Christian Tegethoff.
PressebildRBTH: Wie hat sich die Krise auf die Nachfrage nach ausländischen Spezialisten in Russland ausgewirkt?
Christian Tegethoff: Die Nachfrage nach Personal hat in Russland insgesamt abgenommen. Dieser Trend gilt für ausländische ebenso wie für russische Spezialisten. Viele Firmen haben Investitionsprojekte eingefroren oder ganz aufgegeben und setzen zurzeit auf eine Überwinterungsstrategie.
Es gibt allerdings Unternehmen in einzelnen Branchen, die von den aktuellen Rahmenbedingungen sogar profitieren - etwa in der Landwirtschaft. Und hier sind auch ausländische Experten gefragt, um internationale Standards und Prozesse in Russland zu implementieren. Einen Markt gibt es auch für Finanzspezialisten, die bei Finanzierungen helfen können.
Hat sich für Expats etwas an der wirtschaftlichen Attraktivität Russlands geändert? Berücksichtigen viele von ihnen die politische Konjunktur in Russland, wenn sie über das Land als potenziellen Arbeitsort nachdenken?
Die wirtschaftlichen Probleme Russlands sind bekannt und das Image des Landes hat sich bei potenziellen Expats generell verschlechtert. Die ökonomischen Perspektiven und damit die persönlichen Aufstiegschancen gelten als begrenzt. Die politischen Probleme haben sicherlich ebenfalls dazu beigetragen, dass Russland im westlichen Ausland kritischer gesehen wird und ein Umzug hierhin weniger attraktiv erscheint als dies noch vor zwei Jahren der Fall war.
Auffällig ist allerdings, dass das Verständnis für die russische Politik unter den in Russland lebenden Deutschen oft recht hoch ist. Viele von ihnen haben die medial verbreitete Sichtweise der russischen Regierung praktisch übernommen, sodass sich ihre Bewertung der russischen Politik von derjenigen ihrer Landsleute daheim unterscheidet.
Was macht den russischen Arbeitsmarkt besonders attraktiv? Gibt es hier mehr Möglichkeiten für den schnellen Karriereaufstieg als zum Beispiel in Deutschland?
Die niedrige Einkommenssteuer ist sicherlich für viele Ausländer verlockend - selbst bei hohen Vergütungen bleibt angesichts des einheitlichen Steuersatzes von 13 Prozent viel Netto vom Brutto.
Angesichts der Zurückhaltung vieler internationaler Unternehmen eignet sich Russland zurzeit wohl nur im Einzelfall als Karrieresprungbrett. Es gibt jedoch immer noch Möglichkeiten für ehrgeizige Spezialisten. Vor allem in russischen Firmen können auch junge Ausländer manchmal schon Verantwortung übernehmen. Das wäre in Deutschland so nicht denkbar. Da fallen mir auch in diesen nicht einfachen Zeiten Beispiele ein.
Meiner Meinung nach sind Moskau und Sankt Petersburg auch weiterhin interessante Standorte, um Auslandserfahrung zu sammeln. Nach der Flaute werden auch wieder bessere Zeiten kommen.
Hat sich die Anzahl der Bewerbungen von Expats geändert, die bei Ihnen letztes Jahr angekommen sind?
Wir sind im Jahr 2014 mit Anfragen von Expats überhäuft worden, die entweder innerhalb Russlands ihren Job wechseln mussten oder sich für Unterstützung bei der beruflichen Reintegration in Westeuropa interessiert haben. Dieser Trend ist inzwischen abgeklungen, die meisten werden sich hier oder dort neu etabliert haben. Derzeit haben wir relativ wenige Anfragen von Ausländern, die sich für einen Umzug nach Russland interessieren, vor 2014 waren es deutlich mehr.
Können russische Spezialisten inzwischen mit ausländischen Kollegen konkurrieren?
In praktisch allen Bereichen setzen internationale Unternehmen heutzutage Russen ein. Ausländer werden nur punktuell dort eingesetzt, wo es um den Transfer internationaler Unternehmensstandards oder technischer Fähigkeiten geht, die es im Land nicht oder kaum gibt. Russische Mitarbeiter haben insbesondere in marktnahen Positionen Vorteile, etwa in Vertrieb oder Marketing, weil sie wissen, wie die Kunden ticken.
Arbeiten Sie nur mit deutschen Firmen? Wie viel Prozent der Expats machen die Deutschen in Russland ungefähr aus?
CT Executive Search arbeitet sowohl für russische, als auch für europäische, US-amerikanische und japanische Unternehmen. Die europäischen Firmen stammen überwiegend aus dem deutschsprachigen Raum und aus Nordeuropa, vor allem Finnland.
Zum Anteil der Deutschen unter den Expats in Russland liegen mir keine Zahlen vor, aber sie stellen sicherlich eine der größten Gruppen, vielleicht noch vor den Franzosen.
Wo sind die Expats gewöhnlich beschäftigt - in welchen Städten und Bereichen? Arbeiten sie überwiegend in Moskau oder auch in den russischen Regionen?
Bei den ausländischen Firmen arbeiten die Expats vornehmlich in Führungspositionen, oft als Geschäftsführer oder Finanzdirektor. Die meisten von ihnen leben in Moskau, in Sankt Petersburg sind es schon deutlich weniger. Auch Expats bei russischen Unternehmen sind meist in den beiden Metropolen angesiedelt, aber es gibt einige von ihnen in fast jeder größeren Stadt, zum Beispiel Landwirtschaftsexperten im Schwarzerdegebiet oder Produktionsspezialisten im Ural.
Das Gespräch mit Christian Tegethoff, Geschäftsführer CT Executive Search, führte Katja Minch.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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