Die Pest gelangte wahrscheinlich von Persien oder von der Krim aus in die russische Hauptstadt. Sie breitete sich zeitgenössischen Berichten zufolge aus wie „eine vom Wind getriebene Flamme“. Im Sommer 1654 waren die Straßen der Stadt von Leichen gepflastert. Der Zar und sein Hofstaat, die Bojaren und jeder, der es sich leisten konnte, floh aufs Land. Doch das führte lediglich dazu, dass sich die Seuche auch über die Stadtgrenzen hinaus ausbreiten konnte.
„Die einst überfüllten Straßen waren menschenleer ... Hunde und Schweine fraßen die Toten und wurden wild, so dass niemand sich mehr nach draußen wagte, aus Angst gefressen zu werden“, schrieb Patriarch Macarius III. von Antiochien, der sich damals in Russland aufhielt.
Es gab keine andere Wahl, die Epidemie musste eingedämmt werden. Die Infektionsgebiete wurden abgeriegelt und von Soldaten bewacht. Häuser und Gehöfte von Pestopfern wurden niedergebrannt. Der Rauch von brennendem Wermut und Wachholder sollte bei der Desinfektion helfen.
Die Maßnahmen waren erfolgreich. Die Pest breitete sich nicht weiter nach Westen aus, wo gerade die Truppen von Zar Alexei Michailowitsch die damals polnisch-litauische Stadt Smolensk belagerten. Die nördlichen Gebiete (Nowgorod und Pskow) blieben ebenfalls verschont.
Im Januar 1655 gab es vereinzelt erneut kleinere Ausbrüche der Pest zu verzeichnen, doch sie waren nur von geringem Ausmaß und erreichten Moskau nicht.
Die genaue Zahl der Opfer der Epidemie ist nicht bekannt. Forscher schätzen sie zwischen 25.000 und 700.000 (rus). In Moskau sollen mehr als 85 Prozent der Bewohner durch die Pest umgekommen sein.
Die tödlichste Krankheit des 19. Jahrhunderts trat in den 1820er Jahren zunächst in den südlichen Regionen des russischen Reiches auf. Zehn Jahre später entfaltete sie ihre volle zerstörerische Kraft. 1830 wurde die Epidemie, die Georgien und die Wolgaregion bereits heimgesucht und letztendlich 200.000 Menschenleben in Russland gefordert hatte, in Moskau noch nicht wirklich ernst genommen.
Man fühlte sich aufgrund der geographischen Lage sicher. „Wir vertreiben die Krankheit mit Rauch und folgen dem Rat der Ärzte“, schrieb die Zeitschrift „Moskau Telegraf“.
Im Herbst wich die fröhliche Stimmung jedoch zunehmend dem Entsetzen. Da die Zahl der Opfer exponentiell anstieg, schlossen die Behörden Universitäten und öffentliche Plätze, untersagten Versammlungen und richteten überall Quarantänezonen ein.
Der frühe Winter dieses Jahres verhinderte das Eindringen der Epidemie in die Hauptstadt, doch im April 1831 wurden in St. Petersburg die ersten Seuchenausbrüche registriert, und ab Sommer verbreitete sich die Cholera wie ein Lauffeuer. „Diese höllische Krankheit ist weit verbreitet“, schrieb Alexander Nikitenko, ein Bewohner der Stadt an der Newa. „Gehen Sie nach draußen und Sie werden Dutzende von Särgen auf dem Weg zum Friedhof sehen ... Es ist, als ob die Apokalypse angekommen ist, die Menschen wandern zwischen den Särgen, als ob sie zum Tode verurteilt wären.“
Es gab Unruhen in der Bevölkerung, die unzufrieden mit den Quarantänemaßnahmen war. Zudem richtete sich ihr Hass zunehmend gegen die Polen, da zu dieser Zeit der polnische Aufstand in vollem Gange war und ohnehin eine polenfeindliche Stimmung herrschte. Den Polen wurde unterstellt, nachts heimlich Gemüsegärten und Brunnen zu vergiften. Wütende Lynchmobs zogen durch die Straßen und suchten sich unschuldige Opfer.
Die Spanische Grippe nach dem Ersten Weltkrieg tötete weltweit bis zu 100 Millionen Menschen (etwa 5 Prozent der Weltbevölkerung) und war damit einer der schlimmsten Ausbrüche in der Geschichte. Auch das postrevolutionäre Russland blieb nicht verschont.
Nachdem die Spanische Grippe im August 1918 das vom Bürgerkrieg heimgesuchte Land erreichte, breitete sie sich weiter über Weißrussland und die Ukraine nach Kiew, nach Moskau und Petrograd aus. Jeder Zweite wurde krank.
Die Pandemie war eine Katastrophe und hat landesweit in nur 18 Monaten bis zu 2,7 Millionen Menschenleben gefordert, was drei Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes entspricht.
Ein bekanntes Opfer in Odessa war der Stummfilmstar Wera Cholodnaja. Auch vor der neuen Führung des Landes machte die Ansteckung nicht Halt. Im März 1919 erlag Jakow Swerdlow, der „schwarze Teufel der Bolschewiki“, der tödlichen Krankheit.
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