Football
Press Photo„Es war ein merkwürdiges Gefühl. Ich habe in Moskau eine Frauenfußballmannschaft gegründet und wurde schon am nächsten Tag zur Fifa nach Zürich eingeladen“, erzählt der Sportmanager Wladimir Dolgi-Rappoport. Noch vor zwei Jahren wäre es ihm nicht in den Sinn gekommen, dass er einmal an einer Fifa-Konferenz zum Thema teilnehmen würde. Doch der Erfolg seiner Mannschaft GirlPower Football Club fand bei den Funktionären des Weltfußballs Beachtung und Anerkennung.
Zunächst hatte Dolgi-Rappoport gar keine großen Ambitionen. Das Team der Mädchen gründete er im Sommer 2014 fast nebenbei. Bis dahin engagierte er sich erfolgreich in der Moskauer Kindersportakademie.
Gründer des ersten Mädchen-Fußballteams in Russland Wladimir Dolgi-Rappoport. Pressebild.
Ein Sommertag im Moskauer Taganski-Park: Frauen unterschiedlichen Alters und Berufs erscheinen zum ersten Training. Sie treibt der Wille, sich und anderen etwas zu beweisen, oder aber auch die bloße Lust, Fußball zu spielen. „Im Fußball ist der Elan ausschlaggebend. Es ist nicht wie in einem Fitnessstudio, hier gibt es Inhalt und Ziel“, sagt die 26-jährige Juristin Polina.
Der Sommer war vorbei, es folgten graue und feuchte Herbsttage. Trotz des schlechten Wetters wollten die meisten Teammitglieder das Freilufttraining fortsetzen. Sie mussten nicht nur gegen die Kälte, sondern auch gegen körperlichen Schmerz ankämpfen. Prellungen, Stürze und Nasenbrüche konnten die Moral jedoch nicht untergaben. Die, die durchgehalten haben, bilden den Kern der aktuellen Mannschaft. Der GirlPower Football Club erlebte einen rasanten Aufstieg: Bereits ein Jahr nach seiner Gründung nahm das Team den vierten Platz im russischen Frauenfußballpokal ein und landete auf Platz fünf im Europapokal, in dem bei Frauen auch Amateure zugelassen sind. Im Frühling 2015 wurde die erste russische Frauenfußballschule gegründet. Jede Frau kann sich hier anmelden. 200 Fußballbegeisterte trainieren hier zurzeit.
Schnell rückte der GirlPower Football Club auch ins Blickfeld der Sponsoren. Im November 2015 sagte Adidas dem jungen Team seine Unterstützung zu. „Für Adidas ist es ein strategischer Bestandteil der Markterschließung des russischen Frauenfußballs. Sie hätten dies auch ohne uns tun können. Ihre Entscheidung für uns bestätigt, dass das, was wir tun, wichtig und gut ist“, sagt Wladimir Dolgi-Rappoport.Im Gegensatz zu Europa gilt in Russland Fußball weiter als reine Männersache. Im Land gibt es nicht nur sehr wenige Profifußballerinnen, sondern auch kaum Anhänger des Frauenfußballs. Selbst in Algerien ist die Lage besser, weiß Dolgi-Rappoport und berichtet von einem Erlebnis auf der Fifa-Konferenz: „Eine Vertreterin aus Algerien beklagte, dass es in Algerien nur drei Frauenligen gebe und nur drei von zehn Mädchen Fußball spielen wollen.“ Ein Luxus-Problem in den Augen des Russen: „Was soll ich dazu sagen? Sie soll zu uns kommen, dann können wir ihr zeigen, was Probleme sind.“
Alla Filina, Cheftrainerin des GirlPower Football Clubs, sieht eine Menge Entwicklungspotential in Russland. Die Infrastruktur sei bereits vorhanden. Doch in der Bevölkerung werde Frauenfußball nicht angenommen. So wird etwa Mädchen die Aufnahme in Vereine mit Jungs-Mannschaften verwehrt, obwohl die Fifa gemischte Mannschaften für Kinder unter zwölf Jahren erlaubt und empfiehlt. „In Russland hält sich jedoch niemand an diese Regel“, beschwert sich Dolgi-Rappoport.
Außerdem befürworten bislang nicht alle Eltern das Fußballspiel ihrer Töchter. Können sich die Elternteile nicht einigen, trainieren die Mädchen oft heimlich. Alla Filina kritisiert den Egoismus der Eltern: „Sie ignorieren die Wünsche und Sehnsüchte ihrer Kinder.“2013 startete der russische Fußballbund zwar ein neues Entwicklungsprogramm für den Frauenfußball, viel getan hat sich bisher aber nicht. Nach Ansicht von Anatoli Worobjow, ehemals Generalsekretär des Russischen Fußballverbandes RFS, ist der Frauenfußball in Russland unpopulär, weil im Fernsehen kaum darüber berichtet werde. „Antriebskraft einer jeden Sportaktivität ist das Fernsehen. Dadurch, dass die Besucherrate von Frauenfußballspielen in Russland jedoch sehr gering ist, sind Frauenfußballspiele für TV-Sender unattraktiv. Die Spiele werden nicht im Fernsehen ausgestrahlt und das trägt nicht zum positiven Image des Frauenfußballs im Lande bei“, fasst Worobjow zusammen.
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