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Die neuen russischen Eigentümer der spanischen Kelterei Bodegas El Cidacos S.L. beabsichtigen, drei Millionen Euro in deren Ausbau zu investieren und die Produktion auf den Export auszurichten. Eines der größten Abnehmerländer wird Russland sein, wo der Absatz spanischer Weine im vergangenen Jahr den der französischen Wettbewerber überflügelt hat.
„Die Verhandlungen mit den Europäern verlaufen normalerweise nicht ganz unkompliziert. Sie schätzen den Wert ihres Anlagevermögens nicht ganz adäquat ein“, erzählt Benjamin Grabar, Leiter der Industriegruppe Ladoga, gegenüber Russland HEUTE. Ende April erwarb sein Unternehmen die spanische Kelterei BodegasEl Cidacos S.L.. Sie produziert die in Russland sehr beliebte Weinmarke Conde Otinano. Die neuen Eigentümer beabsichtigten, die Produktion auf den Export auszurichten: nach Russland, China, Deutschland, Großbritannien und die USA.
Der Kauf wurde unter anderem wegen der Krise in Europa und der sinkenden Vermögenswerte möglich. Das vergangene Jahr war für die europäischen Weinproduzenten nicht ganz einfach – viele von ihnen erlitten bedeutende Verluste. Im Ergebnis stieg die Zahl derer, die das Handtuch warfen und aus dem Weingeschäft ausstiegen. „Inzwischen kann man das Anlagevermögen wesentlich günstiger erwerben als noch vor fünf bis sechs Jahren“, bemerkt Grabar.
Die Kelterei, die im spanischen Rioja ansässig ist, füllte im vergangenen Jahr 1,1 Millionen Flaschen mit einem Wert von 2,8 Millionen Euro ab. Neben Conde Otinano verfügt sie gegenwärtig über weitere sieben Marken.
Der Weinmarkt ist in Russland eine heißumkämpfte Branche. Hier sind alle weinproduzierenden Länder vertreten. Auch ist in diesem Jahr mit Georgien der ehemalige Marktführer auf den russischen Markt zurückgekehrt. In Russland kann man wieder georgischen Wein kaufen, dessen Import ab 2006 verboten wurde. Nach dem Einfuhrverbot für alkoholische Produkte aus Georgien war Frankreich lange Zeit der Marktführer auf dem russischen Markt. Allerdings wurden die Franzosen laut Angaben des russischen Zolls im vergangenen Jahr von den Spaniern überholt. Grund dafür waren nicht allein die ungünstigen Witterungsbedingungen in Frankreich. „Die spanische Weine gefallen dem russischen Verbraucher aufgrund ihrer Geschmackseigenschaften – sie erinnern ihn an die Weine aus Georgien und der Krim. Zu Zeiten der Sowjetunion waren das die beliebtesten und erschwinglichsten Weine. Sie haben ein reicheres Bouquet und einen fruchtigeren Geschmack“, sagt Grabar.
Den Kauf von Unternehmensanteilen an der Produktion alkoholischer Getränke im Ausland ist in Russland eher ungewöhnlich. Der einzige ähnlich gelagerte Deal war die Übernahme des Weinhauses Gancia im Jahr 2011 durch den russischen Wodka-Magnaten Rustam Tariko.
Neben dem Anstieg der Nachfrage nach Wein sei der Entwicklungstrend auf dem russischen Alkoholmarkt vor allem durch einen sinkenden Konsum von Wodka und einen stürmischen Anstieg der Nachfrage nach ausländischen, für Russland untypischen, hochprozentigen Getränken wie Whiskey, Rum und Tequila geprägt, erzählt Iwan Kuschtsch gegenüber Russland HEUTE. Ein weiterer Trend, jedoch mit negativen Vorzeichen, sei der Anstieg der Produktion von gefälschten Markenprodukten, vor allem beim Wodka. Hauptgrund für all diese Erscheinungen ist die sprunghafte Anhebung der Steuer für hochprozentigen Alkohol. „Es ist inzwischen wieder eine Zunahme schwarz gebrannter und illegal produzierter Produkte zu verzeichnen. Der Anteil an legal produzierten Wodka- und Biererzeugnissen sinkt. Andererseits nimmt jedoch der Umsatz in Produktgruppen wie Wein, Cognac und Whisky zu. Die Nachfrage nach Wein wächst, weil die Geschmackspräferenzen der Menschen sich ändern. Sie sind inzwischen der Meinung, dass Weintrinken zum guten Ton gehört“, glaubt Grabar.
Die gegenwärtige russische Regierung geht mit wesentlich subtileren Methoden gegen die Volkskrankheit Alkoholismus vor. Im Gegensatz zur sowjetischen Regierung untersagt sie das Trinken alkoholischer Getränke nicht komplett, sondern hat lediglich eine Reihe von Verkaufsbeschränkungen eingeführt. „Die Verabschiedung neuer Gesetze zur Beschränkung des Alkoholkonsums an öffentlichen Plätzen, das Verkaufsverbot für Bier an Kiosken und an Stränden haben die Geschäftstreibenden dazu gezwungen, Cafés mit Terrassen einzurichten. Die Zahl der Betrunkenen auf der Straße hat abgenommen, dafür gibt es mehr Radfahrer. Die Menschen trinken mehr Wein und haben begonnen, sich auf diesem Gebiet besser auszukennen. Es wird weniger billiges Bier und mehr qualitativ Hochwertiges getrunken“, erzählt Andrej Altunin. Seinen Angaben zufolge sei im laufenden Jahr der Konsum alkoholischer Getränke deutlich zurückgegangen, vor allem beim Wodka.
In den russischen Geschäften, selbst in den teuren, können inzwischen nach 22 Uhr keine hochprozentigen Getränke mehr gekauft werden. Selbst fünfprozentiges Bier ist dann nicht mehr erhältlich. Die russische Gesellschaft hat – entgegen vorheriger Befürchtungen – an den neuen Regelungen keinen Anstoß genommen. Ganz im Gegenteil: Einige figurbewusste Bloggerinnen scherzten, dass nun auch der Verkauf von Kuchen und Torten nach 19 Uhr untersagt werden sollte.
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