Fearful man looking sideways through venetian blind
Getty Images1. Der falsche Peter der Große
/ Kunsthalle Hamburg
Viele waren mit der Politik des Reform-Zaren Peter dem Großen, der von 1682 bis 1725 regierte, nicht einverstanden. Er führte europäische Kleidung ein, zwang die Männer, ihre Bärte abzuschneiden und schuf das Patriarchat ab. Für einige galt er als der Antichrist oder als ausländischer Spion. Wurde er vielleicht während einer seiner Auslandsreisen gegen einen Doppelgänger ausgetauscht?
Dieses Gerücht machte auch nach dem Tod des Zaren die Runde. Und selbst heute ist es nicht ganz verstummt. Im Internet kann man eine Vielzahl verschwörungstheoretischer Artikel finden, in denen bewiesen werden soll, dass der Zar ein Doppelgänger war. Zum einen seien da seine Reformen, zum zweiten habe er sich von seiner Frau getrennt und diese ins Kloster geschickt. Drittens sei er nach seiner Reise deutlich gealtert gewesen und viertens sei auf Porträts aus seiner Jugendzeit eine Warze zu sehen, die später nicht mehr zu sehen war. Das Wichtigste aber sei, dass just nach dem „Austausch“ Peters in der Pariser Bastille ein geheimnisvoller Gefangener auftauchte, der als „Mann mit der eisernen Maske“ berühmt wurde.
2. Jüdisch-freimaurerische Verschwörung
Davidsternstempel der Freimaurer auf der Ausstellung "Freimaurertum - Geschichte, Ritual, Symbolik" im Staatlichen Museum für Religionsgeschichte. / Vadim Zhernov/TASS
Im 18. Jahrhundert begeisterte sich der russische Adel für das Freimaurertum. Einige nahmen die geheimnisvollen Rituale durchaus ernst, für andere war es ein lustiger Zeitvertreib. In jedem Fall aber waren die Freimaurer in den höheren Kreisen weitverbreitet. Und die Verwendung kabbalistischer Symbole durch die Freimaurer sorgte dafür, dass über deren Verbindung zum Judentum spekuliert wurde.
Heute umfasst der Geheimbund in Russland wohl nicht mehr als 2 000 Mitglieder. Viele Logen wurden aufgrund der geringen Mitgliederzahl komplett geschlossen. Die Zahl derer aber, die an eine jüdisch-freimaurerische Verschwörung gegen Russland glauben, ist wesentlich größer.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Haltung der Verschwörungstheoretiker zu Wladimir Putin. Während Russlands Präsident früher zusammen mit George Bush als eines der führenden Mitglieder des Freimaurertums angesehen wurde, wird er nach der Angliederung der Krim immer öfter als heldenhafter Kämpfer gegen das globale Böse wahrgenommen.
3. Ärzteverschwörung
/ TASS
Zwischen 1948 und 1953 wurde in der UdSSR eine Kampagne gegen „heimatlose Kosmopoliten“ geführt. Dabei handelte es sich um Intellektuelle mit einem skeptischen Verhältnis zur Regierung, denen „Speichelleckerei gegenüber dem Westen“ vorgeworfen wurde. Meist waren sie Juden. Sie wurden aus Schlüsselpositionen entfernt und in einigen Fällen auch verhaftet. Ein Teil dieser Kampagne wurde als „Ärzteverschwörung“ bekannt.
Es begann mit dem Tod Andrej Schdanows, eines nahen Vertrauten Stalins. Einer seiner behandelnden Ärzte schrieb in einer Aktennotiz, ein Kollege habe bei Schdanow zu spät einen Herzinfarkt diagnostiziert und die falsche Behandlung angeordnet. In Folge dessen kam es zu massenhaften Repressionen gegen die „Mörder im weißen Kittel“, die angeblich gezielt Menschen Schaden zufügen würden. Eine der vielzähligen Anschuldigungen warf den Ärzten schlicht „Zionismus“ vor.Nach Stalins Tod wurde die Verfolgung von Ärzten eingestellt und alle Opfer rehabilitiert. Ins Bewusstsein der Massen sickerte dies nur bedingt. Nicht selten lehnen auch heute noch Menschen medizinische Hilfe unter Verweis auf die Ärzteverschwörung ab. Sie fürchten, ungewollt als Organspender oder für Medikamententests herhalten zu müssen.
Ebenso glauben einige, dass Menschen bei Impfungen unbemerkt elektronische Chips eingepflanzt würden. Mehr als 17 000 Unterzeichner der Petition „Gegen Impfungen und das Einpflanzen von Chips bei Kindern“ im sozialen Netzwerk VKontakte sind sich dessen ganz sicher.
4. 666 – die Zahl des Antichristen
"The Number of the Beast is 666" / William Blake Archive
Seit 1999 wird jedem Berufstätigen in Russland eine individuelle Steuernummer, die sogenannte INN, zugewiesen. Als diese INN noch in Planung war, kamen Gerüchte auf, dass in jeder Nummer verpflichtend die Ziffernfolge 666 implementiert sein werde. In der Offenbarung des Johannes steht geschrieben: „Und der Rauch ihrer Qual steigt auf von Ewigkeit zu Ewigkeit; und die das Tier und sein Bild anbeten, haben keine Ruhe Tag und Nacht, und wer das Malzeichen seines Namens annimmt…“ Mit Malzeichen ist dabei die Zahl 666 gemeint.
Es stellte sich letztlich heraus, dass die Vermutung unbegründet war. Nachdem die Russische Orthodoxe Kirche mehrfach versichert hatte, dass es keine Sünde sei, die INN zu verwenden, beruhigten sich die Gemüter allmählich. Doch immer noch existieren Internetseiten wie „Not INN“ oder „Nein zum elektronischen KZ“. Dort wird unter anderem behauptet, dass in naher Zukunft allen Bürgern Chips mit der Zahl 666 eingepflanzt würden, um totale Kontrolle über die Menschheit zu erlangen.
5. Dulles-Doktrin
Allen Dulles / AP
Die hinterhältigen Amerikaner vergifteten Russen mithilfe gentechnisch veränderter Organismen und Impfungen, zwängen Russland ihre elektronische Ordnung auf und manipulierten die Politiker. Und: Sie würden die Jugend verderben, genauso wie es der Plan von Allen Dulles, von 1953 bis 1961 Chef des amerikanischen Geheimdienstes CIA, vorsehe.
„Wir werden die ideellen Wurzeln herausreißen, die Grundlagen der Moral diskreditieren und vernichten. Wir werden auf diese Weise Generation für Generation erschüttern. Wir werden uns der Menschen im Kindes- und Jugendalter annehmen und den Akzent immer auf die Jugend setzen – wir werden sie verderben, verführen und korrumpieren. Wir werden sie in Zyniker, Dummschwätzer und Kosmopoliten verwandeln. So werden wir vorgehen!“ Den hinterhältigen Plan hat es in Wirklichkeit wohl nie gegeben.
Der Text der Doktrin wurde 1993 erstmals veröffentlicht. Später stellte sich heraus, dass er nahezu vollständig aus dem patriotischen Roman „Ewiger Ruf“ des sowjetischen Schriftstellers Anatolij Iwanow aus dem Jahr 1981 abgeschrieben worden war. Dennoch glauben bis heute selbst einige Politiker noch immer daran. So beschuldigte zum Beispiel der Gouverneur von Samara den Oppositionellen Alexej Nawalny im Jahr 2016, den Plan realisieren zu wollen.
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