Lew Jaschin ist der einzige Torwart, der zu Europas Fußballer des Jahres gewählt wurde. Foto: RIA Novosti
Lew Jaschin war wohl die schillerndste Persönlichkeit der gesamten sowjetischen und russischen Fußballgeschichte. Er war vielfacher UdSSR-Meister, Gewinner der Olympischen Spiele 1956 und Europameister 1960. Dieses russische Torwartphänomen, das für seine unglaubliche Reaktionsschnelligkeit den Spitznamen „schwarze Spinne" erhielt, hätten alle Vereine weltweit gerne in ihren Reihen gehabt. Er jedoch blieb stets Dynamo Moskau treu. Für die Mannschaft der „Weißblauen" war er 22 Jahre aktiv – von 1949 bis einschließlich 1970.
In gewisser Weise hatte Jaschin zweifellos Glück, denn wäre der Ballon d'Or vor 50 Jahren bereits nach heutigen Kriterien vergeben worden, dann hätte ihn sicher Pelé erhalten, der 1963 als Spieler des FC Santos die Klub-Weltmeisterschaft gewann. Die brasilianische Fußballlegende war damals im Finale an vier Toren gegen AC Mailand beteiligt, damals jedoch konnte der Ballon d'Or nur an Europäer verliehen werden. Erst 1995 beschlossen die Initiatoren des Preises von der Fußball-Fachzeitschrift „France Football" eine Änderung des Reglements: auch Nicht-Europäer in europäischen Teams konnten die Trophäe gewinnen. Seit 2010 vergeben „France Football" und die FIFA gemeinsam die Auszeichnung FIFA Ballon d'Or, für den besten Fußballprofi weltweit – nicht nur in Europa. Im Gegensatz dazu führte die UEFA im Jahr 2011 den „Best Player in Europe"-Award ein, der jährlich den besten Fußballspieler eines europäischen Teams ehrt.
Nur wenige wissen, dass sich Jaschin aufgrund eines erfolglosen Debüts im Fußball dem Eishockey zuwandte. In seinem ersten Spiel in der Fußball-Landesmeisterschaft 1950 gegen den Erzrivalen Spartak Moskau unterlief Jaschin ein ärgerlicher Fehler: Er ließ aufgrund eines Zusammenstoßes mit einem eigenen Mitspieler einen Gegentreffer zu. Dynamo verpasste in diesem Spiel den Sieg, und Jaschin drückte fast drei Jahre lang die Reservebank. Frustriert begann Jaschin parallel mit dem Eishockey. Und die Erfolge ließen nicht lange auf sich warten. Seine Mannschaft – er spielte auch hier für Dynamo Moskau – gewann den UdSSR-Eishockey-Pokal. Er sollte sogar als Torwart in die Nationalmannschaft berufen werden, beschloss dann jedoch, sich auf den Fußball zu konzentrieren.
Jaschin hatte einen Talisman. Viele Jahre spielte er sowohl im Club als auch in der Nationalmannschaft der UdSSR immer mit derselben Mütze. Und auch als seine Kopfbedeckung mit der Zeit Verschleißerscheinungen zeigte, konnte sich der legendäre Torhüter nicht dazu durchringen, sie wegzuwerfen. Er hatte diese Mütze immer bei sich, egal wohin es ging. Interessanterweise legte Jaschin die alte Mütze vor den entscheidenden Spielen immer klammheimlich neben sein Tor.
Angeln und Rauchen gehört zum Lebensstil
Wie allgemein bekannt, war Jaschin ein begeisterter Angler. Egal, wo er gerade war – er erkundigte sich immer nach den besten Angelplätzen. Daraus wurde sogar ein gutes Omen. Immer wenn er vor dem Spiel angelte, gewann Dynamo. Er hatte eine große Sammlung an Blinkern, darunter auch einige aus dem Ausland, die zu dieser Zeit nur sehr schwer zu ergattern waren. Nach seinen Ködern grub der große Torwart häufig auf der Müllhalde in der Nähe seiner Datscha. Dort durchforstete er Müllhaufen nach Maden und Regenwürmern, wobei wohl kaum einer in dem einfachen Angler die Torwartlegende erkannt hätte.
Jaschin war ebenfalls ein passionierter Raucher. Diese schlechte Angewohnheit, von der der Torwart einfach nicht lassen konnte, stammte noch aus seiner vom Krieg geprägten Kindheit. Er rauchte vier Päckchen Zigaretten täglich! Vor der Olympiade 1956 fuhr die Nationalmannschaft zur Vorbereitung auf die Hitze für einen Monat nach Indien. Dort beschlossen die Fußballer, sich mit einem Elefanten fotografieren zu lassen. Und da Jaschin sich niemals von seinen Zigaretten trennte, hielt er selbst da sein Zigarettenetui in der Hand. Der Elefant jedoch sah das Etui und nahm es dem Torwart mit seinem Rüssel ab – unter dem schallenden Gelächter von Jaschins Mannschaftskameraden.
Lew Jaschin war zu seiner Zeit ein Phänomen. Nach dem Finale der Europameisterschaft 1960 kam der damalige Präsident von Real Madrid Santiago Bernabeu auf den sowjetischen Torwart zu. Der „allmächtige" Boss der „Königlichen" zückte demonstrativ sein Scheckbuch und bot dem Torhüter an, er könne selbst die Vertragssumme für seinen Wechsel aus Moskau nach Madrid eintragen und sein Wunschgehalt angeben, das er von Real haben möchte. Die anderen Spieler der sowjetischen Nationalmannschaft, die das mitbekommen hatten, wollten dem allzu selbstsicheren Millionär einen Streich spielen und stachelten Jaschin an: „Trag doch einen Betrag ein, dass ihm die Spucke weg bleibt." Nachdem man Señor Bernabeu das übersetzt hatte, lächelte er erst und fügte dann mit ernster Miene hinzu: „Ich bin wirklich bereit, jeden Preis für ihn zu zahlen. Aber letztlich ist jeder Betrag zu niedrig, weil Herr Jaschin nicht mit Geld aufzuwiegen ist, genau wie die Gemälde der großen Meister im Museo del Prado."
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Gazeta.ru
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