Gesichter der Revolution: Wladimir Lenin, Führer der Bolschewiki

Er hat den Verlauf von 1917 geprägt wie kein anderer.

Er hat den Verlauf von 1917 geprägt wie kein anderer.

Mary Evans/Global Look Press
Kein anderer Politiker hat den Verlauf der Russischen Revolution derart bestimmt wie Wladimir Lenin. Doch vor dem Oktoberumsturz in Petrograd, der damaligen russischen Hauptstadt, musste er sich erst die Unterstützung seiner eigenen Partei, der Bolschewiki, sichern. Das war keine einfache Aufgabe. Denn vielen Parteigenossen Lenins waren seine Ansichten schlicht zu absurd.

Die Februarrevolution 1917 erlebte der Anführer der Bolschewiki fernab der russischen Hauptstadt: Aus dem schweizerischen Exil kehrte Wladimir Lenin erst im April nach Russland zurück.

Der Petrograder Arbeiter und Soldatenrat – zu dem Zeitpunkt teilte sich das Organ die Macht mit der liberalen Provisorischen Regierung – organisierte für den Spitzenpolitiker der Sozialisten einen feierlichen Empfang. Der Vorsitzende des Arbeiter- und Soldatenrats, Nikolai Tschcheidse, begrüßte Lenin in der Nacht auf den 17. April (nach julianischem Kalender 4. April) am Finnischen Bahnhof und rief ihn gleich dazu auf, ein Bündnis mit der Provisorischen Regierung zu unterstützen. Diese setzte sich für die Fortsetzung des Krieges ein.

Lenins Antwort war für den Ratsvorsitzenden unerfreulich: Über dessen Kopf hinweg grüßte der Spitzenbolschewik die Arbeiter, Soldaten und Matrosen als „Avantgarde des Weltproletariats“. Der räuberische imperialistische Krieg sei der Anfang eines Bürgerkriegs in ganz Europa, erklärte er unter tosendem Beifall der Menge. Die Arbeiter und Soldaten trugen den Bolschewiki-Anführer auf ihren Händen aus dem Bahnhofsgebäude. Auf dem Vorplatz kletterte Lenin auf einen Panzerwagen und proklamierte im grellen Schein der Flutlichter den baldigen Sieg der sozialistischen Weltrevolution.

Ein Historiker schrieb später dazu: „Im Scheinwerferlicht, das sich in die Nachtfinsternis schnitt, kam uns Lenin mit seinem nach vorne gerichteten Arm wie ein Gigant vor. Seine Ansprache war etwas Außergewöhnliches. Sie fiel gänzlich aus dem üblichen Kontext der Revolution.“ Und ein Anhänger der Menschewiki erinnerte sich: „Plötzlich blitzte ein helles, stechendes Licht vor unseren Augen auf, das uns alle, die durch die täglichen Mühen der Revolution zermürbt waren, einfach fesselte.“

Kurs auf die sozialistische Revolution

Foto: ZUMA Press/Global Look PressFoto: ZUMA Press/Global Look Press

Dieses „Licht“ war Lenins Vorgabe, die sozialistische Revolution vorzubereiten. Im Unterschied zu den meisten russischen Sozialisten, einschließlich seiner eigenen Parteigenossen, war Lenin überzeugt, dass die bürgerliche Revolutionsetappe mit der Provisorischen Regierung aus „Kapitalistenministern“ an der Macht beendet werden musste. Die Macht musste in die Hände des Proletariats und der ärmsten Bauernschichten gelegt werden. Mehr noch: Lenin verkündete eine Absage an die bestehenden Formen der Machtorganisation. „Keine parlamentarische Republik, sondern eine Republik der Arbeiter- und Bauernräte im ganzen Land, von unten bis oben“, proklamierte er. Diese Grundsätze gingen als Lenins Aprilthesen in die Geschichte ein.

Viele Bolschewiki lehnten Lenins Ideen aber ab. Noch sei die bürgerliche Entwicklung von Russland nicht abgeschlossen – und solange sei der Sozialismus in Russland nicht möglich, hieß es. Das Land sei zu rückständig, die Arbeiterklasse zu klein, die größte Klasse bildeten die Bauern. Lenin entgegnete darauf bei seinen zahllosen Auftritten, dass Dogmatismus gefährlich sei. Stattdessen müsse das „lebendige Leben“ berücksichtigt werden.

Letztendlich gelang es ihm, die Parteispitze und die vielen Mitglieder der unzähligen Parteitage, die im April in Petrograd stattfanden, zu überzeugen. Von Lenin angeregt übernahmen die Bolschewiki die Losungen: „Keine Unterstützung der Provisorischen Regierung“ und „Alle Macht den Räten“.

Erfolgreicher Putsch

Foto: Karl Bulla/RIA Novosti
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Nach Veröffentlichung der Aprilthesen bezichtigten die Menschewiken Lenin, einen Bürgerkrieg in Russland anzetteln zu wollen. Lenin rechtfertigte sich, er habe die Bolschewiki nur dazu aufgerufen, sich für die Übergabe der Macht an die Räte einzusetzen. Von einer Agitation zur gewaltsamen Machtergreifung sei keine Rede gewesen.

Im April und Juli 1917 demonstrierten die Arbeiter und Soldaten von Petrograd gegen die Provisorische Regierung. Die Bolschewiki unterstützten die Proteste. Noch aber waren der Petrograder Rat und die Regierung stärker als Lenins Anhänger.

Die Lage änderte sich schlagartig im Herbst 1917: Nach dem gescheiterten Putsch reaktionärer Kräfte unter General Kornilow bekamen die Linken starken gesellschaftlichen Zuspruch, sodass die Bolschewiki eine Mehrheit im Petrograder Rat erlangten. Diese Situation nutzte Lenins Partei aus und putschte die Provisorische Regierung kurzerhand aus dem Amt. Die Bolschewiki übernahmen die Macht mit Beschluss des 2. Allrussischen Rätetags, der im Oktober in der Hauptstadt stattfand. Auch dort spielte Lenin wieder die Hauptrolle, als es darum ging, die Genossen zu überzeugen, die an einem Sieg der Bolschewiki zweifelten.

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