Durch das beliebte Sport- und Militärspiel „Sarniza“, zu Deutsch „Heideblitz“, lernten sowjetische Kinder mithilfe echter Militärübungen das tägliche Leben eines Soldaten kennen, lange bevor sie selbst in die Armee kamen.
Überraschenderweise wurde das Spiel nicht vom sowjetischen Generalstab oder von Militärspezialisten erfunden, sondern von der Lehrerin Soja Krotowa, die aus einem Dorf in der Region Perm stammte.
Am 23. Februar 1964 feierte das Land den Nationalfeiertag des Verteidigers des Vaterlandes. Soja Krotowa schlug ihren Kollegen daraufhin vor, diesen Tag auf eine besondere Art und Weise zu verbringen. Alle Schulklassen verkleideten sich als verschiedene Armeetruppen, die Schüler wurden in Soldaten und die Lehrer in Offiziere eingeteilt. Es wurde mittels der Militärsprache kommuniziert, eine Parade organisiert und ein Militärspiel in Form eines Hindernisparcours absolviert, der ein „Minenfeld“ und „Stacheldraht“ imitierte.
Die Idee eines Kinderspiels, das echte Kampfhandlungen nachahmte, stieß auf große Begeisterung in der Sowjetunion. Schritt für Schritt wurde „Sarniza“ in vielen sowjetischen Städten und Dörfern populär. Drei Jahre später, im Jahr 1967, erhielt es einen offiziellen Status und fand regelmäßig im ganzen Land unter der persönlichen Aufsicht der Marschälle Iwan Bagramjan und Wassilij Kasakow statt.
Für die sowjetische Führung war „Sarniza“ ein wichtiges Element der patriotischen Erziehung der Jugend und wurde als Teil der frühen militärischen Grundausbildung von Kindern im Alter von zehn bis siebzehn Jahren betrachtet.
„Sarniza“ beinhaltete des Weiteren offizielle Zeremonien, Paraden, Märsche, verschiedene Trainingsaktivitäten und Wettkämpfe. Am meisten machte den Kindern jedoch der Teil Spaß, bei dem sie „kämpften“. Die „Armeen“ kämpften dabei um die Flagge der gegnerischen Seite und versuchten zugleich ihre eigene zu schützen. Bei den Nahkämpfen hatte jeder das Ziel, die an die Kleidung genähten Schulterstücke des Gegners abzureißen. Echte Kämpfe waren jedoch strengstens verboten.
Wenn ein „Soldat“ ein Schulterstück verlor, galt er als „verwundet“. Er konnte auf dem Feld gehen, durfte aber nicht mehr rennen. Er konnte sich jedoch von den „Krankenschwestern“, also von sowjetischen Mädchen, die zusammen mit den Jungen an diesem Spiel teilnahmen, medizinisch versorgen und das Schulterstück wieder annähen lassen. Diejenigen, die beide Schulterstücke verloren hatten, galten als „tot“ und schieden aus.
Auch echte militärische Einheiten beteiligten sich an „Sarniza“. Offiziere hielten Einführungen und Seminare ab, Soldaten gaben den älteren Kindern echte Maschinengewehre ohne Munition in die Hand und brachten sie in Hubschraubern und Transportpanzern zu ihren „Schlachtfeldern“.
Das Militär versorgte die Kinder darüber hinaus mit Schutzanzügen und Gasmasken. Manchmal hatten die „Sarniza“-Teilnehmer sogar unter strenger Überwachung die Möglichkeit, mit echten Feuerwaffen und Munition an Militärschießständen zu üben.
„Sarniza“ geriet auch nach dem Zerfall der Sowjetunion nicht in Vergessenheit. Es wird oft in Sommerlagern für Kinder und von anderen Aktivisten und Organisationen veranstaltet, jedoch in einem weit geringeren Ausmaß als in der Sowjetunion.
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