Wenn Ihre Kinder schon immer einmal ans Steuer eines echten Passagierflugzeugs wollten, dann haben sie jetzt die Chance dazu. Am Eingang zu Kidzania wartet die legendäre russische Passagiermaschine Tu-154 auf ihre junge Besatzung. An Bord befindet sich eine Luftfahrtakademie: Hier können Kinder in Flugsimulatoren nachempfinden, was es heißt, Pilot zu sein.
Foto: Pressebild
Der am 28. Januar unweit des Moskauer Zentrums eröffnete Freizeitpark ist weltweit der 21. seiner Art. Ursprünglich stammt das Konzept aus Mexiko und hat sich seither in vielen Ländern der Welt verbreitet – von Thailand über Ägypten bis Großbritannien. Doch das russische Kidzania hat eine Besonderheit: Die Betreiberlizenz erhielt kein Großinvestor, sondern ein kleines Start-up – Innova ist ein kleines Unternehmen aus der Computerspielbranche.
Insgesamt haben 30 internationale und russische Unternehmen inmitten der Krise rund 23 Millionen Euro in den Freizeitpark investiert. Das soll sich lohnen: Das Management von Innova rechnet mit einer Million Besuchern jährlich. Nach fünf bis sieben Jahren sollen sich die Investitionen rentiert haben. Bislang sieht es gut aus, dass dieses Ziel erreicht wird. Trotz der hohen Eintrittspreise – 2 000 Rubel pro Person, rund 25 Euro – bilden sich vor den Kassen lange Schlangen.
In der Feuerwehrwache lernen die Kleinsten, wie man mit Bränden umgeht. Außerdem hat der Kidzania-Freizeitpark eine eigene Zeitungsredaktion, eine Polizeidienststelle sowie ein Forschungslabor. Foto: Vladimir Astapkovich/RIA Novosti
Der Moskauer Park unterscheidet sich sonst kaum von den Kidzania-Parks in aller Welt. Das Geschäftsmodell sieht eine starke Beteiligung großer globaler und lokaler Unternehmen vor. Ein Dutzend transnationaler Riesen – etwa Danone, LG, Samsung, Pepsi oder Colgate-Palmolive – sind auch in diesem Park präsent. Bald lädt Roskosmos in seine Raumfahrtschule und Alrosa eröffnet eine „echte“ Edelsteinmine.
Vieles ist vertraut in Kidzania: Die Schokoladenfabrik trägt das Logo der berühmten Kinder-Schokolade. Das Fernsehstudio tritt unter dem Label des russischen Unterhaltungssenders STS auf, auf dem Ausflugbus steht in großen Buchstaben „Gett“ – der Markenname eines russischen Taxidienstes.
Kinder erlernen den Beruf des Musikredakteurs bei dem Moskauer Radiosender "Europa Plus". Foto: Vladimir Astapkovich/RIA Novosti
Die Projektbetreiber begründen diese Markenflut mit dem Wunsch, die Kinder in eine möglichst realitätsnahe Umgebung zu versetzen. „Natürlich hätten wir alles mit fiktiven Marken machen können. Doch das wäre ein ganz anderes Konzept. Wenn ein Kind auf die Straßen Kidzanias kommt, sieht es die gleichen Namen wie auf den Straßen Moskaus. Das verstärkt den Effekt des Eintauchens in die Erwachsenenwelt“, sagt Ksenia Korneewa. Klar ist aber auch, dass potenzielle Kunden herangezogen werden sollen.
Kidzania verfolgt als Konzept das sogenannte Marketing 3.0: Ziel ist, den Kunden durch Emotionen zu binden. Das Kindheitsalter ist die Zeit, in der sich starke Bindungen und Gewohnheiten herausbilden, die bis ins Erwachsenenalter hinein prägend sind und Entscheidungen beeinflussen. So werden aus den Kindern die Kunden der Zukunft.
Kleine Zahnärzte im Colgate-Pavillon. Foto: Wjatscheslaw Prokofjew / Tass
Wie das funktioniert, zeigt sich gut am Beispiel des koreanischen Elektronikkonzerns LG – der betreibt im Moskauer Kidzania eine Schule für Superagenten. Das Kind betritt zunächst lediglich ein Elektronikfachgeschäft, dann öffnet es eine Kühlschranktür, durch die es in eine Abenteuerwelt gelangt. Der Weg führt durch ein rotierendes Rohr, durch Laserstrahlen und vorbei an Fingerabdruck-Scannern. „Das Kind erlebt, dass es durch LG-Technik zum Superagenten wird. Ein unvergessliches Ereignis. So funktioniert emotionales Marketing“, erklärt der russische LG-Vertreter.
Neu am Moskauer Kidzania ist, dass auch Kinder mit Behinderungen mitmachen können. Mit Unterstützung der Wohltätigkeitsstiftung Naked Hearts von Supermodel Natalia Wodjanowa ist der Freizeitpark das weltweit erste Inklusionsprojekt in der Markengeschichte. Hier spielen Kinder mit geistigen und körperlichen Behinderungen in einer Gruppe mit Gleichaltrigen – und sind nicht außen vor in einer gesonderten Betreuung. Die Organisation hat die Kidzania-Mitarbeiter im Umgang mit den Kindern geschult. Zudem betreut Naked Hearts ein eigenes Angebot im Park, bei dem Kinder lernen können, was Wohltätigkeit bedeutet.
Der erste Kidzania-Freizeitpark wurde 1999 in Mexiko eröffnet und erlang weltweite Berühmtheit als „Simulator des Erwachsenenlebens“ für Kinder. Das Konzept ist umfassend: Das Kind betritt eine fiktive Stadt, wo es eine Bankkarte und eine Krankenversicherung erhält sowie Jobangebote, um Geld in der lokalen Währung – Kidzo – zu verdienen und damit die Dienstleistungen der dort ansässigen Unternehmen zu bezahlen. Das Gehalt richtet sich wie im echten Leben nach Beruf und Ausbildung – wer mehr verdienen will, kann die Kidzania-Universität besuchen.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
Abonnieren Sie
unseren kostenlosen Newsletter!
Erhalten Sie die besten Geschichten der Woche direkt in Ihren Posteingang!