag aber nicht zu lieben. Ihre Mutter schenkt ihr diese Fähigkeit. Doch weil Liebe das Herz erwärmt, schmilzt das Schneemädchen.
Seit Zar Nikolaus II. den russischen Neujahrstag vom 1. September auf den 1. Januar verlegte, bringt Väterchen Frost in Russland die Geschenke. Die gibt es in Russland in der Nacht zu Neujahr. Weihnachten wird in Russland übrigens erst am 7. Januar gefeiert. Nach der Oktoberrevolution gab es allerdings erst einmal gar keine Feierlichkeiten, bis sie 1937 wiederbelebt wurden. Seitdem gilt Snegurotschka als Helferin von Väterchen Frost.
Kostroma verehrt das Schneemädchen
Bild: Marina Fedotowa
In Kostroma feiert man jedes Jahr den Geburtstag des Schneemädchens. Im kommenden Jahr findet das Snegurotschka-Fest am 27. und 28. März statt.
In einem restaurierten Bürgerhaus aus dem 19. Jahrhundert am Wolga-Ufer begrüßt Snegurotschka höchstpersönlich ihre Besucher und erklärt die Entstehung ihrer Figur und der damit verbundenen Traditionen. Sie stellt auch weitere Figuren aus Ostrowskis Theaterstück vor. Zu bewundern gibt es zudem eine umfangreiche Sammlung von Puppen und Volkstrachten aus der Region. Für Kinder werden Kunstgewerbe-Workshops angeboten.
Wer will, kann stilecht in einem der 55 Zimmer des Snegurotschka-Hotels übernachten (Preis zwischen 2 300 und 6 700 Rubel / 32 bis 93 Euro). Im hoteleigenen Restaurant Meteliza (zu Deutsch: „Schneesturm“) wird jedes Wochenende Neujahr gefeiert. Es empfiehlt sich eine Reservierung, denn das Hotel ist bei Hochzeitsgesellschaften sehr beliebt, nicht zuletzt wegen des Eispalastes, in dem bei ganzjährig frostigen Temperaturen von minus 14 Grad Celsius gefeiert werden kann. Der kleine Souvenirladen „Andenken von Snegurotschka“ führt neben Figuren des Schneemädchens auch Designerkleidung, handgefertigte Spielsachen und kunsthandwerkliche Waren aus der Region.
Empfehlenswert ist das Neujahrsangebot des Hotels vom 31. Dezember bis 2. Januar. Es beinhaltet eine Neujahrsparty, auf der auch Väterchen Frost und Snegurotschka vorbeischauen, eine Party im Stil der 80er-Jahre am folgenden Abend, den Besuch einer traditionellen Silvester-Sauna und des Eispalastes. Ein Menü nach traditionellen regionalen Rezepten ist im Preis inbegriffen. Für eine Kinderbetreuung ist gesorgt.
Snegurotschka erobert die Welt
In einem restaurierten Bürgerhaus aus dem 19. Jahrhundert am Wolga-Ufer begrüßt Snegurotschka höchstpersönlich ihre Besucher und erklärt die Entstehung ihrer Figur und der damit verbundenen Traditionen. Foto: Lori / LegionMedia
In mancher Hinsicht ist Snegurotschka zu groß geworden für das kleine Kostroma. Das russische Nationalballett hat daher die Show „Kostroma“ in Moskau auf die Bühne gebracht und von da aus eroberte Snegurotschka, die in der Show eine wichtige Rolle spielt, bei internationalen Gastspielen auch den Rest der Welt. Man erfährt viel über die lange und traditionsreiche Geschichte der Rus.
Nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Film wurde dem Schneemädchen ein Denkmal gesetzt. In zwei sowjetischen Kinofilmen spielt Snegurotschka die Hauptrolle. Der Zeichentrickfilm von 1952 knüpft sehr eng an die Version Ostrowskis an und verwendet die Komposition Rimski-Korsakows als Filmmusik.
Aber auch außerhalb Russlands ist Snegurotschka beliebt. Die berühmte slowenische Dichterin Svetlana Makarovič schrieb ein gleichnamiges Märchen. Im Jahr 2004 veröffentlichte die US-amerikanische Künstlerin Ruth Sanderson, die besonders für ihre Illustrationen von Weihnachtsgeschichten bekannt ist, das Buch „The Snow Princess“ (zu Deutsch: „Die Schneeprinzessin“), das ebenfalls der Geschichte von Snegurotschka gewidmet ist.
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