Körpersprache: Diese Software kann Verdächtige überführen

Auch Gangart, Körpergröße und Kleidung werden analysiert.

Auch Gangart, Körpergröße und Kleidung werden analysiert.

Konstantin Chalabov/RIA Novosti
Eine neue Software kann mögliche Verbrechen verhindern – indem sie die Körpersprache von Menschen analysiert. Dabei beobachtet sie Verdachtspersonen in großen Menschenmengen und bewertet ihr Verhalten. Wer sich ungewöhnlich verhält, ist im Visier.

Spezialisten des Labors für Datenanalyse an der Nationalen Universität für Nuklearforschung Mephi in Moskau haben ein Computerprogramm entwickelt, das auffälliges menschliches Verhalten identifizieren kann. Das Programm hat viele potenzielle Anwendungsmöglichkeiten, beispielsweise kann es Verbrecher in Menschenmengen ausfindig machen.

„Es ist häufig so, dass auf Videoaufnahmen einige Tage vor einem Terroranschlag die Täter zu sehen sind“, sagt Wadim Danschin, Projektleiter und Mitarbeiter des Instituts für intelligente Cybersysteme der Hochschule. „Solche Leute unterscheiden sich von den anderen durch ihr Verhalten: Sie passen sich nicht der Geschwindigkeit ihrer Umgebung an, sondern laufen langsamer, weil sie nach Videokameras suchen, die Gegend analysieren oder die Sicherheitskräfte beobachten“, erklärt Danschin.  

Erstellen eines Bewegungsprofils

Bisher wurde diese Technologie nur in Infrarotkameras eingesetzt. Entwickler aus Russland passten sie an konventionelle Webkameras und Smartphones an. Die Kamera kann dabei beliebig platziert werden. Der Installationswinkel wird von dem Programm berücksichtigt und kann so anschließend die Bewegungskurve der Zielperson automatisch berechnen.

Der Algorithmus braucht nur die Aufnahme eines sich bewegenden Menschen vor einem starren Hintergrund und schon identifiziert er die Koordinaten für Kopf, Beine, Ellbogen und Knien der Person. Die Daten, wie sich die einzelnen Körperteile bewegen, werden gesammelt – 30 Mal pro Sekunde aktualisiert das Programm diese Koordinaten. Anschließend erstellt die Software ein 3-D-Model, das sich gleichzeitig mit der aufgezeichneten Person bewegt.

„Diese Informationen braucht man, um die Winkeländerungen der menschlichen Gelenke statistisch zu erfassen. Damit können wir dem Programm erklären, wodurch sich eine normale Handbewegung von einer beim Schlagen oder Klauen unterscheidet“, erklärt Danschin.   

Monitoring zur Gefahrenabwehr

Mit diesem Algorithmus kann eine Person in einer Menschenmenge nach ihrer Gangart, Körperstatur oder ihrer getragenen Kleidung identifiziert werden. 

„Je weiter man von der Kamera entfernt steht, desto schlechter können die visuellen Systeme das Gesicht erfassen. Unser Ansatz ermöglicht, weitere Erkennungsmerkmale wie Kleidung zur Identifikation hinzuzuziehen. Man kann zum Beispiel eine Armbanduhr nehmen und dem Gesicht ihres Besitzers zuordnen“, erläutert Wadim Danschin. 

Derzeit analysieren die russischen Entwickler mithilfe der Software Aufnahmen von Fußballfans bei Spielen in Deutschland. Ihr Ziel: gefährliche Situationen verhindern, indem die Körpersprache der Fußballfans in Sichtreichweite der Kamera analysiert wird. Ein weiteres Projekt, das in Kanada durchgeführt wird, widmet sich der Erkennung verschiedener Verhaltensarten von Krankenhauspatienten.

„Konventionelle Kameras nehmen alles auf und später muss ein Mensch die Aufnahmen sichten und analysieren. Visuelle Systeme können diesen Prozess automatisieren, indem sie komplexe Aufgaben wie die Herauslösung einer Person aus einer Menschenmenge, die Einordnung ihres Verhaltens und anschließend die Feststellung von Auffälligkeiten übernehmen“, sagt Danschin.

Algorithmen bald überall?

Mit dem Algorithmus könnte den Entwicklern zufolge auch Personal in gefährlichen oder lebensrettenden Berufen wie Sondereinsatzkräfte, Feuerwehrleute oder Chirurgen trainiert werden. Die Simulatoren messen die Reaktionszeit von Mitarbeitern in Notfallsituationen und helfen somit, die Effizienz ihres Handelns zu verbessern.

Und auch für andere Bereiche könnte die Software interessant sein, beispielsweise für die Werbeindustrie. So kann das Programm berechnen, wie lange jemand vor einem Schaufenster steht und dementsprechend das Interesse der Person an konkreten Waren beurteilen. Damit könnte Werbung stärker personalisiert werden.

IT-Wissenschaftler Ben Usman hält ähnliche Algorithmen darüber hinaus in der Autoindustrie für denkbar – etwa in der Elektroniksteuerung von Autos: „Man könnte das Verhalten von Fußgängern voraussagen.“ Doch diese Videoaufnahmen sind leicht durch den Einfall des Sonnenlichts oder die Qualität der Kamera zu beeinflussen. „ Ein störungsfreies System zu entwickeln, ist keine leichte Aufgabe“, sagt Usman.

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