Warum die Sowjetunion ausländische Kosmonauten in den Weltraum schickte

Alexander Mokletsov/Sputnik
Der Wettlauf ins All war ein zentrales Beispiel der Konkurrenz zwischen Ost und West in Zeiten des Kalten Krieges. Es ging um nicht weniger als die Eroberung des Weltalls. Auch die Auswahl der Besatzung war Politik.

Nachdem Juri Gagarin und John Glenn in den frühen 1960er Jahren im Weltraum gewesen waren, machten die beiden Supermächte den Weltraum zu ihrem persönlichen Spielfeld. Fast 15 Jahre lang verließen nur amerikanische und sowjetische Astronauten für Weltraummissionen die Erde.

Mitte der 1970er Jahre änderte sich die Situation jedoch. Washington kündigte an, den ersten Nicht-Amerikaner mit an Bord zu nehmen. Als die Sowjetunion von dieser Nachricht hörte, beschlossen die Verantwortlichen, Vertreter der „Sozialistischen Bruderstaaten“ in den Weltraum zu schicken und damit den Amerikanern zuvorzukommen.

Sowjetische Verbündete im Weltraum

Auf diese Weise entstand das Interkosmos-Programm. Neben der gemeinsamen wissenschaftlichen Forschung ging es vor allem darum, Vertreter befreundeter Länder als „Forschungskosmonauten“ in sowjetische Weltraummannschaften aufzunehmen, um andere Nationen in die Weltraumforschung einzubeziehen. Das warf jedoch die Frage auf, wer von ihnen die Ersten im Weltraum sein sollten.

Die Auswahl der Kandidaten wurde hauptsächlich von der Politik getroffen. Vorrang hatten die Vertreter der wichtigsten Verbündeten der Sowjetunion im Warschauer Pakt: die Deutsche Demokratische Republik, die Tschechoslowakei und Polen.

„Ein vietnamesischer Staatsangehöriger konnte nicht vor einem DDR-Bürger in den Weltraum fliegen. Wer mehr Einfluss hatte, durfte seinen Kosmonauten zuerst ins All schicken“, sagte (rus) KGB-Generalleutnant Nikolaj Leonow.

Wladimir Remek und Alexej Gubarew

Schließlich wurde ein Tschechoslowake ausgewählt, um nach dem Prager Frühling 1968 die Beziehungen des Landes zur Sowjetunion zu verbessern. Zehn Jahre nach diesen Ereignissen, im Jahr 1978, flog Wladimir Remek zusammen mit seinen sowjetischen Kollegen an Bord eines sowjetischen Sojus-Raumschiffs in den Weltraum.

„Ich begriff, dass ich der erste Kosmonaut im Weltall werden würde, der nicht aus den Vereinigten Staaten oder der Sowjetunion stammte. Deshalb versuchte ich, mich so gut wie möglich vorzubereiten... Nach der Rückkehr wurde ich in der Tschechoslowakei sofort berühmt. Es war für mich unmöglich, die Straße entlangzugehen, ohne erkannt zu werden“, erinnert sich (rus) Remek.

Nach Remek reisten im selben Jahr zwei weitere Kosmonauten aus dem Ostblock ins Weltall: Mirosław Hermaszewski aus Polen und Sigmund Jähn aus der Deutschen Demokratischen Republik. Weitere Verbündete des Warschauer Paktes aus Rumänien, Ungarn, Bulgarien, aber auch Kollegen aus Vietnam, Indien, Kuba, der Mongolei, Syrien und sogar aus Afghanistan, das sich 1988 im Bürgerkrieg befand, folgten ihnen.

Pjotr Klimjuk und Mirosław Hermaszewski

„Hierbei gab es eine moralische und politische Komponente: Es war notwendig, Vietnams Moral nach dem Krieg mit Amerika zu stärken. Das Gleiche galt für unsere mongolischen Freunde, die uns 100 Jahre lang treu geblieben waren“, sagt (rus) Alexander Gluschko, Experte für bemannte Raumfahrt.

Nicht nur Verbündete

Der einzige westliche Vertreter, der sich in dieser Zeit einer Weltraummission auf einem sowjetischen Schiff anschloss, war der französische Militärpilot Jean-Loup Chrétien. Die Sowjetunion, die damals gute Beziehungen zu Frankreich hatte, gab erstmals in der Geschichte der sowjetischen Raumfahrt einem kapitalistischen Vertreter des Westens grünes Licht.

Chrétien flog insgesamt zwei Mal mit einem sowjetischen Raumschiff ins Weltall – im Jahr 1982 und 1988 – und wurde sogar mit dem Titel „Held der Sowjetunion“ ausgezeichnet. „Ich war unglaublich stolz, denn vor mir wurde diese höchste Auszeichnung nur einer Handvoll französischer Staatsangehöriger verliehen, die im Normandie-Njemen-Jagdfliegergeschwader gekämpft hatten“, erzählt (rus) Chrétien.

Jean-Loup Chrétien

Der französische Kosmonaut erinnert sich gerne an seine Arbeit mit sowjetischen Kollegen im Kosmonauten-Ausbildungszentrum in Swjosdny Gorodok: „Wir waren wie eine Familie, lebten in einer sehr brüderlichen Atmosphäre... Eine Hälfte meines Herzens befindet sich immer noch dort. Ich habe oft Sehnsucht nach der Zeit und fahre nach Russland, so oft ich kann, um meine Freunde zu besuchen.“

Das Interkosmos-Programm endete im Jahr 1991 mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Bis dahin ermöglichte es 13 Ländern, sich an der Weltraumforschung und den Missionen im All zu beteiligen. Für die meisten Länder sind diese Weltraumprojekte immer noch die einzigen in ihrer Geschichte.

Mit dem Ende des Kalten Krieges wurde der Konkurrenzkampf um die Vorherrschaft in der Raumfahrt weitgehend eingestellt. Seit den frühen 1990er Jahren werden nun glücklicherweise viele der russischen Raumfahrtmissionen mit gemischten Besatzungen und Kosmonauten aus aller Welt durchgeführt.

>>> Absturz nach Gagarin: Woran scheiterte das sowjetische Mondprogramm?

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