Russischer Öko-Markt wächst trotz Krise. Foto: Lori/Legion Media
Die westlichen Sanktionen haben für einen Einbruch der Einfuhr von Bioprodukten nach Russland gesorgt. „Mindestens 95 Prozent aller Produkte wurden bisher importiert", bemerkt Denis Prassolow, Generaldirektor der Unternehmensgruppe Organik. Gemüse und Obst aus dem Öko-Anbau, Milchprodukte, Nüsse und Trockenobst wurden hauptsächlich aus Deutschland, Italien, der Schweiz, Frankreich, den USA und Kanada geliefert. Die restlichen fünf Prozent entfielen auf zugelassene russische Hersteller, rund 100 Unternehmen. Im Inland werden hauptsächlich Milch und Milchprodukte, Fleisch, Geflügel und Getreideprodukte hergestellt.
Das russische Marktvolumen schätzt das Foreign Agricultural Service der USA auf 139,5 Millionen Euro. Der Weltmarkt für Bioprodukte hat nach Angaben der Internationalen Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen einen Umsatz von 59,3 Milliarden Euro.
Der Bio-Anbau begann seine intensive Entwicklung vor drei Jahren. Seitdem ist der Absatz um 20 Prozent gewachsen. Dennoch übersteigt die Nachfrage nach wie vor das Angebot. Hauptabnehmer für Bioprodukte sind Eltern, die gesunde Lebensmittel für ihre Kinder kaufen, und wohlsituierte Kunden zwischen 22 und 45 Jahren, die sich gesund ernähren wollen. Sie lassen sich weder von der Preisdifferenz zu herkömmlichen Lebensmitteln – zwischen 20 Prozent für Gemüse und bis zu 500 Prozent für Fisch und Fleisch – noch von sanktionsbedingten Preissteigerungen um weitere 30 bis 40 Prozent abschrecken. Die Kosten für Zulassungen im Ausland und Material wie Folien, Treibhäuser und Saatgut aus Europa sind gestiegen.
Experten betonen, dass die Nachfrage durch die Erschließung einer neuen Zielgruppe weiter wachsen könnte. Dabei setzt man auf jene, die zuvor herkömmliche ausländische Lebensmittel gekauft haben. „Vom Lebensmittelembargo können Biohändler profitieren: Auf der Suche nach einer Alternative für gewohnte Lebensmittel aus dem Ausland könnten sich die Kunden durchaus für Bioprodukte entscheiden", meint Jelena Klutscharowa, Beraterin der Abteilung für Marktanalysen bei der CBRE-Gruppe. So würden laut einer Umfrage des Vereins für Bio-Anbau beinahe 58 Prozent der Russen gerne Bioprodukte kaufen. Auch deshalb erwarten die Anbieter solcher Produkte, dass der Umsatz in diesem Jahr trotz Krise um zehn bis 15 Prozent zulegen wird.
In Russland liegen ungefähr 40 Millionen Hektar nutzbares Ackerland brach. Die Flächen wurden seit mehr als 20 Jahren nicht mit Chemikalien gedüngt und sind daher für den Bio-Anbau geeignet. Für den Anbau von Bioprodukten werden bisher lediglich 126 800 Hektar, also weniger als ein Prozent, genutzt. Das Ackerland könnte für ausländische Biobauern reizvoll sein. „In Europa entwickelt sich der Biomarkt sehr rasant. Es fehlt jedoch an Rohstoffen und Ackerland für den Anbau", erklärt Tatjana Lebedewa, Gründerin des Informationsportals „Look.Bio". Sowohl Unternehmen als auch gemeinnützige Vereine wie etwa die Internationale Vereinigung der ökologischen Landbaubewegungen zeigten Interesse an einer Weiterentwicklung des Bio-Anbaus in Russland, so die Expertin.
Zu den Firmen, die sich bereits zu einem Markteinstieg in Russland entschlossen haben, gehören zwei offiziell zugelassene Unternehmen, die ausländische Investitionen erhalten und für den Export arbeiten. Laut Lebedewa sind das Tiryaki Russia mit türkischer Muttergesellschaft, die Gemüse, Getreide und Sonnenblumen im Gebiet Saratow anbaut, und die J&M Company, die Getreide und Ölpflanzen im Gebiet Krasnodar züchtet. Woher die ausländischen Investitionen stammen, konnte nicht festgestellt
werden. Außerdem hat das deutsche Unternehmen Hipp, weltweit marktführender Hersteller von Kindernahrung, eine Fabrik im Gebiet Kaliningrad gebaut. Die Produktionsstätte bezieht Rohstoffe sowohl von eigenen zugelassenen Bauernhöfen aus dem Gebiet als auch von örtlichen Herstellern, deren Produkte den Öko-Anforderungen entsprechen.
Die meisten ausländischen Unternehmen schrecken jedoch vor der fehlenden Transparenz des Marktes zurück, vor allem weil offizielle Richtlinien zum biologischen Anbau fehlen. „Die Staatsduma muss an dieser Situation etwas ändern", findet Lebedewa und fügt hinzu, dass in diesem Jahr ein föderales Gesetz über die Biolandwirtschaft, ein technisches Regelwerk und nationale Normen geplant sind.
Große Saatflächen und feste rechtliche Regelungen würden nicht nur ausländische Investoren anlocken, sondern auch nicht genehmigten Unternehmen ermöglichen, offizielle Zulassungen zu erhalten. Der Verein für Bio-Anbau hat errechnet, dass dem russischen Bio-Anbau so Mehreinnahmen von über 280 Millionen Euro winken könnten.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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