Mit der Erholung der russischen Wirtschaft beginnen auch ausländische Investoren wieder, sich für den russischen Markt zu interessieren und dort tätig zu werden. Laut dem Russischen Steuerdienst ist die Anzahl der Unternehmer in Russland gegenüber dem Vorjahr um 16.000 auf 336.000 gestiegen. Im Gegenzug versuchen auch russische Unternehmen wieder, ihr Glück in West- und Mitteleuropa zu finden.
“Momentan eröffnen viele russische Firmen Niederlassungen in Europa. Die beliebtesten Standorte sind Deutschland, Spanien, Italien und Tschechien“, erklärt Pawel Butenko, Direktor für Marketing, Innovation und Vertrieb bei der Moskauer Versicherungsfirma INTOUCH. Die meisten russischen Firmen seien kleine oder mittelständische Betriebe, die von Auslandsrussen geführt würden.
Die Unternehmensgründung in Europa sei freilich nicht einfach, die Steuern seien hoch und es gebe viele administrative Barrieren. Im Gegenzug biete Europa mehr Schutz für Privateigentum und mehr Transparenz. „Eine Unternehmensgründung in Europa verspricht zwar oft geringere Profite als in Russland, aber dafür ist das Risiko auch geringer“, fasst Butenko zusammen.
Mit Beginn der Wirtschaftskrise in Russland versuchten viele Unternehmer ihre Firma ins Ausland zu verlegen. In Berlin gab es sogar ein Forum, in dem russischen Geschäftsleuten die rechtlichen Rahmenbedingungen einer Unternehmensgründung in Europa erklärt wurden. Noch im letzten Mai berichtete die Wirtschaftszeitung RBC, dass Betriebe ihre Produktion nach China, Indien und Europa verlegten, entweder um Kosten zu sparen oder um sich ein Standbein auf dem lokalen Markt zu schaffen. Die Manager behaupteten, es sei oft billiger ein Gut im Ausland zu produzieren und es dann zurück nach Russland zu exportieren.
„Natürlich würden wir gerne in Russland produzieren, aber wir finden hier kaum Unterstützung. In Europa können wir uns schneller und effektiver entwickeln“, sagt Ewald Alijew, Manager bei Prodgreen, einer Firma die Diät-Fertignahrung herstellt.
Die meisten Auslandsrussen werden in der Gastronomie oder im Tourismus tätig. Oft sind solche Firmen vergleichsweise klein und haben einen russischen Charakter. Russische Restaurants und Cafés, Lebensmittelläden oder russischsprachige Touristenführer und Übersetzer finden sich nicht nur in Europa, sondern auch in asiatischen Ländern mit hohem russischen Touristenaufkommen. Konstantin Pinajew, ehemaliger Unternehmensberater in London, gründete beispielsweise eine Firma, die russischsprachige Stadtführungen durch die britische Metropole anbietet.
Russische Fast-Food-Kette Teremok in New York City
PressebildAndere Unternehmen sprechen hingegen auch Nichtrussen an. Die bekannte Caféhauskette Ziferblat befindet sich beispielsweise inzwischen auch in London und New York. In Barcelona nutzte die Firma „Lock-Clock: Escape Room Barcelona“ den Trend zu interaktiven Abenteuern. Besitzerin Alsu Kairutinowa sagt: „In Moskau kann man, wenn man will, innerhalb von einer Nacht ein Unternehmen gründen. In Barcelona ist das unmöglich. Andererseits sind die Regeln in Spanien klar und fair, weswegen man leichter arbeiten kann. In Russland kann man sehr schnell aufsteigen, aber auch sehr schnell alles verlieren. Hier entwickeln sich Unternehmen langsam aber stetig. Das Interesse und Vertrauen der Kunden wird eher nach und nach gewonnen.“
Ferner existieren Joint Ventures zwischen kleinen russischen Start-Ups und großen IT-Firmen. „Modernste Technologie hat immer ein hohes Potential für die Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern“ sagt Pavel Sigal, Vizepräsident von Opora Rossij, einer Vereinigung kleiner und mittelständischer russischer Unternehmen.
„Ausländische Investoren bieten wertvolle technologische Expertise und machen eine Firma für hochqualifizierte Arbeitnehmer attraktiv. Das gilt für alle Branchen vom Retail-Bereich bis zum Online-Handel“, sagt Sigal gegenüber Russia Beyond.
Ein Beispiel für ein solches Joint Venture ist Cloudike, eine Cloud-Technologie, die 2013 von russischen IT-Experten entwickelt wurde. Gemeinsam mit dem südkoreanischen Partner Sung Ung Lee, der rund eine Million US-Dollar in Cloudike investierte, gelang es, die Technologie zu exportieren. So fand man weitere Partner, darunter Vodafone Türkei, den indonesischen Mobilfunkanbieter Indosat und den türkischen Elektronikhersteller Vestel. Inzwischen arbeitet Cloudike in Mexiko, der Türkei, Indonesien und Südkorea.
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