Russische Zentralbank druckt eine Billion Rubel

Es handle sich um eine saisonal bedingte Maßnahme – Experten sagen anderes.

Es handle sich um eine saisonal bedingte Maßnahme – Experten sagen anderes.

Ria Nowosti/Maxim Bogodwid
Saisonal bedingte Maßnahme, Liquiditätsspritze oder Bankenstütze? Die russische Zentralbank plant eine Geldscheinemission im Wert von einer Billion Rubel (rund 14,5 Milliarden Euro). RBTH sprach mit Experten über die Hintergründe.

Im Rahmen der Finanzkompetenzwoche vergangene Woche in der Krim-Stadt Sewastopol kündigte der erste stellvertretende Zentralbankvorsitzende Georgij Luntowskij für Dezember dieses Jahres eine Bargeldemission in Höhe von einer Billion Rubel (rund 14,5 Milliarden Euro) an. Die Chefin der russischen Notenbank Elwira Nabiullina begründete die Entscheidung mit der saisonal bedingten Nachfrage nach Geldscheinen – eine jährlich auftretende Erscheinung. Am 1. Oktober belief sich nach Angaben der Zentralbank das Bargeldvolumen in Russland auf über 7,7 Billionen Rubel (110 Milliarden Euro).

Der Ökonom der Finanzholding BCS Wladimir Tichomirow führt die angekündigte Ausdehnung des Volumens auf steigende Staatsausgaben zurück: „Für gewöhnlich gibt der Fiskus rund 40 Prozent des Haushalts im Dezember aus. Zudem heben Bankkunden im Vorfeld der Feiertage Bargeld reger ab als gewöhnlich.“

Eine wirtschaftspolitische Maßnahme?

Laut Elwira Nabiullina wird die Maßnahme „keine weiteren monetären Auswirkungen“ nach sich ziehen, beabsichtige der Regulator doch, die Nachfrage nach Bargeld zu berücksichtigen. Um die Erhöhung der Geldmenge – des gesamten Geldvolumens in der Wirtschaft des Landes – gehe es nicht, verkündete die zentrale Notenbank im Vorfeld.

Experten hingegen halten dies schlicht für unmöglich: „Zusätzliches Geld drucken und es in Umlauf bringen, ohne dabei die Liquidität zu erhöhen? Das geht nur, wenn Banknoten – alte Geldscheine beispielsweise – aus dem Umlauf genommen werden. Davon ist in der Mitteilung der Zentralbank aber keine Rede“, bemerkt Sergej Grigorjan, Leiter der Analyseabteilung vom Verband russischer Banken (ARB).

„Dabei geht es wohl um den Tausch von Buchgeld gegen Bargeld in Höhe von einer Billion“, vermutet Wasilij Solodkow, Direktor des Instituts für Bankwesen der Higher School of Economics. Dem stimmt der Ökonom Sergej Aleksaschenko zu: „Der Begriff ‚Gelddrucken‘ oder ‚Emission steigern‘ hat im Fachjargon der russischen Notenbank eine übertragbare Bedeutung. Denn die Zentralbank gibt zunächst immer Buchgeld frei, welches auf den Konten der Geschäftsbanken verbucht und im nächsten Schritt gegen Bargeld eingetauscht wird.“

Dabei, betont Sergej Grigorjan, könne eine Geldmengenerhöhung – was die Zentralbank als Wert M2 bezeichnet – sich für die russische Wirtschaft als durchaus förderlich erweisen. „Je mehr Geld, desto stärker die Wirtschaft. In Russland ist das Verhältnis von M2 zum Bruttoinlandsprodukt sehr niedrig.“ Auf rund 32 Billionen Rubel (457 Milliarden Euro) belaufe sich die Geldmenge in Russland bei einem BIP von 70,9 Billionen Rubel (rund eine Billion Euro) zu Jahresanfang. Zum Vergleich: In China ist dieses Verhältnis exakt umgekehrt – die Geldmasse beträgt das Doppelte des BIP.

„Die Zentralbank hält sich mit Liquiditätserhöhungen eher zurück, aus Sorge vor steigender Inflation. Studien des russischen Bankenverbands hingegen belegen, dass die Inflation in Russland keine monetäre ist, sondern durch die Preisbildung natürlicher Monopole bedingt wird“, so Grigorjan weiter.

Oder eine Unterstützung der Banken?

Einige Experten sehen andere Motive hinter der angekündigten Maßnahme. Es sei nicht der Mangel an Bargeld, sondern das Liquiditätsdefizit der Geldhäuser, meint Alexander Abramow, leitender wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Finanzsystemanalyse der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Staatsdienst. Seine Einschätzung sieht der Experte durch die statistischen Daten der russischen Notenbank bestätigt. Zu Jahresanfang habe sich die Geldbasis – also auch die Reserven der Banken – auf 11,3 Billionen Rubel (rund 161 Milliarden Euro) belaufen. Zum 1. November sei sie auf 9,7 Billionen Rubel (138,5 Milliarden) zurückgegangen.

„Bislang finanzierten die Geschäftsbanken die Erhöhungen ihrer eigenen Liquidität durch Rückkaufvereinbarungen (Vereinbarungen mit der Verpflichtung zu einem Rückkauf oder -verkauf nach einer bestimmten Frist und zu einem bestimmten Preis, Anm. d. Red.). Aufgrund erhöhter Zinssätze verzichten die Banken allerdings auf dieses Instrument“, sagt Abramow. „Damit die Geschäftsbanken über ausreichende Mittel verfügen, um Einlagen zu sichern und Kredite zu vergeben, stellt die russische Zentralbank mit ihrer Entscheidung im Grunde kostenlos Geld bereit“, erklärt der Experte.

Im März hatte die erste stellvertretende Vorsitzende der Zentralbank Ksenia Judaewa gesagt, der Regulator sehe kein Risiko einer Anheizung der Inflation durch die Geldpresse.

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