Die Teams der Partnergemeinden Nowoje Dewjatkino (rechts) und Michendorf (links) einigen sich auf eigene Fairplay-Regeln.
Peggy LohseMiteinander statt gegeneinander zu spielen, ist die Devise an dem überraschend sonnig-heißen Samstag im sogenannten Dorf (praktisch eher einer Neubaublock-Schlafstadt) Nowoje Dewjatkino vor den Toren Sankt Petersburgs. In der einzigen örtlichen Schule wird im Straßenfußball eine eigene kleine WM für die knapp 100 russischen und deutschen Teilnehmer gespielt.
Einsatz für den Sieg und Fairplay schließen sich nicht aus.
Peggy LohseSeit dem zweiten WM-Tag am 15. Juni reisen insgesamt über 30 deutsche und russische Jugendliche mit ihren Organisatoren von der Brandenburgischen Sportjugend im Landessportbund Brandenburg e.V., dem Deutsch-Russischen Forum und dem Deutschen Fußballbund durch die drei russischen WM-Städte Sankt Petersburg, Rostow und Sotschi.
Zum Abschluss jedes Spiels präsentieren die zwei Teams zusammen eine gemeinsame kleine "Tradition". Hier: Bockspringen.
Peggy LohseIn jeder Stadt wird ein solches Straßenfußball-Turnier wie in Nowoje Dewjatkino veranstaltet. Ab Rostow dann hoffentlich auch mit den eigens nach Russland entsandten Courts, Preisen und Trikots. Die haben es nach Nowoje Dewjatkino nicht rechtzeitig über die Grenze geschafft.
Einige Teilnehmer konnten auch zwischen Russisch und Deutsch übersetzen. Wenn nicht, half eben Englisch aus. Hauptsache, das Gespräch läuft.
Peggy Lohse30 Teams mit je drei bis vier Spielern treten zwar gegeneinander an, stellen jedoch zuvor zusammen zusätzliche Fairness-Regeln auf, die die Spieler auch im Kampf um Ball und Tore immer wieder ans Fairplay erinnern sollen. Statt Schiedsrichter gibt es Teamer. Wo es an der deutsch-russischen oder russisch-deutschen Übersetzung hakt, hilft Englisch aus. Anfängliche Berührungsängste und Zweifel sind schnell weggetrippelt.
Diese zwei Teams entschieden sich direkt beim ersten Demonstrationsspiel für ein gemeinsames Ruderboot am Spielende.
Peggy LohseAuch Mädchen werden beim Straßenfußball für Toleranz aktiv einbezogen: Jedes Team braucht eine Spielerin, „Mädchen-Tore“ zählen doppelt. So sitzen die Damen hier nur selten auf der Auswechselbank. Viele von ihnen spielen auch selbst im Verein. Kim zum Beispiel ist mit ihrer Freundin und Vereinskollegin aus Düsseldorf zu den Fußballbrücken gekommen. Als die Gäste noch durch die Schule geführt werden, denken die beiden schon ans bevorstehende Turnier. Doch davor kommt noch das Mittagessen – klassischer Salat, russischer Borschtsch, überbackenes Schnitzel und ein kleines Geständnis: „Ich habe zuhause einen russischen Freund, der kocht oft russisch für mich. Es ist lecker, aber ich selbst kann das nicht kochen“, sagt Kim, die nun selbst zum ersten Mal in Russland ist und die Heimat ihres Freundes erkundet.
Mädchen bleiben beim Straßenfußball nicht außen vor. Im Gegenteil: Zeit zum Ausruhen ist nur wenig.
Peggy LohseNeben den Punkten für Sieg (3), Gleichstand (2) und Niederlage (1) werden auch Fairplay-Punkte vergeben. Der Tore-Entstand besagt dann: Deutschland – bestehend aus russischen SpielerInnen – erreicht nur Platz zwei. Der Sieger ist Team Iran, auf den dritten Platz hat es Team Belgien geschafft. Außerdem wird ein extra großer Fairplay-Pokal vergeben. Dieser ging hier an das Team Australien.
Den größten Pokal gibt es für die fairste Mannschaft. Preise und kleinere Cups für alle auf dem Siegertreppchen.
Peggy LohseDie Jugendlichen erfahren auf ihrer Fußballbrückenreise unterwegs auch Vieles über den diesjährigen WM-Gastgeber. Sankt Petersburg hat sie schon einmal begeistert: Die berühmte russische Gastfreundschaft, leckeres Essen, beeindruckende Architektur und – auch dank der WM – reibungslos funktionierende Infrastruktur haben bei den Gästen einen guten Eindruck hinterlassen. Nur das 0:1 Deutschlands gegen Mexiko beim Public Viewing hat einen leicht bitteren Nachgeschmack hinterlassen.
Der Deutschlandbär ging an den jüngsten Turnierteilnehmer.
Peggy Lohse„Sankt Petersburg war traumhaft schön! Ich bin total begeistert. Die Menschen sind so offen, bestimmt auch durch die WM und die vielen Fans hier“, rekapituliert Florian, der über seinen Onkel Uwe Koch, Referent für Soziale Projekte bei der Brandenburgischen Sportjugend im Landessportbund Brandenburg und Organisator der Fußballbrücken, zum Projekt kam. Die Fußballbrücken-Teilnehmer besuchten in Sankt Petersburg die Olympische Schachschule, die Staatliche Eremitage, genossen bei einer Bootsfahrt durch die Innenstadt-Kanäle die einmalige historische Altstadt und am Abend nach dem Turnier sogar noch die beginnenden Weißen Nächte sowie die Öffnung der Zugbrücken über die Newa.
Verschwitzt, ausgepowert, aber glücklich: die über 100 Teilnehmer nach dem ersten Fußballbrücken-Straßenfußball-Turnier in Nowoje Dewjatkino
Peggy Lohse„Das hier ist eben ein echtes Abenteuer“, ist sich ein Mädchenabteil am Sonntagabend einig. Noch nie seien sie in so einem Nachtzug gefahren. Sie sind auch zum ersten Mal in Russland. Und nun geht es schon im neuen, schicken Doppelstockwagen weiter nach Moskau, wo sie Kreml, GUM und eine weitere Zugfahrt nach Rostow am Don und später weiter nach Sotschi erwartet.
"Ein Team". Ein Teil des Orga-Teams bei der Bootsfahrt auf der Newa: Uwe Koch, Markus Penke, Irina Klassen und Victoria Arbuzova (v.l.n.r.)
Peggy LohseZum Begleitprogramm gehören hier nicht nur Stadtrundfahrten, sondern auch ein Besuch im Ferienlager „Orljonok“ am Schwarzen Meer und eine Kranzniederlegung anlässlich des Jahrestages des Überfalls Hitlerdeutschlands auf die Sowjetunion am 22.Juni 1941 sowie ein symbolisches Freundschaftsspiel zwischen Funktionären und Projektteilnehmern aus Deutschland und Russland. Bis zum 27. Juni werden die Deutsch-Russischen Fußballbrücken noch im Russland unterwegs sein und auf und jenseits des Fußballfeldes für Toleranz und Austausch zwischen ihren Ländern werben.
Beim Einzug in den russischen Doppelstockzug nach Moskau. Weiter geht's dann nach Rostow/Don und Sotschi.
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