Pionierlager: Wo und wie der Homo Sovieticus aufgezogen wurde

Call for a morning lineup in the Young Pioneers' camp "Yuny Kosmonavt". 	01.06.1972

Call for a morning lineup in the Young Pioneers' camp "Yuny Kosmonavt". 01.06.1972

Solovjev/RIA Novosti
Die Idee der Pionierlage entstand in den 1920er Jahren. Damals erinnerten sie eher an Zeltstädte von Pfadfindern. Echte sowjetische Pionierlager mit Leitern und Erziehern gab es 1925. In der späteren Sowjetunion besuchten schon mehr als 10 Millionen Kinder jeden Sommer etwa 40 000 Ferienlager.

Gruselgeschichten vorm Einschlafen, die erste Disko, kleine Romanze, Zahnpasta im Gesicht, Wandzeitungen und Spiele… Ohne Pionierlager sind Kindheit und Sommerferien in der Sowjetunion schwer vorstellbar. Ohne Zweifel war deren Hauptziel die ideologische Erziehung der Kinder zu einem vollwertigen Mitglied der sozialistischen Gesellschaft. Diesem Ziel dienten denn auch verschiedene ideologische Veranstaltungen und politische Agitation. Allerdings gab es auch noch viele andere Dinge, die den ehemaligen Pionieren sicher für immer in Erinnerung blieben.

„Holt mich zurück nach Hause! Hier ist es schlimm und langweilig!“ Wie viele besorgte Eltern erhielten solche Briefe von den Kindern, die gerade erst in einem Pionierlager angekommen waren. Doch wenn die Eltern dann am Ende zum Abholen kamen, hörten sie das Gegenteil - mit Tränen in den Augen hieß es dann: „Ich will nicht nach Hause!“ 

 / Oleg Ivanov, Boris Kavashkin/TASS / Oleg Ivanov, Boris Kavashkin/TASS

Die Organisation der Sommerferien für die Kinder in der UdSSR war eine Staatsangelegenheit. Für die Pionierlager wurden die besten Erholungsgebiete des Landes bereitstellt. Der Alltag wurde den strengen Regeln, sportlicher und gesundheitlicher Erziehung untergeordnet. Jeder Tag begann am Morgen mit Horntönen und Gymnastik an der frischen Luft. 

/ Solovjev/RIA Novosti/ Solovjev/RIA Novosti

Vor dem Frühstück gab es den Morgen-Appell und die Fahne wurde aufgezogen. In der späten Sowjetunion wurde dieses tägliches Ritual zunehmend als mühsame Pflicht wahrgenommen.

/ B. Korzin/RIA Novosti/ B. Korzin/RIA Novosti

Nach dem Frühstück begann das Interessanteste: Natürlich nicht jedes sowjetischer Sommerlager lag am Strand der Schwarzmeerküste, aber ein Fluss oder ein See waren oft doch in der Nähe. Deshalb verbrachte man den Vormittag oft am Wasser. Allerdings durfte man auch dort ein bestimmtes Gebiet nicht verlassen oder die Kopfbedeckung absetzen. 

/ Valeriy Shustov/RIA Novosti/ Valeriy Shustov/RIA Novosti

Oft halfen die Pioniere beim Einbringen der Ernte in einer lokalen Kolchose. Wenn man Äpfeln, Aprikosen oder andere Früchte pflücken musste, dann war das ein echtes Vergnügen. Man konnte soviel essen wie man wollte.

/ Leonid Sverdlov/TASS/ Leonid Sverdlov/TASS

Ab ins Wildnis! Manchmal durften Lagerteams, die eine Norm bei der Sammlung von Obst und Gemüse oder anderen Leistungen übererfüllt hatten, eine kleine Reise unternehmen: in die Berge oder in den Wald. Dabei konnte man sich von der strengen Disziplin im Lager eine Weile erholen.

/ Miranskiy/RIA Novosti/ Miranskiy/RIA Novosti

Danach kam das langersehnte Mittagessen. Obwohl die Kinder sich oft über die Eintönigkeit der Nahrung beklagten, basierten die Gerichte doch auf der als super neu angepriesenen „sowjetischen Diätologie“. Sehr beliebt waren Brötchen und Weißbrot, die als kleiner Snack für zwischendurch aus dem Speisesaal mitgenommen wurden.

/ TASS/ TASS

Dann folgte die Mittagsruhe: Unabhängig vom Alter musste jeder Pionier ins Bett. Nach dem Aufwachen und der obligatorischen Vesper aus Kissel oder Kefir mit Keksen gab es für die Kinder ein Unterhaltungsprogramm oder sportlichen Veranstaltungen. 

/ Mark Redkin/TASS/ Mark Redkin/TASS

Nach dem Abendessen wurden dann oft Lagerfeuer gemacht, Gitarre gespielt und Lieder gesungen oder sogar eine kleine Disco veranstaltet, die dann oft der Höhepunkt der ganzen Woche wurde. 

/ Vladimir Velengurin/TASS/ Vladimir Velengurin/TASS

Aber: Alles Schöne hat ein Ende und nach drei fröhlichen Wochen kam dann der Abschied. Die Nacht vor der Abreise hieß „Königsnacht“ und hatte ihre eigene Traditionen: Die Pioniere nahmen Zahnpasta und versuchten, die Gesichter der Schlafenden zu bemalen. Am Morgen folgten Tränen, Austausch von Adressen und Telefonnummern, Versprechen zu schreiben und nie zu vergessen. Niemand wollte nach Hause und die neu gefundenen Freunde verlassen. Manchmal gelang es gar, Freunde für das ganze Leben zu finden.

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