Auf dass der Tod nicht scheide: Wie russische Einbalsamierer Lenin & Co. erhalten

Oleg Lastochkin/RIA Novosti
Der erste sowjetische Staatschef Wladimir Lenin wurde vom Volk so geliebt, dass es sich nach seinem Tod nicht von ihm verabschieden wollte - jedenfalls sagte das die offizielle Propaganda. Wissenschaftler aus der UdSSR waren Pioniere in der Kunst der Einbalsamierung und reisten sogar ins Ausland, um Leichname anderer sozialistischen Staatsführer zu konservieren.

Noch vor seinem Tode 1924 äußerte der Revolutionsführer und UdSSR-Gründer Wladimir Lenin keinerlei Willen, nach dem Tode in irgendeiner Weise aufbewahrt zu werden. Seine Witwe Nadeschda Krupskaja schrieb sogar noch einen Brief ans Politbüro: “Ich habe eine große Bitte an euch”, schrieb Krupskaja am neunten Tag nach Lenins Tod, “lasst eure Trauer um Iljitsch (Vatersname Wladimir Lenins - Anm. d. Red.) nicht zur äußeren Verehrung seiner Persönlichkeit werden. Errichtet ihm keine Denkmäler, keine Paläste in seinem Namen, feiert keine großen Feste als Erinnerung an ihn. Er hat dies alles zu Lebzeiten schon so wenig geachtet, dass es ihm vielmehr eine Last war.”

Viele Mitglieder der sowjetischen Führung waren dann auch dagegen, Lenins Leichnam einzubalsamieren. Aber das nützte nichts. Josef Stalin, der gerade seine Macht über das Land stabilisierte, befürwortete die Idee, Lenin als „sozialistischen Heiligen“ zu konservieren.

Es gab nun zwei Möglichkeiten, die langsam verwesende Leiche noch zu retten: Einfrieren oder einbalsamieren. Während die Regierung die erste Option in Betracht zog, überzeugte sie der Biochemiker Boris Sbarskij von den Vorteilen der Einbalsamierung. Er erklärte, es würde sogar Lenins Hautfarbe unverändert lassen, sodass jener dann auch später noch viel echter aussehen würde.

Ein Staatschef für die Ewigkeit

Im März 1924 begann Sbarskij gemeinsam mit dem Anatom Wladimir Worobjow mit der Arbeit. Sie machten etwa 20 Einschnitte und bohrten Löcher in den Schädel. Das Gehirn und die Augen waren damals bereis zusammen mit anderen inneren Organen entfernt worden. Dann wurde der Leichnam mehrere Wochen in einem Formaldehydbad eingelegt, um sämtliche Keime und Bakterien abzutöten und so jeden weiteren Verfall zu verhindern.

Als nächster Schritt sollte ein Parfümbad Lenins Hautfarbe verbessern und die Leichenflecken maskieren. Zu diesem Zeitpunkt war der einstige Staatschef immerhin schon zwei Monate tot. Schließlich verwendeten die Wissenschaftler dann noch eine Glycerinlösung, um die Leichenhaut weicher zu machen. Es war wichtig, den Leichnam von der Totenstarre zu befreien, da Lenins Haltung in seiner künftigen ewigen Ruhestätte noch festgelegt werden musste.

Kein russischer oder sowjetischer Wissenschaftler hatte jemals zuvor einen Leichnam einbalsamiert. Darum arbeiteten Sbarskij und Worobjow viel nach Gefühl. Wären sie damit gescheitert, wäre ihnen Stalins Wut sicher gewesen.

Leben nach dem Tod

Das Wissenschaftsduo hatte dann seine fünfzehn Minuten Ruhm, als die sowjetische Führung ihren Erfolg anerkannte. “Es war eine einzigartige und ungewöhnliche Herausforderung, den ganzen Leichnam einzubalsamieren, ohne dass Formen und Zellstrukturen unberührt blieben”, kommentierte beispielsweise der sowjetische und russische Chirurg Jurij Lopuchin in seinem Buch über Lenins Einbalsamierung.

Mausoleum auf dem Roten Platz

Seitdem überlebte der tote Lenin mehrere Angriffe und die Evakuierung nach Tjumen in Westsibirien während des Zweiten Weltkriegs. Wissenschaftler aus einem speziellen Labor betreuen ihn noch immer. Alle paar Monate, wenn das Mausoleum auf dem Roten Platz geschlossen ist, werden der Leiche spezielle Lösungen injiziert. Praktisch ist jener Lenin im Moskauer Mausoleum heute vor allem eine menschenähnliche Puppe voller Anti-Verfall-Flüssigkeiten. Deren genaue chemische Zusammensetzung jedoch bleibt natürlich geheim.

Lenins „Mumienkollegen“

Die sowjetische Regierung half über 40 Jahre später dann auch dabei, den Leichnam des vietnamesischen Revolutionärs Ho Chi Minh zu erhalten. Auch wenn Ho, ähnlich wie Lenin, nie einbalsamiert werden wollte. Immerhin wurde er dann in seinem eigenen Mausoleum in Hanoi untergebracht.

Vietnamesischer Revolutionär Ho Chi Minh
Ebenso ging man 1994 bei Nordkoreas Staatsgründer Kim Il-sung und dessen Sohn und Nachfolger Kim Jong-il (gestorben 2011) vor. Obwohl die UdSSR 1991 zusammengebrochen war, halfen russische Wissenschaftler weiter den Nordkoreanern.

Bis heute sind Lenin, Ho und die beiden nordkoreanischen Kims die einzigen vier Staatschefs der Welt, die mithilfe der sowjetischen Technologie einbalsamiert wurden.

Ebenfalls einbalsamiert und in Mausoleen zur Schau gestellt wurden Georgi Dimitrov aus Bulgarien, Klement Gottwald aus der Tschechoslowakei, Agostinho Neto aus Angola. Nachdem jedoch die Sozialisten in ihren Ländern die Macht verloren, wurden ihre Leichen dann doch begraben.

Der zweite große kommunistische Anführer Mao Zedong allerdings hatte derweil keine Chance, richtig einbalsamiert zu werden. Zum Zeitpunkt seines Todes 1976 gab es zwischen Moskau und Peking spürbare politische Spannungen. Der Körper des Verstorbenen wurde darum nach einer anderen, einer von den chinesischen Wissenschaftlern entwickelten Methode einbalsamiert. Diese jedoch war laut Alexej Jurtschak, Buchautor von “Lenins Leichen: die geheime Wissenschaft der kommunistischen Macht” “viel primitiver”.

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