Streit ums Denkmal: Wie Russlands Ex-Staatsführer die Gemüter erhitzen

Липецк. Памятник И.В. Сталину

Липецк. Памятник И.В. Сталину

Legion Media
In Sibirien griff ein Mann vor Kurzem ein Denkmal für den letzten Zaren Nikolaus II. mit einer Axt an. Der Zar, der 1918 hingerichtet wurde, ist aber bei Weitem nicht die einzige historische Figur, die bei einigen Russen schlechte Gefühle hervorrufen kann.

Obwohl Nikolaus II., letzter Zar Russlands und von den Bolschewiki 1918 erschossen, hohen Respekt im Land genießt und selbst von der Orthodoxen Kirche als Heiliger gewürdigt wird, gibt es viele Menschen, die ihm diese Ehrungen verwehren wollen. Tatsächlich hasst ein Mann den einstigen Zaren so sehr, dass er in der Stadt Nowosibirsk, 2 800 Kilometer östlich von Moskau, ein Denkmal mit einer Axt attackierte.

Der wütende Axtmann schlug mehrfach auf die Statue des Zaren und seines Sohnes Alexei, der ebenfalls 1918 ermordet worden war, ein, bevor die Polizei ihn verhaften konnte. Bevor er gestoppt wurde, schaffte er es, den Kopf der Statue Alexeis zu beschädigen. Sein Motiv hingegen ist bislang unklar. Vielleicht war er schlicht königlich verärgert!

Kaiser gegen Bürgermeister

Das Denkmal für Nikolaus II. in Nowosibirsk / Alexandr Kryazhev/RIA NovostiDas Denkmal für Nikolaus II. in Nowosibirsk / Alexandr Kryazhev/RIA Novosti

Das Denkmal für Nikolaus II. war erst im vergangenen Juli neben einer Kirche errichtet worden. Die lokale Bevölkerung war zunächst nicht von den Behörden dazu befragt worden, und auch der Bürgermeister Anatoli Lokot, ein Mitglied der kommunistischen Partei, hatte dem Bau der Statue nicht zugestimmt. Letztlich war er aber machtlos und konnte die Errichtung nicht verhindern.

„Es ist gefährlich, Entscheidungen zu treffen, die unsere Gesellschaft spalten“, sagte Lokot damals. Dabei erwähnte er auch, dass Aktivisten ihn gebeten hätten, ein Denkmal für Joseph Stalin zu errichten. Dieser sei ihm ideologisch näher als der letzte Zar Russlands. Aufgrund der Verantwortung Stalins für die Große Säuberung 1932 und 1933 sei sich der Bürgermeister allerdings bewusst gewesen, dass der Bau zu schweren Kontroversen geführt hätte – und habe den Plan deshalb abgelehnt.

Stalin taucht auf – und verschwindet

Stalin-Denkmal in Lipetsk / Legion MediaStalin-Denkmal in Lipetsk / Legion Media

Lokot könnte dabei an das Stalin-Denkmal in der Stadt Surgut, 2 130 Kilometer östlich Moskaus, gedacht haben, als er diese Entscheidung traf. Anhänger des sowjetischen Führers hatten dort am 15. September 2016 eine Statue Stalins aufgestellt. Die Freude sollte nicht lange wehren: Die lokalen Behörden entfernten sie umgehend mit dem Hinweis, sie sei illegal errichtet worden.

Dennoch nutzten viele Menschen das kurze Leben der Statue, um dort ihren Unmut zu bekunden. So wurde das Monument am Ufer des Flusses Ob mit roter Farbe beschmiert, um so das Blut der Opfer Stalins zu symbolisieren.

Seine Anhänger bleiben jedoch hartnäckig. Denis Hanschin, Anführer einer Gruppe, die das Leben des kontroversen Politikers feiert, glaubt fest daran, dass er und seine Mitstreiter einen anderen Weg finden, ihrem geliebten Führer zu huldigen. Wie genau dies geschehen soll, bleibt dabei bislang unklar.

Denkmäler für die blutigsten sowjetischen Führer tauchen immer wieder in Russland auf – meist sind sie aber nicht vom Staat unterstützt. Aktivisten errichten diese oft auf Privatgrundstücken und verhindern so, dass Behörden diese wieder abreißen können. Dennoch ziehen diese Statuen oft den Unmut von Teilen der Gesellschaft auf sich, der manchmal auch in Wut umschlägt. So warf eine Frau im Jahr 2015 Farbe auf eine Lenin-Statue in Lipetsk, 320 Kilometer südlich von Moskau, obwohl diese auf dem Gelände der regionalen Vertretung der Kommunistischen Partei errichtet worden war.

Aufbauen oder nicht aufbauen

Die Bronzestatue Koltschaks in Irkutsk / Kolchak1923/wikipedia.orgDie Bronzestatue Koltschaks in Irkutsk / Kolchak1923/wikipedia.org

In der Stadt Omsk, 2 230 Kilometer östlich von Moskau, diskutieren die Bürger zurzeit, ob man ein Denkmal für Alexander Koltschak (1874-1920) errichten sollte. Dieser war ein Führer der Weißen Bewegung und kämpfte in Sibirien während des Bürgerkriegs gegen die Bolschewiken. Die Bewegung huldigte Koltschak als „Großen Herrscher“ Russlands und er hatte Omsk im Alleingang zur Hauptstadt des Landes ernannt.

Die Regionalregierung hatte sich dazu entschieden, den Admiral 2016 mit einer Statue zu bedenken. Damit sollte gleichzeitig auch das 200-jährige Bestehen der Stadt begangen werden. Die Entscheidung stieß allerdings auf verbitterten Widerstand der Kommunisten in Omsk, die auf die brutale Vorgehensweise Koltschaks im Kampf gegen die Bolschewiken verwiesen. Sie gingen gar so weit, ihn den „sibirischen Hitler“ zu nennen.

Das Jubiläum kam und ging wieder, aber der Streit um das Denkmal blieb. Seine Anhänger wandten sich im Mai 2017 gar an das Kulturministerium in Moskau und baten um Unterstützung. Gleichzeitig steht allerdings bereits eine große Bronzestatue Koltschaks in der Stadt Irkutsk, 4 200 Kilometer östlich Moskaus, wo der Erzfeind des Kommunismus 1920 erschossen worden war.

Farbe für den Präsidenten

Die Reparaturen des beschmierten Denkmals kosteten beinahe 35 000 Euro. / Pavel Lisitsyn/RIA NovostiDie Reparaturen des beschmierten Denkmals kosteten beinahe 35 000 Euro. / Pavel Lisitsyn/RIA Novosti

Selbst der erste Präsident des postsowjetischen Russlands, Boris Jelzin (1931-2007), konnte sich dem Schicksal der Kontroverse nicht entziehen. Das weiße, eher phallische Denkmal in seiner Heimatstadt Jekaterinburg, 1 410 Kilometer östlich von Moskau, tauchte 2011 auf und wurde von den lokalen Behörden breit unterstützt. Der damalige Präsident Dmitri Medwedew selbst hatte es enthüllt und dabei betont, dass man dem ersten Präsidenten des Landes dankbar sein solle.

Dies hielt einige verärgerte Russen jedoch nicht davon ab, das Denkmal am 24. August 2012 zu verschandeln. Sie beschmierten es mit blauer Farbe und die Buchstaben der Inschrift wurden teilweise herausgebrochen. Die Reparaturen kosteten rund 2,5 Millionen Rubel, beinahe 35 000 Euro. Die lokale Polizei musste schließlich sogar einen eigenen Beobachtungspunkt für ihre Einsatzkräfte einrichten, um weiteren Vandalismus zu verhindern.

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