Informelle Wirtschaft: Immer mehr Russen arbeiten schwarz

Taxifahren gehört in Russland zu den verbreitetsten Formen von Schwarzarbeit.

Taxifahren gehört in Russland zu den verbreitetsten Formen von Schwarzarbeit.

Andrei Makhonin/TASS
Die Wirtschaftskrise und neue Onlineangebote kurbeln die Schattenwirtschaft an – immer mehr Russen verdienen sich schwarz etwas dazu. Das Problem könne nur durch eine Arbeitsmarktreform gelöst werden, meinen Experten.

Maxim Krylow verdient sein Geld mit Taxifahren. Zunächst verdiente er sich nachts nur etwas hinzu, doch nachdem Uber und Yandex.taxi den russischen Markt eroberten, machte der Moskauer das Taxifahren zum Vollzeitjob. Das war vor zwei Jahren. „Früher habe ich stundenlang auf Fahrten gewartet, heute vergeht keine Minute mehr umsonst. Pausenlos kommen neue Bestellungen rein, ich kann den ganzen Tag durch meinen Stadtteil fahren“, sagt der 26-Jährige.

Bis zu 40 000 Rubel, rund 640 Euro, in der Woche verdiene er, erzählt Krylow. Nach dem Gesetz muss er sich als Unternehmer registrieren lassen und Steuern zahlen. Doch das tut er nicht. Er spart sein Einkommen lieber für eine Hypothek. Eine offizielle Bescheinigung als Unternehmer ist für die Anmeldung in einer der Taxi-Apps als Fahrer ohnehin nicht notwendig.

Große Verluste für den Fiskus

Nach einem Bericht der Wirtschaftszeitung „RBK“, die sich auf Angaben des russischen Statistikamts Rosstat beruft, war die Beschäftigung im informellen Sektor im Jahr 2016 so hoch wie in den vergangenen zehn Jahren nicht.  

Demnach gingen 15,4 Millionen Menschen einer illegalen Tätigkeit nach – das sind 21,2 Prozent aller Arbeitnehmer. Laut Rosstat ist illegal beschäftigt, wer in einem Unternehmen arbeitet, das nicht als juristische Person registriert ist. Dazu zählen auch Selbstständige, Landwirte, Unternehmer und ihre Angestellten sowie Familienmitglieder, die Angehörigen aushelfen. Der informelle Sektor wachse seit 2011 stetig, um bislang vier Millionen Menschen, rechnet „RBK“ vor.

Die Russische Akademie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst geht noch von weit höheren Zahlen aus: Ihren Schätzungen zufolge arbeiten 30 Millionen Menschen und damit mehr als 40 Prozent aller Arbeitnehmer schwarz. Die Experten gehen davon aus, dass 21,7 Millionen Beschäftigte ihre offizielle Arbeit mit unangemeldeten Tätigkeiten kombinieren oder einen Teil des Gehalts inoffiziell „in Umschlägen“ erhalten. Das russische Finanzministerium schätzt die Höhe der informellen Einkommen insgesamt auf zwölf Trillionen Rubel, rund 180 Milliarden Euro – das entspricht zehn bis 13 Prozent des russischen Bruttoinlandsprodukts.

Eine neue Klasse für Selbstständige

Der Grund für den Anstieg der Schwarzarbeit sei eine Kombination von sinkenden Reallöhnen und höherer steuerlicher Belastung, sagt Sergej Hestanow, Professor für Finanzen und Bankenwesen an der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst. „Trotz der Tatsache, dass die Einkommensteuer in Russland 13 Prozent beträgt, liegt die Steuerlast ungleich höher bei mehr als 30 Prozent. Das führt zu mehr Schwarzarbeit“, erklärt Hestanow.

Zurzeit sei das noch unproblematisch, meint der Finanzexperte. Tatsächlich sei eine illegale Beschäftigung besser als ein Anstieg der Arbeitslosigkeit. „Aber in der Zukunft kann die Rentenkasse darunter leiden. Das ist natürlich nicht wünschenswert“, fügt der Wissenschaftler hinzu.

Der informelle Sektor wachse nicht nur wegen der Wirtschaftskrise, bemerkt Alexei Gidirim, Mitgründer der Online-Jobbörse YouDo. „Neue Möglichkeiten der Internetnutzung sowie Cloud- und Mobiltechnologien tragen zur Entwicklung der Schattenwirtschaft bei“, erklärt der Internet-Experte.

Auf der Plattform YouDo, die derzeit rund 300 000 registrierte Benutzer hat, würden sich allein in Moskau und Sankt Petersburg jeden Monat 40 000 Selbstständige anmelden, die nach einer Arbeit oder einen Nebenjob suchen. Bis Ende des Jahres werde sich diese Zahl noch verdoppeln, glaubt Unternehmenschef Gidirim.

„Die Menschen versuchen, ihr Einkommensniveau auch während der Wirtschaftskrise zu halten. Die offiziellen Vorgaben rücken dabei in den Hintergrund“, sagt der Experte. Dabei könnten die Selbstständigen zu einen echten Wirtschaftsmotor werden, würden sie den informellen Sektor verlassen, ist Gidirim überzeugt. „Ohne eine Reform des Arbeitsmarktes ist das aber nicht möglich. Unter anderem muss eine neue Kategorie der Beschäftigten mit klaren Rechten und Pflichten eingeführt werden – die der Selbstständigen“, fordert der Unternehmer.

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