Tischkalender von Wladimir Lenin
Prihodko/SputnikWie man leicht erahnen kann, hat der Verlust von 13 Tagen damit zu tun, dass Russland von einem Julianischen Kalender zu dem Gregorianischen Kalender gewechselt ist. Dies passierte drei Monate nach der bolschewistischen Revolution. Laut einem Erlass der neuen Behörden kam nach dem 31. Januar 1918 der 14. Februar und fast zwei Wochen fielen für immer aus der Geschichte des Landes heraus.
Wladimir Lenin unterzeichnete Ende Januar das Dekret „über die Einführung des westeuropäischen Kalenders“. Als Grund für diesen Schritt wurde in dem Dokument die Notwendigkeit genannt, „in Russland eine Zeitrechnung einzuführen, die fast allen Kulturnationen ähnlich ist“.
Ab dem frühen 18. Jahrhundert, seit der Zeit Peters des Großen, verwendete das Land ausschließlich den Julianischen Kalender, der in Europa von Julius Caesar eingeführt wurde. Er war weniger präzise und bis zum Jahr 1900 lag er 13 Tage hinter seinem aus dem späten 16. Jahrhundert stammenden und somit moderneren Gregorianischen Gegenstück zurück. Der Gregorianische Kalender wurde zu dieser Zeit vorwiegend in europäischen Ländern verwendet.
Die Bolschewiki hatten zwei Möglichkeiten, in den Kalender von „fast allen Kulturnationen“ zu wechseln: die eine, die schließlich benutzt wurde, und die zweite Möglichkeit - einen Tag pro Jahr zu kürzen. In diesem Fall hätte die Übertragung auf den neuen Stil, wie er in Russland genannt wurde, 13 Jahre gedauert. Das war definitiv nicht der Weg der Bolschewiki. Also wurde es einfach über Nacht umgestellt.
Laut dem Leiter des Russischen Staatsarchivs für politische Geschichte, Andrej Sorokin, hatten die bolschewistischen Führer „klare und nützliche Aufgaben“ beim Wechsel des Kalenders. „Die Russische Revolution wurde von Lenin als Prolog der Weltrevolution wahrgenommen. Die Herzen der Proletarier des gesamten Planeten sollten im Einklang und mit einem Chronometer schlagen. Daher sollte es nicht überraschen, dass dieses Dekret als eines der ersten Dokumente durchgesetzt wurde“, behauptet Sorokin (auf Russisch). Der Historiker fügt hinzu, dass diese Entscheidung in den allgemeinen Ansatz der Bolschewiki passt, der auf den Bruch mit der vorherigen Epoche und auf die „Zerstörung der alten Staatlichkeit, der alten traditionellen Kultur, der alten Gewohnheiten und Normen des formellen und allgemeinen Rechts“ abzielte.
Die Kalenderreform wurde jedoch nicht nur wegen der ideologischen Neigungen der Bolschewiki durchgeführt. Bereits im Jahr 1830 wurden in Russland der Wechsel auf den Gregorianischen Kalender vorgeschlagen. Die Russische Akademie der Wissenschaften schlug vor, einen neuen Kalender einzuführen, stieß aber auf Widerstand in Form des Bildungsministers. „Ein ungelegener und unpassender Vorschlag, der zu unerwünschten Störungen und unnötigen Denkversuchen führen kann“, befand Minister Karl von Lieven und Zar Nikolai I. stimmte ihm zu.
Der nächste Versuch fand Ende des 19. Jahrhunderts statt, als eine Sonderkommission in der Russischen Astronomischen Gesellschaft eingerichtet wurde. In den Schlussbemerkungen der Institution findet sich eine Antwort auf die Frage, warum die Einführung des Gregorianischen Kalenders auf eine starre Opposition im zaristischen Russland traf.
Die Kommission erklärte, dass „orthodoxe Staaten und alle Orthodoxen aus Ost und West die Versuche der Vertreter des Katholizismus ablehnten, den Gregorianischen Kalender in Russland einzuführen“. Mit anderen Worten, der Kalender wurde als eine Art katholischer Sabotage gegen die orthodoxe Kirche wahrgenommen. Die Position der letzteren war also von entscheidender Bedeutung.
Die Kommission fand eine innovative Idee und schlug vor, den Kalender zu reformieren, um ihn präziser zu machen und ihn ohne seine westliche Version zu importieren. Zur gleichen Zeit fand eine andere Kommission im Jahr 1905 die Übertragung auf den Gregorianischen Kalender „wünschenswert“ und bot eine weitere Kompromisslösung an: ihn im bürgerlichen Leben zu verwenden und den Julianischen Kalender für die Religion und ihre Anhänger zu behalten.
In etwas mehr als einem Jahrzehnt geschah dies dann tatsächlich, als die orthodoxe Kirche mit ihren angespannten Beziehungen zu den Bolschewiki weder vor westlichen Einflüssen noch vor einheimischen Nihilisten kapitulieren wollte. Die Bolschewiki versuchten Druck auszuüben (in Russisch), jedoch vergeblich.
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