Ein defizitärer Haushalt und Investitionen machen die Krim für Russland kostspielig. Foto: Sergej Sawostjanow/Rossijskaja Gaseta
Während die politische Gemeinschaft noch über das Ergebnis des Referendums auf der Krim nachdenkt, rechnet man in der russischen Regierung bereits das Volumen der benötigten Investitionen aus. Am 17. März stellte Russland der Krim bereits 15 Milliarden Rubel (300 Millionen Euro) zur Verfügung.
Investitionen der russischen Regierung in die Krim sind für die Zahlung von Sozialleistungen, Transferleistungen zum Ausgleich des Haushaltsdefizits der neuen Region sowie Ausgaben für den Ausbau der Infrastruktur, darunter den Bau einer Brücke über die Straße von Kertsch, notwendig. Aus diversen Berichten wird schon heute deutlich, dass die wirtschaftlichen Probleme der Krim im Falle einer Angliederung an Russland nicht gerade klein sein werden: Die Halbinsel muss mit Energie, Wasser und Brennstoff versorgt werden.
Der Haushalt der Krim ist defizitär
In den letzten Jahren war die Halbinsel im starken Maße von der restlichen Ukraine abhängig. Leonid Pilunskij, Abgeordneter des Obersten Sowjets der Krim, zufolge ist die Krim lediglich zu 34 Prozent in der Lage, für sich selbst zu sorgen. 2014 sollte mehr als die Hälfte der Haushaltseinnahmen mit Zuschüssen aus Kiew finanziert werden, insgesamt 240 Millionen Euro von 430 Millionen Euro der Gesamteinnahmen des Haushalts. In den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres hat Kiew 21 Prozent dieses Betrags an die Halbinsel überwiesen. Wenn Krim ein Teil der Russischen Föderation werden sollte, wird es keine Transferleistungen aus der Ukraine mehr geben.
Außerdem entspricht die Höhe der Sozialleistungen in der Ukraine nicht den russischen Standards. Die aktuelle Höhe der Renten und Sozialtransferleistungen liegt bei 40 bis 50 Prozent des russischen Niveaus. Sollten sich die Beziehungen zwischen der Krim und der Ukraine nicht normalisieren, werde Russland vor dem Problem stehen, die Höhe der Renten und anderer Sozialleistungen an die russischen Standards anzupassen, sagte der Minister für Wirtschaftsentwicklung Alexej Uljukajew.
Der ukrainischen Expertin des Projekts Obschtschestwennaja Duma („Gesellschaftliche Duma"), Jekaterina Obuchowskaja, zufolge sind im öffentlichen Dienst der Krim ungefähr 200 000 Personen beschäftigt. Nach Angaben für Februar 2014 des ukrainischen Statistischen Amtes beträgt deren Durchschnittsgehalt umgerechnet 12 500 Rubel (250 Euro). In Russland ist dieser Kennwert nahezu dreimal so hoch und beträgt dort 30 000 Rubel (600 Euro). Um die Löhne dem russischen Niveau anzupassen, werden 3,5 Milliarden Rubel (70 Millionen Euro) im Monat beziehungsweise 42 Milliarden Rubel (840 Millionen Euro) pro Jahr benötigt werden.
Investitionsprojekt Krim: eine große Baustelle
Außer im Sozialbereich werden von Russland auch ernsthafte Investitionen in die Infrastruktur verlangt. Wenn die Ukraine der Krim den Strom
abschaltet, müssen zu deren Versorgung Energieübertragungsleitungen durch die Straße von Kertsch gebaut werden, gibt der Vorstandsvorsitzende der gemeinnützigen Organisation Territorialnyje setewyje organisazii („Territoriale Netzorganisationen"), Alexander Churudschi, zu bedenken. Die schnellstmöglich zu realisierende Variante wäre ein Kabel am Meeresgrund der Straße von Kertsch. Nach Berechnungen von Experten sind zur Absicherung der benötigten Kapazitäten ungefähr 18 Milliarden Rubel (360 Millionen Euro) notwendig. Im Energieministerium der Russischen Föderation wollte man dazu keine Stellung nehmen.
Neben den kurzfristigen Ausgaben für die Infrastruktur könnten auch noch zusätzliche Mittel für neue, großangelegte Investitionsprojekte benötigt werden, um die Halbinsel grundlegend umzugestalten. Die russische Handelskammer in der Ukraine hat bereits eine Liste mit Projekten zusammengestellt, in die russische Geschäftsleute investieren könnten. Die benötigten Investitionen werden auf fünf Milliarden Euro geschätzt.
Die teuersten Projekte in dieser Liste sind Infrastrukturprojekte wie zum Beispiel die Modernisierung der Autobahn Cherson – Dschankoj – Feodosija – Kertsch mit geplanten Kosten in Höhe von 1,4 Milliarden Euro und Projekte zum Ausbau der Hochseehäfen in Jewpatorija, Fedosija, Kertsch und Jalta mit einem Gesamtvolumen in Höhe von 1,8 Milliarden Euro. Auf der Liste befinden sich ebenso Investitionsprojekte zur Errichtung von Freizeit- und Tourismus- sowie Landwirtschaftsobjekten und Maßnahmen zum Ausbau der Flughäfen in Kertsch und Sewastopol. Auf 1,2 Milliarden Euro wird der Investitionsbedarf für den Bau einer Verkehrsverbindung durch die Straße von Kertsch geschätzt.
„Für dieses Geld kann man eine ganze Menge Hotels und andere touristische Infrastrukturobjekte bauen, die sich recht schnell amortisieren werden", sagt Dmitrij Lukaschow, Analyst bei IFC Markets. Die Investitionen in Höhe von mehr als fünf Milliarden Euro könnten das Wirtschaftswachstum stimulieren, wenn man berücksichtigt, dass das gegenwärtige Wirtschaftsvolumen der Krim durch den Analysten Narek Awakjan von der Finanzkorporation AForex auf zehn Milliarden Euro geschätzt wird.
Steuern als Stimulator
Um die Belastung auf den russischen Staatshaushalt durch die mögliche Angliederung der Krim an Russland zu verringern, könnte die Halbinsel
einen steuerlichen Sonderstatus erhalten, so wie es zwischen 1994 und 2007 entsprechend dem Abkommen zur Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Tatarstan und der föderalen Regierung Russlands praktiziert wurde, sagt ein föderaler Beamter.
Tatarstan habe im Rahmen dieses Abkommens im Jahre 1999 zur Finanzierung komplexer Programme 50 Prozent statt der üblichen 15 Prozent der eingezogenen Mehrwertsteuer sowie die Verbrauchersteuer auf Tabak, Alkohol, Erdöl, Erdgas und Personenkraftwagen einbehalten können, erklärt Rustam Wachitow, Chef der Steuerkanzlei Baker Tilly Tax Services. In der Föderalen Steuerbehörde wollte man sich nicht dazu äußern, ob eine vergleichbare Regelung auf der Krim möglich wäre.
Der Übergang zu der russischen Gesetzgebung zur Steuererhebung und zum einheitlichen System der Kredit- und Finanzbeziehungen werde wahrscheinlich neun bis zwölf Monate in Anspruch nehmen, nimmt Wladimir Redkin, Direktor für internationale regionale Finanzen bei Fitch Ratings an.
Nach Materialen von RBC Daily und Wsgljad.
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