Trotz Embargo: Russen essen polnische Äpfel

Die Sanktionen und das Lebensmittel-Embargo haben in vielen Branchen die heimische Produktion stimuliert. Ausgerechnet beim Apfelanbau haben die Maßnahmen keine Wirkung gezeigt – die meisten Äpfel in russischen Supermärkten stammen aus Polen.

/ Reuters/ Reuters

Das Lebensmittel-Embargo, das mit den Sanktionen im Jahr 2014 eingeführt wurde, verschaffte russischen Herstellern einen enormen Vorteil, da sie sich mangels ausländischer Produkte auf dem heimischen Markt besser entwickeln konnten. Der Statistikbehörde Rosstat zufolge stieg die Herstellung von Käse in Russland in den vergangenen zwei Jahren um 30 Prozent, von Fleisch um elf und von Gemüse um zwölf Prozent.

Dieser Effekt des Embargos hatte jedoch keinen Einfluss auf Äpfel. Russland importiert derzeit das Dreifache der eigenen Produktionsmenge. Der Großteil kommt dabei aus dem EU-Land Polen. Nach Angaben der polnischen Zeitung „Dziennik Gazeta Prawna“ befindet sich der Import von polnischen Äpfeln auf dem Niveau vor den Sanktionen: Im Jahr 2016 betrug der Export 1,1 Millionen Tonnen, was nur ein Zehntel weniger war als im Jahr 2013. Das polnische Obst komme unter belarussischem Etikett in die russischen Supermärkte. Dabei wüssten Russland, Belarus und Polen über die Lage Bescheid, würden es aber vorziehen, „keine Fragen zu stellen“, schreibt die Zeitung.

Bleibt die Frage: Wieso kann Russland nicht selbst für ausreichend Äpfel sorgen?

Schwierige Marktbedingungen

„Verglichen mit Polen sind die Wettbewerbsbedingungen für russische Obstbauer schlecht“, sagt Pawel Grudinin, Direktor des Lenin-Sowchoses, einer der größten Landwirtschaftsbetriebe in Moskau.

„Im Ausland deckt die staatliche Unterstützung der Landwirtschaft 75 Prozent aller Kosten, in Russland nicht mehr als 15 Prozent“, erklärt Sergej Korschunow, Vorsitzender der Vereinigung für ökologischen Ackerbau, im Gespräch mit RBTH. In Polen werde die Produktion von Äpfeln vom Staat subventioniert, weshalb russische Äpfel, selbst mit der Einhaltung der polnischen Technologien, preislich nicht konkurrieren könnten, so der Experte.

Günstiger seien die Apfelkerne für den Anbau, da sie nicht im Ausland gekauft werden müssen. Der Bau von Kühlhäusern, um die Kerne keimfähig zu machen, würde zudem staatlich subventioniert, sagt Korschunow. „Bis zu 70 Prozent der Ausgaben für die technische Ausrüstung werden erstattet. Selbst der Export wird vom Staat subventioniert. All das fördert die landwirtschaftliche Heterogenität auf dem russischen Markt.“

Probleme gebe es vor allem aufgrund des Mangels an Anbauflächen und Lagereinrichtungen.

Subventionen für Anbauflächen steigen

In den letzten 20 Jahren sei die Anzahl von russischen Obstbaubetrieben um das Zehnfache zurückgegangen, sagt Korschunow. Auch wissenschaftliche Studien seien auf Eis gelegt worden. „In Russland gibt es insgesamt etwa 200 Zuchtgärten, aber nur wenige Großunternehmen auf eine Million Pächter. Das Land benötigt 15 Millionen Pächter jährlich“, fügt er hinzu.

In den letzten zwei Jahren sei die staatliche Unterstützung für den Obstanbau gestiegen. Nach Angaben der Vereinigung für ökologischen Ackerbau wurden früher etwa 300 Euro pro Hektar für herkömmliche Gärten gezahlt – heute sind es 850 Euro. Für das Anlegen von Obstgärten gab es früher 330 Euro pro Hektar – heute 3 200 Euro. Für Anbauflächen sowie die Ausrodung von alten Apfelplantagen seien die Subventionen ebenfalls erhöht worden. Nach Expertenschätzungen gibt Russland mehr als 40 Millionen Euro jährlich für die Entwicklung des Gartenbaus aus, sprich das Fünffache im Vergleich zum Jahr 2013.

Trotz einer Rentabilität von etwa 25 Prozent zögern Investoren mit einem Einstieg in dieses Geschäft. „Es dauert mindestens sechs Jahre, bis ein fruchtbringender Apfelbaum heranwächst. Deshalb ist es bei einer Finanzierung von zehn bis 15 Prozent Jahreszins schwierig, das Geld schnell wiederzuerlangen, auch wenn unsere Äpfel nicht schlechter als die polnischen sind“, erklärt Pawel Grudinin.

Die Wachstumsrate der neuen Anbauflächen stagniert durch die Ausrodung der alten. Jährlich werden in Russland etwa 14 000 Hektar neu angepflanzt. Dabei werden etwa 6 000 Hektar ausgerodet, etwa genauso viel Fläche kann nicht weitergenutzt werden.

Wohin mit den Äpfeln?

Das zweite Problem ist der Mangel an Lagermöglichkeiten. Nur große landwirtschaftliche Unternehmen können sich moderne Lager leisten. „Es braucht nicht nur eine Halle, sondern einen Raum mit besonderen Bedingungen hinsichtlich Feuchtigkeit und Temperatur. Außerdem ist ein spezielles Gas vonnöten. Das ist teuer und Russland zahlt bisher kein Geld dafür“, führt Grudinin aus.

In Russland gebe es dennoch Regionen mit Unternehmen, in denen moderne Apfelplantagen entstehen. Dazu zählen Kabardino-Balkarien, die Regionen Krasnodar und Stawropol sowie die Oblasten Belgorod und Kaliningrad. Auch dort habe man aber Probleme mit der Lagerung. Das sei der Grund, dass sie gegen die Konkurrenz nicht bestehen könnten.

Apfel-Importländer außer Polen

Nach der Einführung der russischen Gegensanktionen gegen Apfellieferanten aus dem Ausland füllte die Schweiz diese frei gewordene Nische. Nach Angaben des russischen Zolls exportierte die Schweiz im Jahr 2013 eine Tonne Äpfel nach Russland, in den Monaten August und September 2014 waren es bereits etwa 400 Tonnen. Belarus und die Türkei liefern ebenfalls Äpfel. Serbien erhöhte seinen Apfel-Export um 31 Prozent. Auch China und die Ukraine steigerten ihre Ausfuhren.

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