Auf Konfrontationskurs: Nachtwölfe kommen wieder nach Berlin

Reuters
Die Nachtwölfe fahren wieder. Der russische Motorradclub mit Kontakt zum russischen Präsidenten will auch in diesem Jahr mit einer Tour nach Berlin der im zweiten Weltkrieg gefallenen sowjetischen Soldaten gedenken. Ist ihre Aktion ehrenhaft oder eine bewusste Provokation?

Im letzten Jahr sorgte der russische Motorradclub Nachtwölfe für Aufregung: Zum Jahrestag des Kriegsendes machten sich die Biker auf eine Reise mit dem Ziel Berlin. Inspiriert worden seien die Rocker von einer russischen Weltkriegsveteranin, wie Alexander Saldostanow, Präsident des Motorradclubs, erzählte. Nadeshda Kirillowa war eine Späherin der Sowjetarmee und verbachte fast die gesamte Kriegszeit auf dem Motorrad. Ihr und allen anderen Veteranen und im Krieg gefallenen Soldaten widmeten die Nachtwölfe daraufhin ihre Tour. 

In vielen europäischen Ländern stieß diese patriotische Aktion jedoch auf wenig Gegenliebe. Saldostanow, der wegen seines bürgerlichen Berufs auch „Chirurg“ genannt wird, gilt als guter Bekannter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Zudem ist er für seine eher antiwestliche Haltung bekannt. In Polen und Deutschland wurde die Tour als Provokation wahrgenommen, einigen Bikern die Einreise verwehrt. Nicht alle Nachtwölfe erreichten daher die deutsche Hauptstadt.

Im zweiten Anlauf soll alles funktionieren

Gegen Saldostanow verhängte die EU Sanktionen. Für ihn gilt daher ein Einreiseverbot in die EU. Das kümmere ihn aber nicht weiter: „Alle zwischengalaktischen Sanktionen jucken mich nicht“, sagte er dem Radiosender „Goworit Moskwa“ (zu Deutsch: Es spricht Moskau). Doch die zweite Motorrad-Kolonne nach Berlin wird er nicht anführen. Das übernimmt der Nachtwolf Andrej Bobrowskij.

Dieser hofft, dass es in diesem Jahr keine Skandale mehr geben werde. „Wir haben die geplanten Routen mit dem russischen Außenministerium abgestimmt, damit wir ohne Probleme vorankommen. Polen hat einige Unterlagen für die Einreise angefordert. Ich war bereits in Warschau, um alles abzuklären“, berichtet Bobrowskij. Heute geht es in der russischen Hauptstadt los. Am 9. Mai wollen die Biker schließlich in Berlin eintreffen. Polen hat ihnen die Einreise allerdings mittlerweile verweigert. Ob sie ihren Zeitplan einhalten können, ist daher äußerst ungewiss.

„Alle zwischengalaktischen Sanktionen jucken mich nicht“, sagt Alexander Saldostanow, Präsident des Motorradclubs. Foto: Artjom Geodakjan/TASS

Auch in diesem Jahr wollten die Rocker mit ihrer Aktion der sowjetischen Soldaten gedenken, die im Zweiten Weltkrieg im Kampf gegen den Faschismus gefallen seien, sagt Bobrowskij. Ziel in Berlin ist das Sowjetische Ehrenmahl im Treptower Park, wo sie Blumen ablegen wollen. Bobrowskij ist überzeugt, dass die meisten Europäer im Gegensatz zu ihren politischen Vertretern nichts gegen diese Aktion hätten. „So gedenken wir der gemeinsamen Geschichte, die weder geklittert noch in Vergessenheit geraten darf. Die russischen Soldaten haben Europa vom Nationalsozialismus befreit. Kluge Menschen wissen das“, sagt Bobrowskij.

Die Nachtwölfe planen, ihre Tour jedes Jahr durchzuführen. Dieses Mal werden sie von Motorradclubs in Polen, der Slowakei, Tschechien und Deutschland unterstützt. Saldostanow rechnet mit rund 300 Teilnehmern, deutlich mehr als im vergangenen Jahr, als nur einige Dutzend Berlin erreichten. 

Ist die Tour eine sinnlose Aktion?

Die Organisatoren der Tour beteuern das Andenken an den Krieg als Hauptziel der Reise. Russische Politikwissenschaftler hingegen stufen die Aktion durchaus als Provokation ein. „Klar gibt es hier ein Element der Provokation“, so Aleksey Muchin, Generaldirektor des kremlnahen Zentrums für politische Analyse. „Das ist eine Art Botschaft an Deutschland und Europa“, sagt er.

Muchin behauptet, dass die Nachtwölfe Deutschland und andere europäische Länder daran erinnern wollten, wer „tatsächlich den Sieg über den Nationalsozialismus errungen hat“. Dadurch versuchten sie die Gesellschaft auf ihre Seite zu ziehen. „Vielleicht werden sich Russland, Deutschland und Europa noch einmal ihrer gemeinsamen Geschichte bewusst und eine unabhängige Außenpolitik verfolgen, anstatt blind dem Diktat der USA zu folgen“, erklärt der Politologe.

Professor Walerij Solowej vom Moskauer Staatlichen Institut für Internationale Beziehungen, zweifelt an der ehrenhaften Absicht hinter der Aktion und warnt, dass sich daraus eine weitere Verschlechterung der Beziehungen zwischen Russland und Europa entwickeln könne.  Schließlich seien eine Reihe der Nachtwölfe für antiwestliche Rhetorik bekannt. „Der einzige Zweck dieser Aktion liegt darin, den Unmut des Westens auszulösen. Diese Provokation hat keine historischen Hintergründe“, meint Solojew. „Meiner Ansicht nach ist es ein vollkommen sinnloser Schritt“, lautet sein Fazit.

Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!