Russische Zaren: Waren einige psychisch krank?

Wiktor Wasnezow, gemeinfrei
War Iwan der Schreckliche, der seinen Sohn getötet hat, tatsächlich wahnsinnig? Litt Peter der Große an Psychosen? War Paul von Russland geistig zurückgeblieben? Lasst es uns untersuchen.

Es ist nach dem Tod einer Person immer schwer zu beurteilen, ob diese vielleicht psychisch krank war. Deshalb können wir nur auf der Basis historischer Quellen kluge Überlegungen anstellen. Zudem, das sollte man nicht vergessen, gab es in der Geschichte immer wieder Personen, die niedrige Beweggründe dafür hatten, einen russischen Führer als wahnsinnig und debil hinzustellen.

Iwan der Schreckliche

Unzweifelhaft hatte Iwan der Schreckliche ein explosives Temperament, einen zynischen Sinn für Humor und er behandelte seine Feinde äußerst grausam.

Möglicherweise hat er seinen eigenen Sohn Iwan mit seinem Herrscherstab erschlagen. Historische Quellen legen jedoch nahe, dass dies nicht seine Absicht war. Unglücklicherweise war es in diesen Zeiten üblich, dass ein russischer Vater seinen Sohn körperlich züchtigte, so oft und heftig wie es ihm beliebte, um ihn zu disziplinieren. Andere Quellen behaupten dagegen, dass diese ganze Geschichte erfunden und Iwan an einer Krankheit gestorben sei.

Viele Historiker bezeichnen Iwan den Schrecklichen als blutrünstig und berufen sich dabei auf die große Zahl der Menschen, die er während seiner Regierungszeit hinrichten, verfolgen und erschlagen ließ. Gleichzeitig waren jedoch viele Zaren und Könige gezwungen, heftige und bittere Kämpfe um die politische Macht auszufechten. Insbesondere Iwan, der aus dem Großfürstentum das Zarenreich machte, indem er sein Herrschaftsgebiet erweiterte, im mittelalterlichen Russland rechtliche und staatliche Institutionen begründete und gleichzeitig den heftigen bojarischen Widerstand unterdrückte, indem er seine Opritschniki, eine spezielle Militäreinheit, von der Leine ließ. Es war sicherlich eine blutige Sache.

Es gibt Gerüchte, dass Iwan einige seiner Gemahlinnen getötet oder vergiftet habe. Iwan hatte vier Ehefrauen und nur die letzte überlebte ihn. Die ersten drei waren vergiftet worden, was bei späteren Exhumierungen herauskam. Es ist wichtig, den historischen Zusammenhang zu kennen: Angehörige der Zarengattin bekamen üblicherweise hohe Positionen am königlichen Hof. Die adeligen Familien wetteiferten daher darum, ihre Frauen dem Zar nahezubringen, aber erst, nachdem die vorherige Gemahlin aus dem Weg geräumt war.

Andererseits war Iwan einer der gebildetsten Menschen seiner Zeit. Er hatte ein unglaubliches Gedächtnis und war sehr bewandert in christlich-orthodoxen Texten. Er schrieb viele Briefe und offizielle Ansprachen und gründete eine Musik- und eine Grundschule in Moskau. Während seiner Herrschaftszeit begann in Russland der Buchdruck.

Iwan war höchstwahrscheinlich sehr nachtragend und hatte nicht vergessen, wie ihn die Bojaren als Kind geschlagen und getreten und seine Mutter gehasst und schikaniert haben.

Die Bedeutung seines Beinamens „der Schreckliche“ ist auf Deutsch nicht die gleiche wie im Russischen. „Grosnyj“, wie es auf Russisch heißt, bedeutet „bedrohlich, mächtig“, was aber nicht unbedingt negativ gemeint ist. Er bekam diesen Beinamen nach der Eroberung von Kasan und dem Sieg über das gefürchtete Kasaner Khanat. Der Beiname wurde ihm aufgrund seiner militärischen Erfolge verliehen und nicht wegen eines gemeinen Verhaltens.

>>> Sieben Fakten über Iwan den Schrecklichen, Russlands ersten Zaren

Peter der Große

Im Alter von zehn Jahren erlitt Peter einen psychischen Zusammenbruch, als die Strelitzen, die Palastgarde, seine Onkel und Verwandten während eines Aufstandes töteten. Von da an litt er sein ganzes Leben lang an Anfällen.

Epilepsie verursacht nicht nur Krampfanfälle, sondern beeinträchtigt auch das Gedächtnis und den Verstand. Doch Peter blieb bis zu seinem Lebensende gesund und intelligent. Aber er wirkte so unerbittlich, dass selbst sein Sohn Alexei es verzog, sich selbst in die Hand zu schießen, statt vor seinem Vater eine Prüfung abzulegen. Peters Grausamkeit kannte keine Grenzen. Er ließ seinen Sohn wegen Hochverrats auf die Folterbank spannen. Peter persönlich ordnete an, dass sein Sohn zu Tode gefoltert wurde und er behandelte seine erste Frau extrem grausam. Seine Schwestern steckte er ins Kloster, er trank mehrere Leute so unter den Tisch, dass diese an den Folgen starben, darunter Frederick Wilhelm, Herzog von Kurland und Ehemann seiner Nichte.

Einige Mediziner meinen, dass die Ursache für  Peters Anfälle eine Gehirnerschütterung gewesen sei, die er als Kind erlitten habe, als neben ihm eine Granate explodierte während er gerade mit seinen  Spielzeugsoldaten spielte. Seine berühmte Intelligenz und sein Arbeitstempo (Briefe schrieb er sogar auf dem Pferderücken), seine vielen Erfindungen und staatlichen Reformen, zeigen, dass er ein außergewöhnlich intelligenter Mann war, der leider einen bösartigen und hemmungslosen Charakter hatte.

>>> Zwischen Zar und Adjutant: Warum Peter der Große seine Geliebte Mary Hamilton köpfen ließ

Paul I.

Paul, Sohn von Peter III. und Katharina II., ereilte sein Trauma in der Kindheit, als er erfuhr, dass seine Mutter an der Ermordung seines Vaters beteiligt war.

Zeitgenossen machten sich lustig über Pauls Kleiderordnung: Er ließ den Frack verbieten, machte strenge Vorschriften für Farbe und Länge von Kleidung und verbat den Walzer. Solche Sachen ließen ihn verrückt erscheinen, doch Peter der Große hatte das Gleiche ein Jahrhundert zuvor getan.

Paul hatte zudem gewalttätige Ausbrüche, doch seine Geliebte Jekaterina Nelidowa erinnerte sich damals: „Sie dauerten nur kurz. Ich blieb ruhig, sah ihm in die Augen und er entschuldigte sich.“

Doch wer hatte ein Interesse daran, Paul als Bösewicht darzustellen und fiese Gerüchte über ihn zu verbreiten? Alles lag daran, so Historiker, wie er mit dem Adel umging. Im Gegensatz zu seiner Mutter, die die Adeligen von der Verpflichtung zum Staatsdienst entbunden hatte, wollte Paul, dass die Adeligen  wieder Staatsdiener werden sollten. Er reformierte den Senat und viele andere Institutionen und hatte die Idee, in Russland Ministerien einzurichten. Er war sehr streng gegenüber den Aristokraten, die nicht dem Staat dienen wollten. Gleichzeitig war er aber auch sehr nervös, angespannt und ungehalten.

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!