Elegant und praktisch: Sieben deutsche Architektur-Perlen in Russland

View at Moscow Kremlin

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Alexander Novikov/Global Look Press
Bis heute bauen viele ausländische Architekten beeindruckende Gebäude in Russland. Angefangen hat dieser Trend einst im 18. Jahrhundert unter Peter dem Großen. Und seitdem kamen auch immer wieder deutsche Baumeister.

Nachdem Peter der Große zum Auf- und später Ausbau seiner neuen Hauptstadt an der Newa viele Fachkräfte - darunter vor allem auch Architekten - aus Westeuropa nach Russland geholt hatte, tobten diese sich in dem großen Zarenreich regelrecht aus. Später zog auch die neue Städtebau-Strategie der Sowjetunion deutsche Architekten nach Russland. Bis heute stammen viele berühmte Bauwerke und heutige Sehenswürdigkeiten von ihnen.

Steinestapeln für den Zaren

1. Schechtel: Jaroslawler Bahnhof, Moskau

Ein Postkartengruß vom Jaroslawler Bahnhof kurz nach dem Umbau des Eingangsbereiches. / WikipediaEin Postkartengruß vom Jaroslawler Bahnhof kurz nach dem Umbau des Eingangsbereiches. / Wikipedia

Der berühmte Jugenstil-Architekt Franz Albert Schechtel, in Moskau geboren, aber deutscher Abstammung, hat seiner Heimatstadt über 40 bunte und verspielte Gebäude geschenkt. Dazu gehört neben der auffälligen Morosow-Villa in Arbatnähe auch die ausgefallene Eingangshalle des Jaroslawler Bahnhof im Jugendstil. Um die Eingangstore herum ranken sich Pflanzen und Blüten bis in ein grün-braunes Mosaik hinein.

Anfang des 20. Jahrhunderts durfte Schlechtel den vorderen Bereich des 1862 errichteten Bahnhofs umbauen. Er ist einer der ältesten Bahnhöfe Europas und bis heute ein bedeutender Verkehrsknotenpunkt. Wenn Sie sich auf eine Transsib-Reise aufmachen, kommen Sie hier vorbei, denn die Linienzüge nach Wladiwostok und Peking starten an diesem Bahnhof.

Jaroslawler Bahnhof in Moskau bei Nacht / Raita Futo/flickrJaroslawler Bahnhof in Moskau bei Nacht / Raita Futo/flickr

2. Thon: Kremlpalast und Christ-Erlöser-Kathedrale, Moskau

Der Kremlpalast über der Moskwa / Peggy LohseDer Kremlpalast über der Moskwa / Peggy Lohse

Auch der schillernde Kremlpalast hoch über der Moskwa hatte einen deutschstämmigen Schöpfer: Konstantin Thon stammte aus einer deutschen Familie in Sankt Petersburg und arbeitete als Architekt im Auftrag des Zaren Nikolaus I. Von ihm stammten im 19. Jahrhundert die Pläne für den Kremlpalast, die Christ-Erlöser-Kathedrale und viele weitere heute als Sehenswürdigkeiten bedeutende Bauwerke in Moskau, Sankt Petersburg sowie bis ins sibirische Krasnojarsk.

Christ-Erlöser-Kathedrale / Peggy LohseChrist-Erlöser-Kathedrale / Peggy Lohse

3. Schlüter: Großer Palast Peterhof

Der Große Palast in Peterhof / ufficio stampaDer Große Palast in Peterhof / ufficio stampa

Andreas Schlüter war ursprünglich preußischer Baumeister unter Kurfürst Friedrich III. Nachdem jedoch ein von ihm projektierter Prunkbau, ein neuer mindestens 60 Meter hoher Turm, wackelte und Gerüste auf Bauarbeiter fallen ließ sowie ein Landsitz des Königs in dessen Anwesenheit buchstäblich im Sande verlief, fiel er in Ungnade und schlug sich jahrelang dürftig durch.

Letztlich reiste er nach Russland und trat seinen Dienst am Hofe des Zaren Peter des Großen an. Er leitete dann die Abschlussarbeiten zur Vollendung der Fassade des Großen Palastes in Peterhof, der Sommerresidenz der Zarenfamilie. Auch der Entwurf für das sagenumwobene Bernsteinzimmer stammte von Schlüter.

4. Schröter: Mariinski-Theater, Sankt Petersburg

Das Petersburger Mariinski-Theater: links der alte Bau, rechts der neue Anbau / Zamir Usmanov/Global Look PressDas Petersburger Mariinski-Theater: links der alte Bau, rechts der neue Anbau / Zamir Usmanov/Global Look Press

Victor Schröter stammte aus einer baltisch-deutschen Familie, besuchte die Petersburger Petri-Schule und studierte dann an der Berliner Kunstakademie. Nach seiner Rückkehr nach Sankt Petersburg trat er bald in die Dienste des Zaren und wurde dessen Hauptarchitekt für Theaterbauten. Für diese ist er bis heute berühmt: Von ihm stammen unter anderem die Nationaloper in Kiew, die Stadttheater in Irkutsk und Nischnij Nowgorod sowie der Neubau des Petersburger Mariinski-Theaters nach einem Brand Ende des 18. Jahrhunderts. Seine Nachfahren arbeiten bis heute als Architekten in Sankt Petersburg.

5. Schmidt: Rote Mietskasernen und Bürgerhäuser

Das Geschäfts- und Wohnhaus der Familie Fabergé in Sankt Petersburg, 1910 / Archive PhotoDas Geschäfts- und Wohnhaus der Familie Fabergé in Sankt Petersburg, 1910 / Archive Photo

Carl Schmidt, in Sankt Petersburg in einer norddeutschen Familie geboren, setzte in Russland den Grundstein für die sogenannte Ziegelmoderne und verband einerseits pragmatische, andererseits ästhetische Ansprüche der Jahrhundertwende mit der günstigen und schnell auszuführenden Ziegelsteinbauweise. Erste praktische Erfahrungen hatte er beim russischen Architekten Pomeranzew und dem Bau des GUM in Moskau gesammelt. Nach einer Europareise lernt er in Tver seine zukünftige Ehefrau Erika kennen. Obwohl Schmidt vornehmlich in und um Sankt Petersburg arbeiten wird, hinterlässt er auch in der Heimatstadt seiner Frau an der Wolga Spuren: Zwischen 1901 und 1905 realisiert er Mietskasernen und Fabrikgebäude der Berg‘schen Textilfabriken.

Schmidts Mietskasernen werden nun, über 100 Jahre später, zu schicken Loft-Räumen umgebaut. / Peggy LohseSchmidts Mietskasernen werden nun, über 100 Jahre später, zu schicken Loft-Räumen umgebaut. / Peggy Lohse

Schnell macht er sich auch in der Hauptstadt an der Newa einen Namen: Er projektiert und kuriert ehrenamtlich lange Aktivitäten des Alexandrinischen Frauenhauses in Sankt Petersburg. Es folgen viele bürgerliche Villen - auch für die eigene Familie. Der bis heute berühmteste Bau Schmidts aber ist das Geschäfts- und Wohnhaus des Goldschmieds Fabergé, mit dessen Familie Schmidt eine enge Freundschaft und verwandte Verwandtschaft verband.

Sowjetische Idee von Städtebau

6. May: Arbeiterstädte vom Reißbrett

Magnitogorsk von oben: May baute hier in den 30ern die parallel stehenden Drei-Etagen-Blöcke mit Spitzdach. / Pesotsky/WIkipediaMagnitogorsk von oben: May baute hier in den 30ern die parallel stehenden Drei-Etagen-Blöcke mit Spitzdach. / Pesotsky/WIkipedia

Ernst May war Initiator des Bauprogramms „Neues Frankfurt“ und Hauptarchitekt der Stadt von 1925 bis 1930. Anfang der Dreißigerjahre leitete er drei Jahre lang in der Sowjetunion eine eigene Brigade aus etwa einem Dutzend westlicher Architekten. Seine Aufgabe war es, mehrere sibirische Städte wie Magnitogorsk und Nischni Tagil auszubauen.

Aufgrund seiner großen Erfahrung im Bau von Arbeiterwohnvierteln in Deutschland, sollten er und seine Kollegen nun auch den Arbeitern in den neuen Industriestädten - viele in Sibirien - ein Dach über dem Kopf geben. Im Unterschied allerdings zu den individuellen Wohnungen für jede Familie in Deutschland, wurde Wohnraum in der Sowjetunion damals nach Quadratmetern zugeteilt. In dem von May ausgebauten Magnitogorsk lag diese Norm in den alten Holzbaracken bei gerade einmal 3,5 Quadratmetern, manchmal gar nur bei zwei Quadratmetern. Auch in den neuen Steinblöcken änderte sich daran zunächst nichts.

Nach der Sowjetunion ging May - er war Jude - 1933 nicht nach Deutschland zurück, sondern lebte und arbeitete bis 1953 in Afrika.

Eine eigene Geschichte: die Region Kaliningrad

Deutsche Architektur auf russischem Gebiet - ja, das gibt es natürlich vor allem auch im Gebiet Kaliningrad. Allerdings war die Ostsee-Region ja bis 1945 als Ostpreußen auch Teil deutscher Staaten und die Architekten mussten dafür keinerlei Grenzen überwinden.

Bis heute ist die Stadt berühmt für ihr norddeutsch-preußisches Ziegelbau-Stadtbild. 

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