/ Alexei Danichev/RIA Novosti
Eines haben Landwirtschaft und Tourismus in Russland definitiv gemeinsam: Beide Wirtschaftszweige haben sich von hoffnungslosen Fällen zu Wachstumsmotoren entwickelt. Jedes Jahr steigt die Zahl ausländischer Touristen um fünf bis zehn Prozent, wie der Verband russischer Reiseanbieter jüngst ausrechnete. Von diesem Aufschwung profitiert auch das Land, denn bei einem Angebot kreuzen sich die Wege der beiden Industrien: dem Urlaub auf dem Bauernhof.
Russlands Regierung sagt diesem Sektor eine große Zukunft voraus: „Das Marktvolumen im Landtourismus wird bis 2030 unseren Berechnungen zufolge auf über 50 Milliarden Rubel (794 Millionen Euro, Anm. d. Red.) pro Jahr ansteigen“, sagt Russlands ehemalige Landwirtschaftsministerin Jelena Skrynnik im Gespräch mit RBTH. Neue Möglichkeiten also für die russischen Bauern: „In den kommenden zehn bis 15 Jahren werden Umsätze aus dem Landtourismus bis zu zehn Prozent der Gesamteinnahmen unserer Landwirte ausmachen“, rechnet Skrynnik vor. Die Ex-Ministerin hat unlängst ein Konzept zur Förderung des Landurlaubs in Russland vorgestellt.
Derzeit würden elf russische Regionen in die Entwicklung des Landtourismus investieren. Der Anteil dieses Segments an der gesamten Reisebranche liegt bislang aber nur bei zwei Prozent, wie das Landwirtschaftsministerium erklärt.
Moskau und Sankt Petersburg stehen bei ausländischen Reisenden ohnehin hoch im Kurs. Traditionell sind auch die Städte des Goldenen Rings, die sich im Umkreis von 400 Kilometern um die Hauptstadt befinden, bei Ausländern sehr beliebt. Oftmals tauchen Urlauber kopfüber in die russische Kultur ein, wenn sie den Goldenen Ring bereisen. Dafür gibt es All-Inclusive-Pakete, die auch ein paar Tage Erholung auf einem Bauernhof beinhalten.
„Ländliche Gasthäuser in Russland waren von Anbeginn für ausländische Touristen gedacht, um das russische Dorfleben als Bilderbuchidylle vorzustellen. Sie waren von Beginn an Teil aller beliebten Routen, etwa des Goldenen Rings“, sagt Alexander Iljin, Geschäftsführer von Fly2Fly, einem russischen Reiseanbieter.
Kosten für eine Übernachtung variieren zwischen 30 und 385 Euro pro Nacht – Vollpension, Ausflüge, Feldarbeit und viele andere Extras inklusive. Im Schnitt bezahlen Urlauber für eine Woche Landleben in Russland 305 bis 460 Euro.
Im Süden Sibiriens und in Russlands Fernem Osten sind Chinesen die häufigsten Gäste auf den Landhöfen. „Die Chinesen sind sehr neugierig. Wenn sie hören, dass sie einige Tage wie ein Übersiedler nach Sibirien aus dem 19. Jahrhundert verbringen können, sind sie sofort interessiert“, sagt Nikolai Kim, Inhaber einer Reiseagentur.
„Statt einem besonderen Extra unseres Landhotels bieten wir unseren Gästen eine große Serviceauswahl: Tiere, Fotosessions, Betriebsfeiern, und so weiter“, sagt Schanna Teterina. Eigentlich lehrt die Unternehmerin Englisch an einer Universität. Jetzt betreibt sie auch noch die „Ökofarm Ryschewo“. Angefangen hat sie mit einem Haus in einem Dorf. Nach nur zwei Jahren habe sich das Projekt rentiert.
Das größte Problem für russische Bauern – ob sie nun Rinder züchten oder einen Gasthof betreiben – ist die teure Finanzierung.
„Alles hat seine Vor- und Nachteile. In Russland ist die Lage so, dass es eine große Nachfrage gibt. Den Unternehmern fehlen aber die Möglichkeiten, ein Geschäft aufzubauen – wegen der unerschwinglichen Kredite“, sagt der britische Unternehmer John Kopiski. Er betreibt einen Ökohof für Landurlauber in der Oblast Wladimir. „Wir konnten unser Erholungshof erst starten, nachdem wir ein vom Aussterben bedrohtes Dorf in einen Ort verwandelt hatten, an dem Menschen leben und arbeiten wollen“, erklärt er sein Erfolgsrezept.
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