Von einer Rückkehr der internationalen Fluggesellschaften und einem Ende der Verkehrsblockade zu sprechen sei momentan jedoch verfrüht, sagen Experten. Foto: Lori / Legion Media
Im Konflikt um die Kontrolle des Luftraums über der Halbinsel Krim hat die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO Partei für Russland ergriffen. Dies meldet die russische Zeitung „Kommersant“ unter Bezugnahme auf das russische Verkehrsministerium. Der Beschluss war das Ergebnis von Verhandlungen zwischen dem stellvertretenden russischen Verkehrsminister Waleri Okulow und dem ICAO-Generalsekretär Raymond Benjamin. Diesbezügliche Vorschriften werden in eine trilaterale Vereinbarung zwischen Russland, der Ukraine und der ICAO aufgenommen. Die Regelung des Luftverkehrs über der Krim soll nach den Vorschlägen der ICAO in russische Verantwortung übergehen, der ukrainischen Seite verbliebe die Zuständigkeit für die neutralen Gewässer rund um die Halbinsel.
„Die ICAO befasst sich nicht mit Politik, Fragen der Souveränität oder territorialen Integrität von Staaten, sondern ausschließlich mit der Sicherheit der Luftfahrt. In den Verhandlungen ging es daher nur um das Recht Russlands, den Luftverkehr über der Krim zu steuern und seine Hoheitsgewässer zu kontrollieren“, erklärt Alexander Michajlenko, Professor am Institut für Außenpolitik der Russischen Akademie für
Volkswirtschaft und dem Staatsdienst beim Präsidenten der Russischen Föderation. Noch vor zwei Monaten wären diese Gespräche nicht möglich gewesen. Heute ist jedoch klar, dass die ukrainischen Airlines auf der Krim nicht mehr tätig werden können. Der Beschluss war notwendig, weil der Bedarf an internationalen Flügen und deren Sicherung nach wie vor sehr groß ist. „Als erste werden wahrscheinlich die türkischen Luftfahrtunternehmen auf die neuen Regelungen reagieren, andere werden danach Schritt für Schritt folgen“, ist sich Alexander Michajlenko sicher. „Die USA und ihre Bündnispartner können diesen Prozess jedoch mit Verboten, Sanktionen und anderen Mitteln behindern“, befürchtet der Experte.
Seitdem die Ukraine ihre Kontrolle über die Krim eingebüßt hat, besteht zwischen Moskau und Kiew ein anhaltender Dissens bezüglich der Zugehörigkeit des Luftraums über der Halbinsel. Bereits Mitte März 2014 stellten die ukrainischen Fluglinien deshalb „bis auf Widerruf“ ihre Tätigkeit auf den Flughäfen in Simferopol und Sewastopol ein. Zusätzlich verbot die europäische Organisation zur Luftverkehrskontrolle Eurocontrol den europäischen Luftfahrtgesellschaften, die Flughäfen auf der Krim anzufliegen. Vor dem russisch-ukrainischen Konflikt flogen unter anderem die Fluggesellschaften Turkish Airlines, AtlasJet, WizzAir, Austrian Airlines und Air Baltic die Krim an. Gegenwärtig werden diese Flüge durch insgesamt 15 russische Fluggesellschaften aufgefangen. Nach Angaben der russischen Luftfahrtbehörde Rossawiazija beförderten diese im Juni 2014 etwa 296 000 Fluggäste auf die Krim und zurück – fast 3,7 Mal mehr als im Vorjahreszeitraum.
Schritt in Richtung Normalisierung
Die Initiative der ICAO, für die mit dem Luftverkehr zusammenhängenden Fragen Klarheit zu schaffen und internationale Flüge auf die Halbinsel wiederaufzunehmen, ist zweifellose ein gutes Zeichen. „Gegenwärtig bieten lediglich russische Fluggesellschaften Flüge auf die Krim an, europäische Fluggesellschaften konnten dies aufgrund von Anweisungen der Europäischen Flugsicherheitsbehörde EASA und der Flugsicherungsorganisation Eurocontrol nicht tun“, sagt Wassili Ucharski, Analyst bei UFS Investment Company. Seiner Meinung nach sei dieses Verbot in erster Linie politisch motiviert gewesen und die Leittragenden seien die Bewohner der Halbinsel.
Mit der Entscheidung der Zivilluftfahrtorganisation ICAO könnte sich die Situation entscheidend ändern. „Die ICAO hat die Zugehörigkeit der Krim zu Russland anerkannt, allerdings nicht in politischer Hinsicht, sondern lediglich innerhalb ihres engen Zuständigkeitsbereiches – der Gewährleistung der Flugsicherheit. Wir können davon ausgehen, dass in absehbarer Zeit andere internationale Organisationen in ihren besonderen Belangen dem Beispiel der ICAO folgen werden“, sagt Alexander Michajlenko. Eine politische Anerkennung der Krim als Teil der Russischen Föderation sei wiederum Angelegenheit internationaler Organisationen, wie der Vereinten Nationen oder der OECD.
„Von einer Rückkehr der internationalen Fluggesellschaften und einem Ende der Verkehrsblockade zu sprechen ist momentan jedoch verfrüht“, sagt Wassili Ucharski. Würde dieses Ziel allerdings erreicht, wäre es ein bedeutender Schritt in Richtung einer Normalisierung des Lebens auf der Halbinsel.
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