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Die höchsten Dünen Europas befinden sich im kleinsten Nationalpark Russlands – der Kurischen Nehrung. Diese können ausländische Reisende ohne russisches Visum für drei Tage besuchen. Haushohe Dünen, Kiefernwälder und kilometerlange Ostseestrände ziehen jährlich Millionen von Touristen an.
Das zweigeschossige Besucherzentrum des Nationalparks „Kurische Nehrung“ ist umgeben von immergrünen Buchsbäumen, gigantischen Thujas, Bergkiefern und Stechdorn. Es sind Pflanzen aus verschiedenen Kontinenten, die untypisch für die Ostseeküste sind. Mit einem Blick auf das Blätterwerk hinter dem Fenster sagt Ludmilla Poplawskaja, Chefin der Forschungsabteilung des Nationalparks: „Unsere Hauptaufgabe besteht in der Bewahrung dieser Landschaft. Sie scheint natürlichen Ursprungs zu sein, wurde tatsächlich aber von Menschenhand geschaffen“.
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Die beinahe 100 Kilometer lange, säbelförmige Sandhalbinsel, die das Süßwasser des kurischen Haffs vom Salzwasser der Ostsee trennt, war vor 500 Jahren noch von Eichen- und Buchenwäldern bedeckt, in denen die preußischen Könige zu jagen pflegten. Im 18. Jahrhundert verwandelten Köhler die grüne Halbinsel jedoch in eine Wüste: Die dichten Wälder wurden Opfer der industriellen Revolution, die immer mehr Brennstoff benötigte.
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Das Ufer, seiner stabilisierenden Baumwurzeln beraubt, verwitterte zusehends: Das Meer spülte den Mutterboden weg und dafür tonnenweise Sand an. Der Wind tat sein Übriges. Er trug den Sand kilometerweit in die Nehrung hinein und häufte riesige Berge an. So entstanden die kurischen Dünen, die bis zu 68 Meter hoch sind – vergleichbar mit einem 22-stöckigen Haus. Heute sind sie die Hauptattraktion des Parks.
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Die Touristen mit ihren Fotoapparaten laufen weithin hörbar den Holzbohlenweg entlang, der die dünne Grasdecke der Epha-Düne, eine der kurischen Dünen und gleichzeitig Ort der beliebtesten Wanderroute der Nehrung, bedeckt. Sie führt zur Spitze des Sandhügels, der die Ziegeldächer der Ortschaft Morskoje überragt.
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Im 19. Jahrhundert wurden 13 Fischerdörfer in der Nehrung vom Sand begraben. Morskoje oder Pillkoppen, wie der Ort damals noch hieß, wäre beinahe das vierzehnte Dorf geworden, wenn der Forstschutzbeamte Franz Epha in den 1880er-Jahren nicht mit größter Hartnäckigkeit Bäume in dem feinen Ostseesand gepflanzt hätte. Er experimentierte mit verschieden Pflanzen, die sowohl Sandboden vertragen, als auch winterfest sind. Und so begrünen nun Zedern von der Arabischen Halbinsel, Robinien aus Nordamerika und Bergkiefern aus den Alpen das Ufer der Ostsee. Heute stammen zwei Drittel der Bäume und Sträucher in der Nehrung aus anderen Verbreitungsgebieten.
Die Wanderroute wurde nach dem „König der Dünen“ Franz Epha benannt und führt an der Grenze zwischen den „weißen“ und „grünen“ Dünen entlang: Links vom Pfad erstreckt sich ein Kiefernwald, auf der rechten Seite öffnet sich der Blick auf kilometerlange Sandhügel, die vom Grün umrahmt sind.„Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten sowjetische Forstbeamte die Befestigungsarbeiten fort, und taten des Guten sogar etwas zu viel“, erzählt Poplawskaja. „Der Anteil der freien Sandflächen beträgt inzwischen weniger als zwei Prozent der Fläche der Kurischen Nehrung – Tendenz fallend. Während man früher den Wald retten musste, so sind es heute die Dünen.“
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Der weiße, von der Begrünung unberührte Sand wurde zur Naturschutzzone des Nationalparks erklärt und ist vollständig für den Besucherverkehr gesperrt. Aber dennoch schrumpfen die Dünen. „Leider können wir nicht jedem Touristen einen Aufseher zur Seite stellen: Viele veranstalten hier Fotoshootings im Sand, ohne an die Folgen zu denken“, beklagt sich Poplawskaja. „Wenn eine Gruppe Besucher den Dünenkamm entlanggeht, kann dieser leicht ins kurische Haff rieseln. Dann gibt es eine Düne weniger im Park.“
An den Wochenenden staut sich der Verkehr auf der engen Straße entlang der Nehrung, die aus dem russischen Kaliningrad in das litauische Klaipeda führt. Für die Kaliningrader ist die Kurische Nehrung vor allem Eines: der beste Meeresstrand, der sich ununterbrochen über nahezu 100 Kilometer erstreckt.
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Die meisten Besucher aber kommen wegen der kurischen Dünen, die von sechs Wanderpfaden durchzogen werden. Wer hier wandert, kann nicht nur die höchsten Dünen Europas sehen, sondern auch gleichzeitig Bäume aus vier Kontinenten sowie Füchse, Waschbären, Wildschweine, Rothirsche und Rehe entdecken. Die Halbinsel befindet sich zudem auf der Wanderroute von Millionen von Vögeln, von denen rund 100 Arten in der Nehrung nisten – über ihre Angewohnheiten und Eigenarten kann man in der hiesigen Vogelwarte ausführliche Informationen erhalten.
Im Jahr 2000 wurde die Kurische Nehrung zum Unesco-Weltkulturerbe ernannt – nicht als einmaliges Naturobjekt, sondern als Kulturdenkmal. Es ist eine einzigartige von Menschenhand geschaffene Landschaft.
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