Die junge Modedesignerin aus Russland Viktoria Gasinskaja.
Getty ImagesIn London verhilft das British Council jungen Modedesignern zum Erfolg. In New York unterstützt sie der Verband der US-amerikanischen Modedesigner CFDA. In Russland hingegen gibt es keine Organisation, die Newcomern in der Fashionwelt mit Plattformen und Ressourcen unter die Arme greift. Um ihre Entwürfe zu präsentieren, müssen sich junge russische Modeschöpfer auf den Weg nach Paris machen, auf eigene Kosten und meist auf sich allein gestellt.
Viktoria Gasinskaja. Foto: Getty Images
Viktoria Gasinskaja ist diesen Weg erfolgreich gegangen. Ihr Label ist heute in den Modemetropolen der Welt bekannt. Der Durchbruch gelang ihr 2009 auf der Pariser Fashion Week. Pro Jahr investiert Gasinskaja rund eine halbe Million Euro in Marketing und Akquise. „Potenzielle Kunden und auch die Medien kommen nur nach London, Mailand, Paris und New York“, erzählt sie. „Moskau mag mit Ballett Aufsehen erregen. Bei Mode spielt die Stadt keine Rolle.“
Ihre erste Kollektion stellte Viktoria Gasinskaja 2007 vor. Damals arbeitete sie bei der russischen Ausgabe von „L’Officiel“ und war mit der Modebranche stark vernetzt. In ihrem Bekanntenkreis fand sich ein Investor: 50 000 Euro gab er der jungen Designerin. Gasinskaja nutzte das Geld effizient, insbesondere für die Präsentation: „Ich entschied mich für eine kreative Show – eine einfache Vorführung hätte nur ein Drittel gekostet. Hinzu kamen die Kosten für die Kollektion selbst: Eine Kollektion besteht heute aus 30 bis 35 Mustern“, erinnert sie sich.
Neben dieser Finanzspritze und ihrem Talent half ihr auch ein glücklicher Zufall. Gasisnkaja kam als Besucherin zur Fashion Week nach Paris und trug eine Eigenkreation. Die fiel den berühmten Bloggern Scott Schuman und Tommy Ton auf: „Gut gekleidete Menschen werden immer fotografiert. So geriet ich in den Fokus“, erzählt sie. Nur ein Jahr später präsentierte sie ihre Kollektion in Paris. Sie macht keinen Hehl daraus, dass es ohne die Unterstützung ihrer Freunde schwierig gewesen wäre. Jemand sponserte die Tickets, andere halfen mit einer Unterkunft in Paris. „Eine Moskauer Kundin gab mir 30 000 Dollar. Davon habe ich den Raum gemietet, das Nähequipment angeschafft, Schneiderinnen eingestellt“, berichtet die Designerin.
2010 hat sie das Schaufenster des Pariser Concept-Stores Colette gestaltet; vier Jahre später kehrte sie mit ihrer eigenen Kollektion aus der Zusammenarbeit mit dem Label „&OtherStories“ dorthin zurück. Heute gilt sie als eine der erfolgreichsten russischen Modedesignerinnen.
Andrei Artemow. Foto: Pressebild
„Damit das Geschäft sich lohnt, müssen mindestens vier Kollektionen pro Jahr entworfen werden“, sagt Andrei Artemow, Gründer des Labels „WalkOfShame“. Sein Debüt hatte er 2011 und erlangte bald darauf internationale Bekanntheit. Heute wird seine Mode in den Opening-Ceremony-Boutiquen in Japan und den USA verkauft – auch in London, Korea und dem Pariser Colette ist sein Label willkommen.
„Der Vorschuss, den die Abnehmer zahlen, deckt gerade so die Stoffkosten. Aber sobald das Geld ‚vernäht‘ wurde, musst du dich schon an die nächste Kollektion machen. Das reißt dir ein Loch ins Budget“, sagt Artemow. Das meiste Geld kommt aus dem eigenen Atelier durch Maßanfertigungen. Zudem arbeitet Artemow als Stylist. Seine ersten Kundinnen waren berühmte It-Girls. Sie haben seine Mode auf Events und in den sozialen Netzwerken bekannt gemacht.
Bilder auf Instagram erregten die Aufmerksamkeit der ersten internationalen Kunden: „Die erste Order kam von Opening Ceremony. Sie wollten eine Kollektion wie auf den Fotos. Damals hatten wir noch nicht einmal einen eigenen Showroom.“ Später führte Artemow seine Kollektion in Paris vor. Die Mund-zu-Mund-Propaganda und Bilder im Internet seien die beste Werbung, so der Designer. „Die Modewelt ist klein. Häufig erfährt man auf den Shows, was es Neues gibt. Dann hört man oft, in einem Hotel um die Ecke würde ein neues Label präsentiert.“
Walentin Judaschkin. Foto: Pressebild
„Mode ist in erster Linie ein Geschäft. Wenn sie nicht bloß ein Hobby oder eine Plattform ist, um berühmt zu werden“, ist Walentin Judaschkin überzeugt. Der alte Hase der russischen Modeindustrie begann seinen Weg, als die Sowjetunion zerfiel. Heute – so der Maître der Haute Couture – stünden jungen Designern alle Möglichkeiten offen, ein eigenes Geschäft zu gründen – dank Steuererleichterungen und offenem Informationszugang.
„Früher entwarfen wir Kollektionen, ohne die passenden Stoffe zu haben. Es gab nur Blumenmuster und Krepp. Wir mussten uns was einfallen lassen. Also nahm man in einem Laden schwarzen Stoff und dann wurde gefärbt, Applikationen wurden aufgenäht, damit daraus etwas Originelles entstand“, erinnert er sich. Seine erste Kollektion aus 150 Mustern entwarf Judaschkin 1987 – auf eigene Kosten. Dafür hat er damals sein Auto verkaufen müssen. Doch schon Anfang der neunziger Jahre öffnete das Modehaus Judaschkin seine Pforten. Um Geld in neue Kollektionen zu investieren, musste auch er hart in seinem Atelier arbeiten.
Auf Einladung französischer Kollegen erlebte Judaschkin 1991 seine Sternstunde auf der Haute-Couture-Woche 1991. Präsentiert wurde eine Fabergé-Kollektion – ein gemeinsames Projekt mit der gleichnamigen Marke. „Sie warben damit für ein Parfüm, für mich war es meine erste Modenschau“, erinnert sich Judaschkin. „Nach Paris fuhren wir mit der Einstellung: Wenn es denen nicht gefällt, fahren wir eben nach Polen oder Ungarn. Den Unterschied erkannten wir noch nicht. Ausland war für uns eben Ausland.“
In Judaschkins Modehaus werden heute nicht nur Kleidung und Accessoires angeboten. Der Designer hat auch eine eigene Parfümserie, entwirft Geschirr und sogar Tapeten. „Je nach Produktkategorie fällt das Gewinnverhältnis unterschiedlich aus. Eins zu fünf ist schon okay, gut ist eins zu sieben, eins zu zehn ist ideal“, erklärt der Modeschöpfer.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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