Eine Nika-Skulptur auf der Stele zur Ehre des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg. Foto: Lori/Legion Media
Rostow am Don gilt als Hauptstadt der Schönheit – die Kosakenfrauen und -mädchen aus Rostow gehören regelmäßig zu den Gewinnerinnen der internationalen Schönheitswettbewerbe. In den zurückliegenden zwanzig Jahren haben Frauen aus Rostow über einhundert Mal Siege auf internationaler Ebene erringen können.
Die Donkosaken sind schon von je her berühmt für ihre Kühnheit und ihren Drang nach Unabhängigkeit. Das gilt auch für ihre Frauen: Diese waren nicht nur für Kinder und Haushalt verantwortlich, sondern nahmen wie selbstverständlich die Waffe in die Hand, wenn es sein musste. Ihren Stolz haben sich die Frauen bis heute bewahrt – selbst im heißesten Sommer, wenn die Quecksilbersäule in Rostow am Don auf 40 Grad Celsius steigt, gehen die meisten Frauen selten ungeschminkt aus dem Haus. Hochhackige Schuhe prägen das Stadtbild.
Am Don gibt es einen Bevölkerungsmix aus über hundert Nationalitäten – Russen, Armenier, Griechen, Georgier, Türken und viele mehr. Die Sonne des Südens und die Lage an der Nahtstelle zwischen Europa und Asien haben das originelle Erscheinungsbild der hier lebenden Menschen geprägt und sind Ursprung für das Temperament der Kosakinnen.
Rostow am Don wird auch „Hafenstadt der fünf Meere genannt", obwohl es in der näheren Umgebung nur ein einziges Meer gibt. Die Stadt erhielt diese Bezeichnung Mitte des vorigen Jahrhunderts, nach dem Bau des Kanals, der heute den Don mit der Wolga verbindet. Damit bekam die Stadt Zugang zu gleich fünf Meeren: dem Asowschen Meer, dem Schwarzen Meer, dem Kaspischen Meer, dem Weißen Meer und zur Ostsee.
Rostow am Don war als Zollstelle errichtet worden, um von den Händlern Zölle für die Waren einzutreiben, die sie aus der Türkei ins Russische Reich importierten. Mit der Verschlechterung der politischen Beziehungen zwischen den beiden Ländern erhielt auch Rostow eine neue Bestimmung. So verwandelte sich die Stadt des Zolls bald in eine Stadtfestung.
Während des Großen Vaterländischen Kriegs (1941-1945), nahmen die deutschen Truppen Rostow zwei Mal ein, zunächst im Herbst 1941 und dann erneut im Sommer 1942. Die Stadt wurde dabei beinahe vollständig zerstört. Theater, Institute, Schulen und Krankenhäuser wurden entweder in Brand gesteckt oder gesprengt. Rostow am Don gehörte zu den zehn Städten Russlands, die am meisten unter dem Krieg zu leiden hatten.
Die im 18. Jahrhundert errichtete altehrwürdige Stadt vereint Züge aller sie besiedelnden Nationalitäten – Synagogen stehen hier Seite an Seite mit Moscheen, griechisch-orthodoxe Kirchen mit altorthodoxen Gotteshäusern – und die wiederum in unmittelbarer Nachbarschaft von buddhistischen Tempeln und katholischen Kirchen.
Das älteste Bauwerk Rostows ist die armenische Surb Chatch, zu Deutsch die „Heilige Kreuzkirche". Sie war Teil eines armenischen Klosters. Der Klosterkomplex war ein wichtiges Zentrum des geistlichen und aufklärerischen Lebens – es gab hier die erste Druckerei im südlichen Russland, eine Schule und eine Bibliothek. Geblieben sind nur diese eine Kirche mit ihrer malerischen Steintreppe, die herabführt zur Quelle und zum Fluss Temernik, sowie die massiven Torpfeiler der Anlage. Die Surb Khatch ist umgeben von einem wundervollen Garten, der sorgfältig von den Kirchdienern gepflegt wird.
Die armenische Kirche Surb Chatch ist das älteste Gebäude in Rostow am Don. Foto: Alexander Pogotow/RIA Novosti
Das bekannteste Gebäude der Stadt ist das Gorki-Theater, ein Meisterwerk im Stil des Konstruktivismus, das in Form eines gigantischen Traktors errichtet wurde. Die Wände des Theaters werden von Marmor und poliertem Labrador verziert. Die weltberühmten Architekten Le Corbusier und Oscar Niemeyer haben das Theater „Perle der sowjetischen Architektur" getauft.
In den Stadtbezirken nahe am Fluss sind viele Gebäude aus dem 19. Jahrhundert erhalten geblieben. Man erkennt sie an ihren alten Toren, schmiedeeisernen Vordächern und innenliegenden Galerien.
1979, im Jahr des Kindes, wurden die Fußgängerunterführungen im zentralen Teil der Stadt mit großen, detailliert gestalteten Keramikbildwänden im sowjetischen Stil verziert. Die Bilder erzählen den Vorübergehenden von den Kindertagen der Sowjetunion, von Arbeit, Kultur und Trickfilmen. Noch größere Werke der sowjetischen Epoche, die in diesem Stil gehalten sind, kann man nur in älteren Stationen der Moskauer Metro finden.
Und es gibt noch einen weiteren attraktiven Platz in Rostow: die Lagerhallen von Paramonow. Dieser Ort am Ufer des Don zeichnete sich schon immer durch die einzigartige Besonderheit aus, die auch die Ingenieure nutzten, als sie den Lagerkomplex errichteten: Aus der Uferböschung sprudeln Quellen, deren Wasser das ganze Jahr über eine konstante Temperatur von neun Grad Celsius hat. Das in gezimmerten Rinnen zusammengeführte Wasser schuf in den Kornspeichern den Effekt eines natürlichen Kühlschranks, der für ein stets frisches, kühles Mikroklima sorgte.
Ein Blick aufs Stadtzentrum. Foto: Lori/Legion Media
Die alten Rinnen sind mittlerweile verfallen, wie die Bauten selbst auch, die Quellen jedoch sprudeln nach wie vor. Das Wasser bildete das bemerkenswerteste Schwimmbad in Russland. So etwas sieht man sonst nirgends. Im Inneren der hohen Ziegelsteinwände steht kristallklares Wasser. Im Sommer wird es von der Sonne nicht erwärmt, im Winter friert die Quelle nicht zu. Und mehr noch: Rund um das Schwimmbecken grünt das ganze Jahr über der Rasen. Der Boden des Beckens ist von weißem Sand bedeckt.
„Rostow-Papa", wie man die Stadt bis heute aus Gewohnheit nennt, hatte aber auch eine dunkle Seite, die bereits vor über einhundert Jahren entstand. Der große Hafen, die günstige Lage an der Schnittstelle von zwei wichtigen Verkehrsadern und der belebte Handel führten dazu, dass die Stadt außer Händlern und Reisenden auch eine Vielzahl von Spitzbuben und Schlitzohren anzog.
Der Kirowski Prospekt, östlich des Woroschilow Prospekts gelegen, kreuzt die zentrale Straße der Stadt, die Bolschaja Sadovaja. Früher war der Kirowski Prospekt ein Mekka von Vergnügungsstätten. Dieses Viertel, in dem sich die kriminelle Welt tummelte, nannte sich Bogatjanowka, was so viel heißt wie „Reichenhausen". Und hier entstand dann auch der Beiname der Stadt: „Rostow-Papa". Heute ist das Zentrum der Stadt ein recht ordentliches und friedliches Viertel.
Auf dem Woroschilow und dem Budjonny Prospekt – auch diese Straßen gehören zum prestigeträchtigen zentralen Stadtbezirk – gab es allerhand Spelunken und billige Kneipen. Betrüger, Masuriki (Taschendiebe) und „Gastrolleury", also Banditen, die es nicht an einem Ort hielt, verbrachten dort ihre Tage. Nachts gingen sie ihren finsteren Geschäften nach. Die Kunstfertigkeit der Rostower Diebe stand sogar bei der sowjetischen Miliz hoch im Kurs. Man erzählt, dass einst einer der Masuriks auf Bitte von Milizionären einem amerikanischen Touristen den Pass aus der Tasche gestohlen habe – die Polizei wollte den internationalen Touristen überprüfen, traute sich aber nicht, ihn anzusprechen. Der Taschendieb entwendete das Dokument und steckte es anschließend auch wieder zurück, ohne dass der Tourist etwas merkte, weder vom Verlust noch von der Rückgabe.
Es gibt einige gute Gründe, in die Stadt zu kommen. Dazu bieten manche Termine eine günstige Gelegenheit: 2018 beispielsweise werden in Rostow am Don einige Spiele der Fußballweltmeisterschaft ausgetragen. Wer nicht so lange warten will, der findet auch in den Jahren zuvor genügend Anlässe, in die Stadt zu reisen.
Jedes Jahr findet Mitte Mai ein einzigartiges Traktorrennen auf getunten Traktoren statt, genannt „Bison-Treck-Show". Jedes Jahr kommen über 15 000 Zuschauer. Hauptpreis des Rennens: ein Traktor der Marke Belarus. Anfang Juli feiert man das tatarische Volksfest Sabantuj. Es findet im tatarischen Kulturzentrum Yaktashlar statt.
Der jeweils dritte Sonntag im September ist für das Stadtfest reserviert. „Rostow multinational" nennt sich die festliche Parade der verschiedenen Völker. Das Fest findet auf dem stadtseitigen Don-Ufer statt. Die einzelnen in Rostow heimischen Nationalitäten decken auf der Uferpromenade den Tisch. Wer will, kann daran Platz nehmen. Bei dieser Veranstaltung werden die Gäste mit nationalen Gerichten verwöhnt.
Da wären die berühmten Krebse vom Don zu nennen oder leckerer Räucherfisch. Hermetisch verpacken lassen kann man seine Einkäufe in den großen Supermärkten. Wein vom Don gibt es auch zu erstehen. An der Ecke Moskowskaja und Semaschko gibt es zwei Geschäfte, die „Donwein" als offene Weine anbieten.
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