Der berühmte russische Dichter Alexander Puschkin führte zugegebenermaßen ein seltsames Leben: Nach dem Aufwachen pflegte er noch eine Weile im Bett zu liegen und auf eine Wand zu schießen.
Im zaristischen Russland hatten die Menschen ein Faible für Waffen. Offiziere, Händler, Studenten, angesehene und junge Damen, alle hatten ihr eigenes Lieblingsmodell. Nach der Revolution 1917 änderte sich das: Die neuen Machthaber grenzten das Recht ein, eine Waffe tragen zu dürfen.
Vor der Revolution konnte eine Schusswaffe in Großstädten wie Moskau oder Sankt Petersburg frei erworben werden. Die Tageszeitungen bewarben Browning-, Nagant-, Mauser- und andere Schusswaffen, die beliebt und zugleich erschwinglich waren. Eine Mauser konnte man zu jener Zeit für stolze 40 Rubel, also ein durchschnittliches Moskauer Monatsgehalt, erwerben; es gab aber auch jede Menge „Secondhand-Waffen“, die billiger waren.
Natürlich gab es bereits damals staatliche Eingriffe und Beschränkungen, die aber nur den Gebrauch und nicht den Besitz von Schusswaffen regulierten.
Und so waren private willkürliche Schießereien in Häusern oder Wohnungen, die aus Holz gebaut wurden, im Moskau des 17. Jahrhunderts ein ernstzunehmender Grund zur Sorge: Die dabei entstehenden Funken konnten leicht ein Feuer entfachen. Das führte zu so vielen Großbränden, dass ein Erlass des Zaren im Jahre 1684 verbot, in Innenräumen den Abzug zu betätigen.
Dem Beispiel Puschkin nach zu urteilten, ignorierte ein Großteil der Bevölkerung diese Vorschrift.
1845 folgten weitere umfangreiche gesetzliche Einschränkungen für den Waffengebrauch: Die Gesetzgebung führte ein Schussverbot an belebten Plätzen ein, wenn sich dies nicht als eindeutig notwendig darstellte.
Obwohl es Russen nun verboten war, aus reiner Freude zu schießen, war der Waffenbesitz an sich jedoch bis zur Revolution 1917 weiterhin erlaubt.
Nach 1917 setzten die Bolschewiken dem freien, privaten Waffenbesitz ein Ende. Schließlich wusste die bolschewistische Führung nur zu gut, was bewaffnete Volksmassen alles anrichten konnten, und beschlossen, den Waffenbesitz zu monopolisieren.
1918 begann die Massenbeschlagnahmung ziviler Schusswaffen, zudem wurde ein Besitzverbot erlassen und eine zehnjährige Haftstrafe für illegalen Waffenbesitz angedroht.
Eine Ausnahme wurde allerdings für Jäger gemacht, die Glattrohrwaffen besitzen durften. Die Waffenscheine wurden jedoch dabei nur von der NKWD ausgestellt, dem sowjetischen Innenministerium, das vor allem für seine Rolle bei Stalins politischen Säuberungen bekannt ist.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion glaubten manche Russen, dass der Waffenbesitz wieder legalisiert werden würde. Aber trotz der Tatsache, dass man Schusswaffen in den 1990er-Jahren gut auf dem Schwarzmarkt erwerben konnte, führte die neue Regierung keine Liberalisierung der Waffengesetze durch.
Heutzutage können Glattrohrwaffen für die Jagd oder für den Sport in Russland nur mit einem Waffenschein erworben werden, der eine gründliche Prüfung des Vorstrafenregisters beinhaltet.
Ohne Waffenschein können Russen heute also höchstens eine irgendwo zurückgelassene Waffe ihrer Vorfahren kaufen.
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