Sibirien: Kalt, wild und gefährlich?

Lassen Sie sich von Vorurteilen nicht von einer Reise nach Sibirien abhalten.

Lassen Sie sich von Vorurteilen nicht von einer Reise nach Sibirien abhalten.

Alamy/Legion-Media
Sibirien: ein Mythos im Norden Russlands. Unendliche Weiten, Freiheit, Abenteuer. Aber auch eisige Kälte, Bären an jeder Ecke und überhaupt ein gefährlicher und unwirtlicher Ort? Die Bloggerin Anna Grusdewa räumt mit den gängigsten Vorurteilen auf.

Sibirien nimmt fast zehn Prozent der gesamten Landmasse der Erde ein und erstreckt sich von den Steppen der Mongolei im Süden bis hin zu den eisigen Küsten der Arktis im Norden. Es ist das Land der Verurteilten und der Helden, der großen Gasvorkommen und Ölbohrtürme, der Kohle und des Goldes und der größten Forstgebiete der Welt. Alle, die nach Sibirien reisen, verfolgen die gleichen Ziele: Sie wollen ein Abenteuer inmitten unberührter Natur erleben, spannende Entdeckungen machen, raue Berge bezwingen, die Holzarchitektur der sibirischen Städte bestaunen und einmal mit der Transsibirischen Eisenbahn fahren. Doch Vorurteile schrecken einige Reiselustige ab, ihren Plan auch in die Tat umzusetzen.

Ewige Kälte?

Foto: TASS/Denis Kozhevnikov

„In Sibirien ist es kalt“ – so lautet das wohl hartnäckigste Vorurteil, das nicht nur im Ausland weit verbreitet ist, sondern auch in Russland. Es macht wenig Sinn, darüber zu streiten, denn tatsächlich müssen die Winterstiefel, Schals und Mützen schon im Oktober aus dem Schrank geholt werden. Aber dennoch ist es nicht so, dass in Sibirien ewiger Winter herrscht.  

Der polnisch Fotograf Rafal Milach, der für seine Fotoserie „7 Rooms“ mehrmals nach Sibirien gereist ist, hat mir einmal berichtet:  „Meine erste Reise nach Sibirien fand im Sommer statt. Ich hatte Winterstiefel im Gepäck, doch in Novosibirsk erwarteten mich 40 Grad Celsius über null. Mit solch hohen Temperaturen hatte ich nicht gerechnet. Ich musste erst einmal Sommerkleidung kaufen.“

Sibirien ist riesig und vielschichtig. Wenn man im Juni in den nördlichsten Norden der Region Krasnojarsk fährt, beispielsweise nach Dikson, dann wird man dort auch immer noch Schneeverwehungen, die zugefrorene Karasee und Menschen in warmen Jacken auf den Straßen sehen – es ist immerhin die Arktis. Wenn man allerdings im Juni die Stadt Krasnojarsk im Süden Sibiriens besucht, dann wird man auf ein ganz anderes Bild stoßen: Studenten, die am Fluss Jenissei am Strand in der Sonne liegen und Eltern, die mit ihren Kindern Fahrrad und Rollschuh in unserem sibirischen „Central Park“, auf der Insel Tatyschew, fahren. Wer nicht aufpasst, kann sogar einen Sonnenbrand bekommen. Ein Ausflug ins Altaigebirge sorgt für Abkühlung. In der klaren Bergluft herrscht mehr ein ewiger Frühling.

Ungeachtet der frostigen Temperaturen von -20 bis manchmal sogar -30 Grad Celsius lieben viele Sibirier die langen Winter, können sie doch zu dieser Jahreszeit Ski fahren, snowboarden und eislaufen. Letztes Jahr, im Rahmen des Projekts „I am Siberian“, wurde so die ironische Aktion „Die weißen Strände Sibiriens“ initiiert, um zu zeigen, dass der Urlaub zur Winterzeit in Sibirien noch besser ist und noch mehr Spaß macht als im Sommer. 

Überall Bären?

Foto: Shutterstock/Legion-Media

„In Sibirien trifft man Bären auf den Straßen.“ Dieses Gerücht hält sich ebenfalls schon sehr lange.  Ja, in den Weiten der Taiga gibt es Braunbären, sie gehören zur Nachbarschaft, aber es gibt sie auch nicht überall. Im westlichen Sajan, einem Gebirgszug im Süden Sibiriens, oder in den winzigen Dörfern der Tofalarija-Region in Irkutsk, inmitten der Taiga, oder in den Tschara-Sanddünen stehen die Chancen recht gut, einem Bären zu begegnen. Doch in Großstädten wie Krasnojarsk oder Nowosibirsk ist die Wahrscheinlichkeit gleich null. Die einzigen Orte, wo tatsächlich von Zeit zu Zeit Bären gesichtet werden, sind die städtischen Randgebiete, weil die Tiere entweder durch Waldbrände in die Städte getrieben werden, oder weil es in den Wäldern zu wenig Nüsse und Beeren zu fressen gibt. Für gewöhnlich bevorzugen es Bären allerdings, keinen Kontakt mit Menschen zu haben.

Ein gefährlicher Ort?

Foto: Alamy/Legion-Media

Manch ein Sibirienreisender gibt zu, dass Verwandte und Freunde versucht hätten, ihm das Abenteuer auszureden. Sibirien sei einfach ein „gefährlicher Ort“, hätten sie gesagt. Doch in Wirklichkeit ist Sibirien genau wie Europa, die USA oder Australien, wo man entweder auf Gastfreundschaft oder auf Ärger stoßen kann – auf den Straßen ist es überall so, dass man heute auf offene und freundliche Menschen treffen kann und morgen mürrischen oder betrunkenen Zeitgenossen begegnet.

Auch die Bloggerin Peggy Lohse, die von Deutschland aus in den Norden Russlands gereist ist, hat diese Erfahrung gemacht: „Sibirien ist nicht mehr und nicht weniger gefährlich als andere Länder der Welt“, stellt sie fest. Sie berichtet von einem Erlebnis auf ihrer Reise von Tomsk nach Krasnojarsk über Kemerowo, im Westen Russlands: „Ich musste vom Zug Jurga-2 in den Zug Jurga-1 umsteigen. Ich dachte mir, dass ich das schon schaffen würde, die Stadt war ja schließlich nicht groß. Im Endeffekt war ich mit einem riesigen Rucksack am Ende der Stadt gestrandet und hatte keine Ahnung, wie ich wieder zurückkommen sollte. Es war Herbst, sehr kalt und der Wind blies. Doch da waren Menschen, die einen anderen verirrten Passagier zum Bahnhof begleiteten und auch mich bemerkten. Sie fragten mich sogleich, ob ich Hilfe brauchte. Ich bejahte und bekam nicht nur Gleit zum Bahnhof, sondern gleich noch eine Stadtführung dazu.“

Es lohnt sich also, die Vorurteile zu ignorieren und sich selbst ein Bild zu machen von Sibirien. Neue Eindrücke gibt es dort auf jeden Fall zu gewinnen.

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