In der Sowjetunion war Geld nicht gleich Macht: Der Nomenklatura, der Sowjetelite, stand zwar alles zur Verfügung, aber es befand sich alles in Staatsbesitz. Die Sowjetunion hatte in ihrer Geschichte mehrere Engpässe erlebt, daher war es damals besonders wichtig, die richtigen Parteikontakte zu haben.
Das galt nicht nur für Bürokraten, sondern auch für ihre Familien und sowjetische Prominente, wie Schriftsteller, Astronauten und Sportler. Laut Dissident Michail Woslenskij, dem Autor des im Jahr 1984 erschienen Buches „Nomenklatura“, waren das in den 1980er Jahren drei Millionen Menschen. Wie Josef Stalins Tochter Swetlana einmal erzählte, verließ nie ein Cent des Gehalts ihres Vaters seinen Schreibtisch.
Die Spitze der sowjetischen Nomenklatura erhielt die besten Autos des Landes, wie den „GAZ-Wolga“-Wagen. Die „ZiL“-Limousine oder „Tschaika“ waren vor allem dem Generalsekretär und anderen Mitgliedern des Zentralkomitees vorbehalten. Einige Moskauer Straßen hatten sogar ihre eigenen „ZiL“-Fahrspuren, um sicherzustellen, dass die wichtigsten Politiker nie zu spät zu ihren Treffen kamen.
„Tschaika“
Getty ImagesDie Tatsache, dass es sich um Parteiwagen handelte, senkte natürlich den „Luxusstatus“, da die Beamten nicht die Besitzer ihrer Autos waren, sondern stets mit einem privaten Chauffeur fuhren, den sie samt Fahrzeug aufgeben mussten, wenn sie ihren Dienstposten verließen.
Das galt jedoch nicht für alle, denn während der Breschnew-Ära in den Jahren 1964 bis 1982 begann die Sowjetunion, auch Autos für den Privatgebrauch herzustellen. Der Staat hatte jedoch die Massenproduktion nie zur Priorität erklärt. Im Jahr 1959 erklärte Chruschtschow in einer Rede: „Es ist nicht unser Ziel, mit den Amerikanern bei der Produktion von Privatwagen zu konkurrieren.“ Im Jahr 1975 betrug das Verhältnis von Person zu Fahrzeug nur 54:1, im Gegensatz zu 2:1 in den Vereinigten Staaten. Diese Autos waren zudem nur für die normalen Bürger verfügbar, die sie sich durch ein System von Arbeitsverdiensten und Warteschlangen durchgekämpft hatten.
Die Verteilung der sowjetischen Unterkünfte wurde noch zentraler als die Verteilung der Autos geregelt. Offiziell besaß niemand eine eigene Wohnung und der Ort, an dem man wohnte, wurde durch die Nähe Ihrer Arbeitsstelle und dem Wohnort Ihrer Kollegen bestimmt. Für die Nomenklatura galten dieselben Spielregeln. Sie wurden in Gebäuden mit anderen Elitemitgliedern angesiedelt – eine Tradition, die von Stalin, der Gebäude wie das gewaltige Wohngebäude der Kotelnitscheskaja Nabereschnaja errichtete, begonnen wurde. Die hohe Nachfrage nach Räumen in diesen Eliteblöcken wurde jedoch durch die hohe Anzahl bürokratischer Repressionen unter Stalins Herrschaft gesenkt.
Nach seinem Tod hatte die Nomenklatura wieder mehr Mitglieder, und um sie zu beherbergen, begann man etwas weniger luxuriöse Elitewohnungen außerhalb des Moskauer Stadtzentrums zu bauen. Im Gegensatz zu Stalin hatte Breschnew nicht die Absicht, die Häuser seiner Spitzenbeamten als Orientierungspunkte zu betrachten und sie mit ihrer Umgebung in Einklang zu bringen.
Ein Beispiel dafür sind die sogenannten Zekowskij-Häuser (für die Mitglieder des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion - Anm.d.Red ) in Kunzewo, einem Vorort von Moskau, der den Spitznamen „Zarendorf“ trägt. Was die Domizile der Staatschefs anbelangt, lebten die Generalsekretäre der Sowjetunion in der Regel ein paar Schritte vom „Zarendorf“ entfernt. Auch Leonid Breschnews Wohnung am prestigeträchtigen Kutusowskij Prospekt 26, die im Jahre 2011 für 18 Millionen Rubel beziehungsweise für etwa 520 000 Euro verkauft wurde (rus) wur, hatte nur 54 Quadratmeter Grundfläche und war nicht das private Eigentum des Generalsekretärs.
Kutusowskij Prospekt
Viktor Koshevoi/TASSMichail Gorbatschows Penthouse in der Granat-Gasse im Moskauer Stadtzentrum, das er von 1986 bis 1991 bewohnte, galt als Luxuswohnung, was, obwohl er die Wohnung selbst nicht besaß, damals viele Leute verärgerte.
Für noch größere Empörung sorgte Gorbatschows 17 Millionen Euro teure Datscha in Foros auf der Krim, die vollständig auf Kosten des Staates gebaut wurde. Das soll nicht heißen, dass die sowjetischen Eliten zuvor nicht lange Urlaub gemacht hätten: Eine aktuelle Studie (rus) enthüllte die heutigen Marktpreise der riesigen Ferienhäuser der Nomenklatura, mit der teuersten Villa im Moskauer Vorort Nikolina Gora im Wert von 22 Millionen Euro. Andere Millionen-Euro-Gebäude in Peredelkino, Schukowka und Barwicha wurden von den großen Persönlichkeiten der sowjetischen Geschichte wie Pasternak, Jewtuschenko, Eisenstein und Jesenin bewohnt.
Es ist gut dokumentiert, dass sowjetische Regierungsbeamte durch separate Lebensmittelgeschäfte in der Sowjetunion versorgt wurden. Während die sowjetischen Läden ihre Bürger mit „Grundnahrungsmitteln“ wie Brot, Kartoffeln und Süßigkeiten versorgten, waren Fleisch und Wurst in der Regel knapp, besonders außerhalb von Moskau. Auf der anderen Seite hat die Studie des Sowjetologen Mervyn Matthews aus dem Jahr 1978 mit dem Titel „Privilege in der Sowjetunion“ aufgedeckt, wie gut die oberen Ränge der sowjetischen Regierung gegessen haben. Laut Matthews akzeptierten acht Prozent der sowjetischen Läden „Vorbestellungen“ und lieferten ansonsten „unsichtbare“ Lebensmittel wie Filetsteaks, Hummer und schwarzen Kaviar zweimal wöchentlich den Beamten direkt an die Haustür.
In der Sowjetunion wurde die Gesundheitsversorgung in der Regel von der Arbeitsverwaltung organisiert, es gab „Polikliniken“, also russische Gesundheitszentren am Arbeitsplatz sowie in den meisten Wohnblocks.
Es ist unnötig zu sagen, dass die Gesundheitsversorgung der Nomenklatura-Familien einen ganz anderen Standard hatte. Der Kinderdichter Kornej Tschukowskij, der im Jahre 1965 in einem Parteikrankenhaus behandelt wurde, schrieb (rus) damals in sein Tagebuch: „Die Familien des Zentralkomitees bauten sich ein Paradies auf, während die Menschen in anderen Krankenhausbetten hungrig, dreckig und ohne die richtigen Medikamente dalagen.“ Diese Praxis wurde unter Breschnew ausgeweitet, der Badeorte in Riga und mehrere riesige Sanatorien in Sotschi für die Elite errichten ließ.
Abgesehen davon, dass man sich gut um ihre Gesundheit kümmerte, scheint es, dass den Kindern russischer Regierungsbeamter auch eine Arbeitsstelle ihrer Wahl garantiert wurde. In seinem Buch „Die russischen Zehn“ erzählt Ilya Stogoff, wie die Kinder der Nomenklatura auf Privatschulen gingen, um sich so ihren Weg in eine strahlende Zukunft zu sichern. „Nachdem sie ihre Diplome bekommen hatten... konnten sie als Diplomaten, Handelsvertreter oder Journalisten ins Ausland gehen – oder was auch immer sie tun wollten", schreibt er.
Auch Breschnews Nichte Ljuba hat in ihren Memoiren „Die Welt, die ich zurückließ“ über das angenehme Leben der Nomenklatura-Erben geschrieben. Dort erzählt sie, wie sie und die Kinder von sowjetischen Beamten Jobs mit wenig oder gar keiner Verantwortung erhielten und die Zeit mit Maniküren oder dem Schreiben von Gedichten totschlugen.
„Einige gingen freiwillig hart arbeiten“, schreibt sie, „einfach weil sie die Langeweile nicht ertragen konnten.“
Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!