Marc Chagall: Wie ein Junge aus Witebsk eine ganze Kunstepoche prägte

State Tretyakov Gallery
Marc Chagall ist einer der bekanntesten Namen der Avantgarde des 20. Jahrhunderts.
Blick aus dem Fenster,  1915 (Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau)

Marc Chagall wurde 1887 als ältestes von neun Kindern einer armen Händlerfamilie in Witebsk, Weißrussland, geboren. Im Jahr 1906, als Chagall 19 war, wurde er Schüler des berühmten Witebsker Künstlers Jehuda Pen. Der Lehrer war Absolvent der Russischen Kunstakademie in Sankt Petersburg und hinterließ tiefe Spuren in der Seele des jungen Künstlers.

Das Fenster zum Garten, 1917 (Museumswohnung von Joseph Brodsky, Sankt Petersburg)

Die Provinzstadt Witebsk wurde für den Künstler sein erster Freund und der erste Lehrer. Der junge Chagall malte Szenen, die er täglich aus dem Fenster seines Hauses beobachtete. Die Eltern hatten keine Vorstellungen über die künstlerischen Fähigkeiten des Sohnes und seine Mutter nutze die Zeichnungen ab und zu als Servietten.

Blick aus einem Fenster in Witebsk, 1914 (Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau)

1907 reiste Chagall nach Sankt Petersburg. Die Hauptstadt des Russischen Reiches schien ihm ein gelobtes Land zu sein. Nachdem das zukünftige Genie die Prüfung für die Russische Kunstakademie nicht bestand, studierte er zwei Monate lang an der Kunstschule unter der Leitung von Nikolai Roerich.

Bella mit Weißem Kragen, 1917,  Privatsammlung

1909 traf Marc Chagall die Tochter eines Juweliers aus Witebsk, Bertha (Bella) Rosenfeld. Sie war die Liebe seines Lebens, der er viele von seinen Werken widmete. Sie heirateten nach seiner Rückkehr aus Paris im Jahr 1915 und bald wurde ihre Tochter Ida geboren. Bella blieb seine Frau und Muse für 30 Jahre. Ihr Bild ist auf mehr als zweitausend seiner Gemälde zu finden. Als sie 1944 starb, war Chagall untröstlich und hörte für ein halbes Jahr lang auf zu malen.

Ein Kind beim Baden, 1916 (Staatliches historisch-architektonisches Kunstmuseum, Pskow)

1920 zog Chagall nach Moskau. Er arbeitete am Moskauer Jüdischen Kammertheater und nahm an der Gestaltung des Theaters teil. 1921 arbeitete er als Lehrer für obdachlose Kinder an der Moskauer Jüdischen Gemeinschaftsschule.

Lovers in Pink, 1916,  Privatsammlung

Er erinnerte sich oft an das Leben in Moskau: „Es passte zu mir. Was war nicht zu mögen? Eine freundliche Seele hat uns beherbergt. Uns alle: meine Frau, meine süße Tochter, unser Kindermädchen und ich schliefen in einem Raum. Wir zündeten den Ofen an. Vor Rauch und Freude hatten wir Tränen in unseren Augen. Der Schnee in der Ecke funkelte und der Wind pfiff friedlich“.

Porträt des Bruders David mit Mandoline, 1914 ( Primorsker Staatliche Kunstgalerie, Wladiwostok)

Mit David, dem geliebten jüngeren Bruder von Marc Chagall, verband der Künstler die wärmsten Kindheitserinnerungen. 1914 malte Chagall in Witebsk ein Porträt seines bereits verstorbenen Bruders. „Ich habe dein Porträt gemalt, David. Du lachst aus vollem Herzen, deine Zähne glänzen und du hältst eine Mandoline. Alles ist in Blautönen. Du erholst dich auf der Krim, einem seltsamen Land, das du vor deinem Tod aus dem Fenster des Krankenhauses darzustellen versuchtest“, erinnerte sich Chagall in seinem Buch „Mein Leben“.

Russisches Dorf unter dem Mond, gemalt in Paris, 1911 (Staatsgalerie Moderner Kunst, München)

Während des Ersten Weltkriegs lebte Chagall mit seiner Familie in Witebsk und dann in Petersburg. Erst 1922 gelang es ihm, nach Litauen zu reisen und von dort aus nach Berlin auszuwandern. In den 1930er Jahren lebte Chagall in Frankreich, wo er die französische Staatsbürgerschaft erwarb. 1941 wanderten er und seine Familie unter der Bedrohung des Nationalsozialismus in die Vereinigten Staaten aus, wo er während des Zweiten Weltkriegs lebte.

Der Spaziergang, 1918 (Staatliches Russisches Museum, Sankt Petersburg)

„Der Spaziergang“ ist ohne Zweifel eines der bekanntesten Werke des Künstlers. Chagall schuf das Gemälde, als er und Bella bereits verheiratet waren. Die Hauptfigur der Leinwand, Bella, hebt vom Boden ab, was höchstes Glück ausdrücken soll. Liebe ist somit die Grundvoraussetzung für den Sieg über die Schwerkraft der Erde.

Die Hochzeit, 1918 (Staatliche Tretjakow-Galerie, Moskau)

Erst 1973 besuchte der bereits 50-jährige Chagall, auf Einladung des sowjetischen Kulturministeriums, Leningrad (heute Sankt Petersburg) und Moskau. Eine Ausstellung seiner Gemälde wurde in der Tretjakow-Galerie veranstaltet. Der Künstler präsentierte der Galerie und dem Moskauer Puschkin-Museum einige seiner Werke.

Der rote Jude, 1915 ( Staatliches Russisches Museum, Sankt Petersburg)

Der berühmte Künstler starb 1985 im Alter von 98 Jahren in der französischen Stadt Saint-Paul-de-Vence. Die Meisterwerke von Marc Chagall sind heute in den Galerien von Frankreich, den Vereinigten Staaten, Deutschland, Russland, Weißrussland, der Schweiz und Israel zu sehen. Das Haus in Witebsk, in dem Chagall lange lebte, wurde in ein Museum verwandelt.

>>>Acht Maler, die die Russische Kunst prägten

Möchten Sie die besten Geschichten aus Russland regelmäßig per E-Mail erhalten? Dann hier entlang zu unserem wöchentlichen Newsletter: >>> Jetzt Newsletter abonnieren

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Weiterlesen

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!