Ein Umzug in ein neues Land sowie die Anpassung an ein neues Studienumfeld sind niemals leicht, doch der russische Hochschulapparat ist eine besonders harte Nuss, die es zu knacken gilt. Auch wenn es um internationale Freundschaften geht, ist Russland nicht das weltoffene Amsterdam.
Für die meisten russischen Universitäten sind ausländische Studenten immer noch ein relativ neues Phänomen. Da immer mehr Länder auf der ganzen Welt Studienprogramme im Ausland mit Russland anbieten, werden die Universitäten zwar immer internationaler, dennoch gestaltet sich das Universitätsleben überwiegend russisch.
Russia Beyond hat im Folgenden einige der häufigsten Kulturschocks, mit denen ausländische Studenten in Russland konfrontiert sind, aufgelistet und hat ein paar Tipps parat, wie man sie überwindet.
Der erste Kulturschock, den jeder Ausländer in Russland erlebt, ist die Tatsache, dass verhältnismäßig wenige Menschen Englisch sprechen. Sogar Leute, die im internationalen Studentenbüro arbeiten, haben an der einen oder anderen russischen Universität nur sehr eingeschränkte englische Sprachkenntnisse.
Wenn Sie, wie viele der Austauschstudenten, die nach Russland kommen, noch kein Russisch sprechen oder Ihr Wissen nur aus wenigen Stichwörtern und Phrasen besteht, könnte die Sprachbarriere eine große Herausforderung für Sie sein. Lassen Sie sich davon jedoch nicht entmutigen.
Stattdessen sollten Sie versuchen, jemanden zu finden, vorzugsweise einen russischen Kommilitonen, der Ihnen bei der Eingewöhnung hilft und Sie bei allen wichtigen Schritten begleitet, die Sie nach Ihrer Ankunft bewältigen müssen.
Wenn Sie niemanden kennen, der Ihnen helfen könnte, sollten Sie überprüfen, ob Ihre Universität über eine Zweigstelle des Erasmus-Netzwerks oder eine ähnliche Studentenvereinigung besitzt, die sich um internationale Studenten kümmert.
Als Li, ein chinesischer Masterstudent des Studiengangs Public Policy, zum ersten Mal nach Moskau kam, kannte er zum Beispiel kein einziges russisches Wort. Nach einem Monat hatte er ein paar einfache Wörter und Sätze gelernt, meint aber, dass der Schlüssel zum Erfolg für ihn im Folgenden lag: „Vielleicht hört sich das ein wenig grausam an, doch wenn Leute mich nicht verstanden, habe ich solange auf Englisch weitergesprochen, bis sie mich entweder in Ruhe ließen oder Englisch mit mir sprachen.“
Wenn alle Stricke reißen, können Sie auch auf eine Übersetzungs-App zurückgreifen oder sich in Pantomime üben.
Die Sowjetunion war unter anderem für ihre langwierigen bürokratischen Verfahren bekannt – von den lästigen Formularen bis hin zu den endlosen Warteschlangen und unfreundlichen Beamten. Dieses Kapitel der russischen Geschichte könnte längst zu Russlands Vergangenheit gehören, aber leider hat sich an der bürokratischen Maschinerie des Landes bisher wenig geändert.
In der Tat werden Ihre ersten paar Wochen in Russland wahrscheinlich einer Schnitzeljagd gleichen, bei der Sie mit dem endlosen Ausfüllen von Formularen und hin- und herlaufen zwischen verschiedenen Verwaltungsstellen der Universität und Ämtern beschäftigt sein werden. Der einzige Preis nach erfolgreicher Aufgabenerfüllung wird für Sie die Ehre sein, 17 verschiedene kleine Zettel in Ihrem Geldbeutel tragen zu dürfen, die alle äußerst wichtig für Ihren Aufenthalt im Land sind.
Daria, eine bulgarische Jurastudentin an der Lomonossow-Universität Moskau, die seit über fünf Jahren in Russland lebt, hat aber immer noch Probleme mit der russischen Bürokratie. „Es gibt einfach kein Entkommen, es gibt immer eine Bescheinigung, die man braucht, oder anderen Papierkram, der unterschrieben werden muss; alles dauert immer viel länger, als nötig.“
Sich mit all dem befassen zu müssen, könnte Sie dazu bringen, den ersten Flug nach Hause buchen zu wollen, doch keine Panik: Es klingt viel schlimmer, als es in Wirklichkeit ist. Der Schlüssel, um alle Ihre Unterlagen in Ordnung zu bringen, liegt darin, sich in Geduld zu üben, die Termine und Büroöffnungszeiten im Auge zu behalten und vor allem früh da zu sein.
Ein letzter Ratschlag: Sobald Sie all Ihre Unterlagen erhalten und ausgefüllt haben, sollten Sie sie nicht verlieren, denn alles wieder neu zu beantragen, wird garantiert doppelt so wehtun.
Wenn manche Ausländer behaupten, dass Russland ein kaltes Land sei, beziehen sie sich meist nicht nur auf die rauen sibirischen Wetterverhältnisse. Schließlich hat sich Russland in der Kategorie der „unfreundlichsten Länder der Welt“ in den letzten Jahren eine der Spitzenpositionen gesichert und wird oftmals dafür kritisiert.
Für Rachel, eine amerikanische Austauschstudentin an der Moskauer Hochschule für Wirtschaftswissenschaften, war das im Vergleich zu ihrem Heimatland einer der größten kulturellen Unterschiede: „Als ich nach Russland kam, wusste ich bereits, dass die Leute zunächst nicht so warmherzig oder gesprächig sein würden, wie die Amerikaner“, sagt sie, „doch die Tatsache, dass sich die Leute niemals entschuldigen, wenn sie einen auf der Straße anrempeln, war für mich sehr seltsam!“
In der Tat wird es schwer sein, bestimmte Tendenzen bei Ihren ersten Begegnungen mit russischen Studenten nicht wahrzunehmen: Niemand grüßt oder lächelt Sie auf dem Universitätsflur an, niemand führt Smalltalk im Unterricht und auch auf Feiern halten sich die Meisten an ihren engeren Freundeskreis…
„Die Russen wirken zunächst hoffnungslos kühl und die Stereotypen, die wir im Westen haben, tragen definitiv zu diesem Ruf bei“, sagt Boris, ein französisch-serbischer Student, der in Sankt Petersburg studiert. Dennoch handelt es sich, obwohl all diese Klischees auf den ersten Blick als gerechtfertigt scheinen, dabei lediglich um eine Fassade. Im Laufe seiner turbulenten Geschichte hat das russische Volk gelernt, sich vor Fremden zu hüten, deshalb sieht man die Menschen dort selten lächeln oder in Gespräche mit fremden Passanten auf der Straße verwickelt. Es ist jedoch nicht so, dass die Russen kalt oder unhöflich sind, sie sind einfach ein wenig misstrauisch.
Es mag daher für einen Ausländer zunächst schwierig sein, neue Freundschaften und Kontakte zu knüpfen, dennoch ist es die zusätzliche Anstrengung auf jeden Fall wert, meinen sowohl Rachel und Boris. „In gewisser Weise ist es eine spannende Herausforderung, das Eis zu brechen“, sagt Boris. „Hat man einen Russen einmal dazu gebracht, sich zu öffnen, hat man einen Freund fürs Leben gefunden.“
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